Der Bau
Dass dem Gotthard in der Transitfrage eine überregionale Bedeutung zukommt, wusste man schon damals, als drei Urner Brüder vom Wallis, dem Tessin und Bündnerland heimkehrend sich trafen und berieten, wie man den Fendant, den Merlot und das Bündnerfleisch in die Innerschweiz importieren könnte. Ihre Pläne aber scheiterten an der unbegehbaren Schöllenenschlucht. Mit dem Urner Landammann und seinen Ratsherren nahmen sie deshalb an Ort und Stelle einen Augenschein. Die tiefe Schlucht liess sie aber resignieren: „Da soll doch der Teufel eine Brücke bauen!“ „Was gebt Ihr mir, wenn ich sie baue?“ rief da der Leibhaftige. Grosse Verlegenheit breitete sich aus. „Ich baue sie! Gegen den Ersten, der über die Brücke kommt!“ „Gut“, sagte der Landammann, „einverstanden, aber in drei Tagen muss die Brücke stehen!“
Die List
Tatsächlich spannte sich nach drei Tagen eine kühne Bogenbrücke über den tosenden Abgrund. Aber am anderen Ufer hockte der Teufel und wartete. Die Urner aber zerrten einen Ziegenbock, der freiwillig keinen einzigen Schritt getan hätte, in die Schöllenen hinauf. Kaum sah der Bock den Gehörnten auf der anderen Seite, stürmte er wie ein Wildgewordener hinüber und die Urner jauchzten und riefen: „So das ist der Erste. Den kannst du behalten!“
Die Wut
Der betrogenen Teufel rannte wütend in den Wassenerwald hinunter und holte einen haushohen Stein, um die Brücke zu zertrümmern. Schon hatte er Göschenen erreicht, als er einem Mütterchen begegnete: „Was eilt ihr so, verschnauft ein wenig!“ Der Teufel dachte: „Recht hat sie, die Brücke läuft mir nicht davon“, und stellte ab. Die Alte eilte um den Stein herum, kritzelte ein Kreuz hinein und verschwand. Als sich der Teufel erheben wollte, bracht er den Stein nicht mehr vom Fleck und ahnte Ungutes. Da fand er das Kreuz. Dem Tabu war er nicht gewachsen. So war er also zum zweiten Mal betrogen. Er musste den Stein und die Brücke stehen lassen und verschwand in die Hölle.
Die Verletzung des Tabus
Viele hundert Jahre lang tat die Teufelsbrücke in den Schöllenen ihren Dienst. Aber die Leute waren habgierig geworden und wollten immer mehr und fremdartigere Güter über die Alpen transportieren. Der Erfindergeist wuchs und bald konnten sie selbst und besser eine grössere Brücke bauen. Die Brücke des Teufels war unwichtig geworden. Die Ingenieurskunst legte neue Pläne vor: der Berg sollte durchstochen werden. Da war aber ein Hindernis im Weg: der Teufelsstein! Er lag genau dort, wo die neue Strasse durchgehen sollte. „Kein Problem!“ riefen die Baumeister und der Teufelsstein wurde verschoben.
Die späte Rache
Darauf hatte der Teufel nur gewartet. Jahr für Jahr schickte er eine grössere Blechlawine in die Alpen; die Auspuffgase verpestete die gesunde Luft, der Bannwald begann abzusterben, böse Lawinen donnerten zu Tale und Überschwemmungen versaarten die Täler. Die Menschen fingen an zu jammern. Doch es sollte noch schlimmer kom-men. In Europa gab es Konferenzen, an denen beschlossen wurde, den Alpenländern noch mehr Schwerverkehr mit noch grösseren, breiteren und schwereren Lastwagen zu schicken. Niemand wusste mehr Rat. Verzweifelt rangen die Leute die Hände… Da kam die Alpen-Initiative resp. da trafen sich die drei Brüder wieder. (Fortsetzung von Alf Arnold)
Der Widerstand
Flugs sammelten sie 100’000 Unterschriften und überzeugten das Schweizer Volk, ihrer Initiative zuzustimmen. Nun also schien das Unheil endgültig abgewendet und der Teufel gebannt. Sieben Berner Oberzwerge wurden damit beauftragt, die Lastwagen innerhalb von zehn Jahren von der Strasse auf die Schiene umzuleiten.
Das Feuer
Die Bevölkerung wartete und wartete, dass endlich die Lastwagenflut kleiner werde. Doch sieben lange Jahre geschah nichts. Dem listigen Teufel war es gelungen, die National- und Ständezwerge davon zu überzeugen, den sieben Oberzwergen nochmals fünf weitere Jahre für ihre Arbeit zur Verfügung zu stellen. Erst das Feuer im Tunnel heizte sogar dem Teufel so stark ein, dass seine Kraft nachliess und die Oberzwerge endlich ihrer Arbeit nachgehen wollten.
Die Rückkehr des Teufels
Das gefiel dem alten Bösewicht natürlich nicht. Und er sann erneut auf einen Schlich, um die Pläne der sieben Berner Oberzwerge zu durchkreuzen. „Wenn ich sie nur recht bewirte, so werden sie zufrieden sein“, sagte sich der Belzebub. Drum lassen sie sich nun vom Teufel auf einem Boot gemütlich über den Vierwaldstättersee fahren und durch höllische Drinks von ihrer Aufgabe abhalten: „Sollen doch unsere Nachfolger die Probleme lösen.“ Wenn wir sie nicht endlich wach rütteln, so werden sie noch lange untätig vor sich hin dösen…