Im Fernsehen kann man zurzeit tagtäglich die Situation der Schweiz während dem 2. Weltkrieg mitverfolgen. Vor allem Frauen und Kinder waren bemüht, die Versorgung der Schweiz mit Nahrungsmitteln durch das Beackern und Bepflanzen von jedem nur denkbaren Landstück zu gewährleisten. Auch wenn damals trotzdem über 40 % der Lebensmittel importiert wurden, war die Angebotsvielfalt verglichen mit heute noch lange sehr bescheiden.
Die Palette von Gemüse und Früchte in den Regalen der Lebensmittelläden war noch nie so gross wie heute. Exotische Früchte dominieren zeitweise das Angebot, doch auch scheinbar Einheimisches kommt oft von der andern Seite der Welt. Auch Fertig- und Halbfertigprodukte haben halbe Weltreisen hinter sich, bevor sie auf unseren Tellern landen.
Die Textilindustrie der Schweiz ist stark geschrumpft, unsere Kleidungsstücke werden grösstenteils in Asien hergestellt. Trotzdem, oder gerade deswegen boomen Kleidergeschäfte in der Schweiz und unsere Schränke sind gefüllt mit Nötigem und Unnötigem. Beinahe alle Massenprodukte werden in Billiglohnländern hergestellt und machen weite Reisen.
Das alles tönt nach einer patriotischen 1. Augustrede. Ja, es geht mir um die Schweiz, um den Schutz der Alpen, um die Lebensqualität der Bevölkerung und um den Klimaschutz, doch nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit. Darum muss man das Transportwesen kritisch durchleuchten.
Als vor 20 Jahren die Alpen-Initiative lanciert wurde, waren die Strassen bereits voll und die Belastung durch den Schwerverkehr hoch. Dass sich das Transportvolumen in der Schweiz und weltweit in wenigen Jahren dermassen ausdehnt, konnte man sich nicht vorstellen. Rund 700 000 LKW’s durchquerten damals jährlich die Schweiz. 1994, als das Schweizer Volk die Alpen-Initiative annahm und sich für die Verlagerung von der Strase auf die Schiene aussprach, waren es knapp 1 Mio. alpenquerende LKW’s.
Seither hat der Warentransport dermassen zugenommen, dass trotz grossen Bahnprojekten und trotz LSVA heute 1,2 Millionen Lastwagen die Alpen jährlich durchqueren.
Die Region Basel ist stark vom Güterverkehr betroffen und geprägt. Nicht zufällig befinden wir uns hier auf der Erlenmatt, wo Nord- und Osttangente das Areal umkreisen, auf dem ehemaligen Areal der Deutschen Bahn, unmittelbar neben dem Hafenareal. Schiff-, Zug-, und Strassentransportinfrastruktur und Umladeterminals liegen Seite an Seite.
Ja, Basel ist für Güter das Tor zur Schweiz – können wir darauf stolz sein? Es ist unerfreulich und nicht akzeptierbar, dass ¾ der Güter, welche hier die Grenze überschreiten, auf Lastwagen geliefert werden. Rund 1 Million LKW‘s überqueren die Grenzen der Region Basel jährlich in jede Richtung. Nur gerade 17 % der Ware kommt per Zug und rund 12 % per Schiff über die Grenzen – diese werden, glücklicherweise, zum grössten Teil per Bahn weitertransportiert.
Soll die Alpen-Initiative umgesetzt werden, müssen also spätestens in Basel die Güter von der Strasse auf die Schiene verlagert werden. Dazu braucht es genügend Schieneninfrastruktur. Ein weiterer Juradurchstich ist unumgänglich. Die Neat kann die Kapazitäten nie ausnützen, werden die Anschlussgeleise fehlen.
In Deutschland werden 4 Geleise entlang des Oberrheins erstellt. Diesen Schienenverkehr müssen/wollen wir abnehmen. Aber nicht nur das. Wir wollen auch zusätzlich Lastwagenfracht auf die Schiene verlagern – der Engpass zwischen Basel und Olten wird, wenn nicht schnell gehandelt wird, dazu führen, dass die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene blockiert wird.
Wir brauchen keine Erweiterung der Osttangente, einer der Basler Autobahnen, wie es der Bundesrat vorsieht. Wir brauchen eine rasche Erweiterung der Schienenkapazitäten und flankierende Massnahmen.
Und wir lassen es nicht zu, dass noch längere, breitere und schwerere LKW’s unser Land durchqueren. Wir wehren uns gegen die Salamitaktik, wie sie bereits bei den 40-Tönnern betrieben wurde. Zuerst durften sie 10 km über die Grenze fahren, sie haben die Strassen in Basel eingenommen und wurden später in der ganzen Schweiz zugelassen. Wir erleben es tagtäglich wie gefährlich 40-Tönner für Velofahrende und FussgängerInnen sind. 60-Tönner bringen noch mehr Lärm und Gestank, beanspruchen und demolieren die Strassen noch stärker und rauben den Velofahrenden den Platz. Schon heute lassen einem die 40–Tönner oft keine andere Wahl, als auf das Trottoir auszuweichen. 60-Tönner, Megatrucks – das kommt nicht in Frage. Wir lassen es nicht zu, dass unsere Lebensqualität noch mehr beeinträchtigt wird.
Je grösser die LKW’s, desto billiger der Strassentransport, da die externen Kosten des Strassenverkehrs (in der Schweiz zwischen 8 und 17 Milliarden Franken jährlich, je nach dem, was man alles dazuzählt) nicht verrechnet wird. Günstige Ware, das freut Konsumentinnen und Konsumenten, oder nicht?! Wir brauchen Kostenwahrheit im Verkehr, wir fordern, dass der Strassenverkehr die externen Kosten wie Gesundheit- und Umweltkosten, voll und ganz deckt. Nicht billige Ware um jeden Preis brauchen wir, sondern gesunde Ware, eine gesunde Umwelt und Klimaschutz.
Und da bin ich wieder beim Anfang. Vielleicht kommen wieder einmal die Zeiten, in denen Erdbeeren aus der Region billiger sind als solche aus Spanien und Kleider Made in Switzerland konkurrenzfähig gegenüber solchen aus Asien. Um das zu erreichen braucht es die Kostenwahrheit im Verkehr, es braucht die Überwälzung der externen Kosten des Strassenverkehrs auf die Transportkosten. Dann ist der Schienenverkehr konkurrenzfähig. Weiter hätte die Kostenwahrheit den Effekt, dass Produkte mit höheren Entstehungskosten und kurzen Transportwegen billiger wären als Massenware aus Billiglohnländern am andern Ende der Welt. Dazu sind Waren der kurzen Wege klimaverträglicher.
Herzlichen Dank, dass Ihr euch für die Alpen, die Umwelt, das Klima und die Menschen einsetzt.