Am Gotthard kommen sich zwei Projekte in die Quere: Der neue Eisenbahn-Basistunnel, der 2016 eröffnet wird, sowie die geplante 2. Strassenröhre. Das Forschungsbüro Interface hat berechnet, wie hoch die Verluste der NEAT wären, wenn die 2. Röhre gebaut wird: Es geht um Beträge in Milliardenhöhe!
In einem Jahr fährt der erste reguläre Personenzug durch den Gotthard-Basistunnel – ein Meilenstein der Schweizer Verkehrspolitik. Kurz davor, am 28. Februar 2016, stimmt das Schweizer Volk über eine 2. Strassenröhre am Gotthard ab. Die 2. Röhre ist teuer: 4,4 Milliarden Franken kostet das Projekt inklusive Sanierung des alten Tunnels. Zusätzliche Löcher reisst sie in die Bundeskasse wegen ihren Auswirkungen auf die Rentabilität der NEAT. Dies zeigt die Analyse von Ueli Haefeli, Verkehrsspezialist bei Interface. Dabei haben die SBB grosse Erwartungen in den neuen Basistunnel: Fahren heute noch täglich rund 9‘000 Personen per Bahn durch den Gotthard, soll sich diese Zahl bis 2025 verdoppeln. Bereits für 2020 rechnet die SBB mit mindestens 15‘000 Reisenden pro Tag.
Dass eine 2. Röhre negative Auswirkungen auf die NEAT hätte, wurde schon durch die Wirtschaftlichkeitsstudie im Auftrag des Bundes von 2011 bestätigt – selbst wenn nur 2 Spuren gebraucht würden. Wenn vier Spuren geöffnet werden, sinkt laut der Bundesstudie die Rentabilität noch stärker. Zu diesem Szenario aber wurden bisher noch keine Berechnungen gemacht.
«Schon die Öffnung der ersten Strassenröhre hatte extreme Auswirkungen auf den Schienenverkehr am Gotthard», sagt Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative. So zählten die SBB vor 1980 täglich rund 20‘000 Passagiere auf der Gotthardroute, heute sind es noch 9‘000. Und vor 1980 wurden über 90 Prozent der Güter am Gotthard mit der Bahn transportiert, heute sind es noch 68 Prozent. «Wird eine 2. Strassenröhre gebaut, werden die mit der Öffnung des Basistunnels zurückerkämpften Markanteile der Schiene wieder dahinschmelzen», sagt Jon Pult. Gemäss der Interface-Studie betragen die Verluste der SBB je nach Szenario 53,7 bis 161,2 Millionen Franken pro Jahr. «Auf 20 Jahre hochgerechnet werden der SBB wegen der 2. Röhre Billet-Einnahmen von über einer Milliarde Franken entgehen», sagt Manuel Herrmann, Leiter Alpenschutzpolitik der Alpen-Initiative.
Auch beim Güterverkehr sorgt der Bau der 2. Röhre für eine schlechtere Nutzung des Basistunnels. «Ein Ja zur 2. Röhre bedeutet einen Richtungswechsel in der schweizerischen Verlagerungspolitik», sagt Manuel Herrmann: «Der Alpenschutzartikel wäre in grosser Gefahr und stärkere Massnahmen zur Förderung der Nutzung der NEAT wären politisch kaum mehr durchsetzbar.» Für Jon Pult ist klar: «Die Ergebnisse der Studien sind eindeutig: Verkehrspolitisch steht die 2. Röhre völlig quer in der Landschaft. Es ist unsinnig, auf der gleichen Achse für 4,4 Milliarden einen Strassentunnel zu beschliessen, noch bevor die NEAT überhaupt in Betrieb ist.»
> Studie Wirtschaftlichkeit NEAT
> Faktenblatt
Kontakt
Jon Pult, Präsident Alpen-Initiative, 076 508 16 33
Manuel Herrmann, Leiter Alpenschutzpolitik, 078 765 61 16