17. Februar 2009

Nicht wenig haben wir erreicht seit der Gründung unseres Vereines vor 20 Jahren und seit der Annahme der Alpen-Initiative vor 15 Jahren. Es fehlt aber noch viel bis ans Ziel, das wir in 5 und eben nicht erst in 10 Jahren erreichen wollen: Wir können die andere Hälfte des Glases noch auffüllen. Dafür aber müssen wir arbeiten – gut, hartnäckig und gemeinsam!

Cartoon; Diego Balli
Alin freut sich auf ihre Weise über das Jubiläum der Alpen-Initiative. Spätestens 2019 muss das Verlagerungsziel erreicht sein, sagt das Gesetz. Die Politik darf also nicht einfach zuwarten!

Die Artikel 84, Absatz 2, und 182 der Bundesverfassung geben dem Bundesrat Kompetenz und Auftrag, den Alpenschutzartikel umzusetzen. Weil die Schweiz über kein Verfassungsgericht verfügt, konnten wir dies nicht durchsetzen. So entschied sich der Bundesrat für den langen Gesetzesweg, der inzwischen in die vom Parlament verabschiedete Güterverkehrsvorlage gemündet hat. Dieser Weg hat es dem Parlament ermöglicht, dem Verlagerungsinstrumentarium wichtige Zähne zu ziehen. Ebenso wurde riskiert, de facto den Volkswillen zu sabotieren.

Seit Jahren verlangt das Schweizervolk – konsequent, kohärent und nachhaltig – eine Verkehrspolitik, die den Schwerverkehr endlich markant von der Strasse auf die Schiene verlagert: 1994 hat das Schweizer Volk den Alpenschutzartikel in der Bundesverfassung verankert, ebenso den Grundsatzartikel für eine Schwerverkehrsabgabe (LSVA); 1998 hat das Volk dem LSVA-Gesetz und dem Fonds für den öffentlichen Verkehr zugestimmt sowie zwei Jahre später das Landverkehrsabkommen und das jetzt auslaufende Verlagerungsgesetz (mit Verlagerungsfrist 2009!) abgesegnet; 2004 dann haben die Stimmberechtigten dem Avanti-Paket mit den überrissenen Strassenbauprojekten und einer zweiten Strassenröhre am Gotthard klipp und klar eine Abfuhr erteilt.

Es braucht einen neuen Ansatz
Die Verlagerungspolitik braucht einen neuen, griffigen Ansatz, um von der heutigen Situation, die leicht zu überhitzen droht, wegzukommen. Entweder wird jetzt die Zahl der alpenquerenden Lastwagen rasch und dezidiert verringert, oder dann werden wir bald Opfer eines erneuten Anwachsens des gesundheits- und umweltschädigenden Schwerverkehrs.

Der Bundesrat und insbesondere der Verkehrsminister sind gefordert. Zwei Hauptinstrumente stehen im Moment im Vordergrund: erstens die rasche Einführung der Alpentransitbörse, die sich als erfolgversprechendes Instrument erwiesen hat, zweitens eine bessere Ausnützung und die progressive Ausweitung der Schienenkapazitäten im Transitverkehr. Nötig sind dazu eine Anpassung der Trassenpreise (beschlossen im Rahmen der Güterverkehrsvorlage von Dezember 2008) sowie der punktuelle Ausbau der Zulaufstrecke am Gotthard (ca. 90 Mio. Franken, mobilisierbar im Rahmen des Konjunkturprogramms des Bundes).

Diese Massnahmen erlauben es, dass bis 2012/2013 rund 8 Mio. Nettotonnen im alpenquerenden Güterverkehr zusätzlich auf der Schiene befördert werden können. Genau das brauchen wir, um die heutige LKW-Lawine zu halbieren und das Verlagerungsziel von 650’000 alpenquerenden Lastwagen pro Jahr zu erreichen.

Aus diesem Grund habe ich die Zahl 5 im Titel erwähnt – damit es nicht wieder 10 Jahre braucht! Denn im neuen Verlagerungsgesetz steht präzis und unmissverständlich: «Dieses Ziel soll spätestens zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels erreicht werden.» Spätestens: Das heisst, dass wir nicht bis 2019 warten dürfen, sondern dass wir viel früher ans Ziel gelangen können und müssen – im Interesse der AnwohnerInnen entlang der Transitachsen (und das sind nicht nur die UrnerInnen und TessinerInnen) sowie im Interesse der Umwelt – wir schulden dies dem Schweizer Volk!

Es mag sein, wie Alt-Bundesrat Ogi im Interview sagt, dass der Verein «Alpen-Initiative» 15 Jahre nach dem legendären Abstimmungserfolg etwas ruhiger geworden ist. Immerhin sind wir aber mit unseren Vorschlägen, Mahnungen und Aktionen immer noch jene Kraft, welche die Alpen-Verkehrspolitik und gleichzeitig die europäische Verkehrspolitik entscheidend prägt!

Alpenweit denken und alpenweit handeln wird weiterhin eine der Devisen der Alpen-Initiative sein. Das heisst, wir wollen weiterhin regional, national und international tätig bleiben, dies im Dienste der Umsetzung eines Volksauftrages. Dabei sind wir erfreut über das Erreichte und verärgert über die noch zu füllende Hälfte des Glases. Wir verbinden das mit einer Warnung: Falls sich bestätigt, dass Bundesrat oder Parlament die Verlagerungspolitik und das Verlagerungsziel sabotieren, dann kommt das Volk ein weiteres Mal zum Zug, und das nicht erst 2019. Buon lavoro a tutti noi!