20. Februar 2003

Der Nationalrat hat die Asphalt-Avanti-Lobby rechts überholt. In den Gegenvorschlag hat er so viel Strassenbau hineingepackt, dass ein unverdaulicher Brocken entstanden ist. Das Agglo-Zückerchen wird den Städten noch schwer auf dem Magen liegen, bringt es ihnen doch noch verstopftere Strassen. Wenn’s der Ständerat nicht richtet, wird es das Volk 2004 tun.

Autobahnstücke, über die ganze Schweiz verteilt. Dazu einen Strassenbaufonds, der die Finanzregeln des Bundes umgeht. Darin ein bisschen Agglo-Finanzierung, damit die Städte stillhalten. Und obendrauf die zweite Gotthardröhre, allen Blochern des Landes zuliebe. Dieses Paket schnürte der Nationalrat im Dezember mit 93 zu 85 Stimmen. Er will also mit der Abstimmung über die zweite Röhre die Alpen-Initiative zu einem guten Teil ausser Kraft setzen und im gleichen Aufwasch ein Strassenbauprogramm ohnegleichen durchdrücken: Die Asphalt-Lobby getraut sich nämlich nicht, den zweiten Strassentunnel am Gotthard separat an die Urnen zu bringen.

Das Volk nimmt den richtigen Zug Das Volk hat seit 1994 Schritt für Schritt für die Bahn und die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene entschieden: mit der Alpen-Initiative, der NEAT, der Schwerverkehrsabgabe LSVA und der Finanzvorlage für den öffentlichen Verkehr. Damit setzte es auch klare Zeichen für ganz Europa. Während die EU-Länder die von der Alpen-Initiative eingeleitete Verlagerungspolitik immer mehr als vorbildlich anerkennen, verrennt sich der Nationalrat zurück in die verkehrspolitische Steinzeit. Sein Asphaltierungsprogramm brächte massiv mehr Autoverkehr und liesse die Umwelt- und Gesundheitsprobleme im Alpenraum und in den Städten anschwellen: Von nachhaltiger Entwicklung keine Spur.

Bumerang für die Städte Der Bundesrat aus Zürich, Moritz Leuenberger, wollte mit seinem Gegenvorschlag für die Städte etwas tun. Das ist richtig und wichtig, denn in den Agglomerationen – im Mittelland wie in den Alpen – stellen sich die drängendsten Verkehrsprobleme. Doch dieser Vorschlag wird sein Ziel verfehlen, weil der Text des Bundesrats und des Nationalrats den Fuss-, Velo- und öffentlichen Verkehr nicht explizit erwähnt, die Autobahnen aber schon. Zudem legt er keinen konkreten Betrag oder Finanzteil für die Agglomerationen fest. Die vom Bundesrat erwähnten nötigen 300 bis 350 Millionen Franken pro Jahr sind nirgends garantiert. Ausserdem hilft das Agglo-Element, die Städte zu neutralisieren, damit sie die Riesennachteile des Avanti-Pakets übersehen: Der vom Nationalrat dazu gepackte «Infrastrukturfonds» löst einen Strassenbauboom aus, der den Autoverkehr weiter anschwellen lässt. Diese Autos werden in die Städte einfallen, dort die Verkehrsachsen verstopfen und die Anstrengungen für mehr Lebensqualität zunichte machen. Leider sind die Spitzen des Städteverbands und des Informationsdienstes für den öffentlichen Verkehr (LITRA) auf diese unheilvolle Verknüpfung hereingefallen. Wann werden die vernünftigen Kräfte in den Städten realisieren, dass sie mit dem Gegenvorschlag per saldo nichts zu gewinnen haben, sondern der egoistischen Autolobby in die Hand arbeiten?

Überall sparen – ausser bei Autobahnen!
SVP und FDP haben einen «Infrastruktur-Fonds» in den Gegenvorschlag hineingemurkst, der dem Strassenbau Milliarden sichert. Das «Sonderkässeli» wäre der vom Volk eingeführten Schuldenbremse nicht unterstellt. Der Bund müsste gleich zu Beginn 1.7 bis 2 Milliarden Franken und jährlich einen Teil der Mineralölsteuer für den Fonds spenden. Die gleichen Parteien, die verlangen, dass wir alle bei AHV, bei Umwelt und Gesundheit den Gürtel enger schnallen, wollen bei den Autobahnen mit der grossen Kelle anrühren. SP, Grüne und ein Teil der CVP wetterten vergeblich gegen diese «ökonomische Dummheit».