20. August 2007

In Österreich ist die Alpentransitbörse (ATB) im ÖVP/SPÖ-Koalitionsabkommen 2007 als Ziel erwähnt. Im Tirol beschloss der Landtag 2006 einstimmig, die Idee der ATB zu verfolgen. Landeshauptmann Herwig van Staa hat sich in Brüssel mit einem Änderungsantrag im Ausschuss der Regionen für die ATB eingesetzt.

Herr Landeshauptmann, das Land Tirol ist eine von Transitverkehr stark belastete Region. Über den Brenner rollen pro Jahr über 2 Millionen LKW. Was versprechen Sie sich von einem neuen Instrument wie der Alpentransitbörse?

Ich bin davon überzeugt, dass eine Transitbörse, an der mit Transitrechten gehandelt werden kann, ein geeignetes Instrument für eine nachhaltige und umweltgerechte Verkehrsabwicklung des Straßengüterverkehrs über den Alpenbogen darstellt.

Welche Bedeutung hat die Alpentransitbörse in Ihren Augen für die europäische Verkehrspolitik?

Es muss uns gelingen, den alpenquerenden Schwerverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Die Alpentransitbörse wäre dazu ein geeignetes Mittel, um hier eine wirksame Transitpolitik betreiben zu können. Bei allen Maßnahmen ist für mich eines klar: Dass Tirol im Rahmen der Europäischen Union in Transitfragen nicht schlechter gestellt werden darf als das Nicht-EU-Mitglied Schweiz.

Sie haben sich persönlich auf europäischer Ebene mit Erfolg für die Alpentransitbörse eingesetzt. Was ist ihre Motivation?

Ich habe gemeinsam mit den Landeshauptleuten von Südtirol und Salzburg für die Stellungnahme des Ausschusses der Regionen (AdR) in der Europäischen Union erfolgreich einen Änderungs-Antrag eingebracht. In diesem Papier ist ein Bekenntnis des AdR zur Verlagerung des Verkehrs auf ökologische Verkehrsmittel, also die Schiene bzw. den Seeweg, enthalten.
Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass die Emissionen wegen der schlechteren Ausbreitungs-Bedingungen in den Alpentälern zu wesentlich höheren Belastungen führen als in flachen oder hügeligen Ländern.
Leider ist die Beeinträchtigung der Gesundheit bis heute nicht vor dem Gerichtshof für Menschenrechte einklagbar. Und das trotz der Tatsache, dass die Gesundheit der Bevölkerung wichtiger ist als der freie Warenverkehr. Die Gesundheit muss ein einklagbares Recht beim Gerichtshof für Menschenrechte werden!
Im Rahmen des Interreg IIIB – Projekts MONITRAF arbeiten sieben Alpenregionen an gemeinsamen Strategien gegen den Alpentransit. Als Vorzeigebeispiel wurde die Zusammenarbeit beim Verbot von schadstoffreichen Lkw zwischen den Regionen Trentino, Südtirol und Tirol bei der letzten Sitzung in Innsbruck vorgestellt.

Sie erwähnten die Wichtigkeit von Koalitionen um die europäische Verkehrspolitik zu beeinflussen. Wie sieht diese Zusammenarbeit mit Nachbarregionen und Ländern konkret aus?

Ich nehme jede Möglichkeit wahr, um in Österreich, im benachbarten Ausland und auf europäischer Ebene in Brüssel und Straßburg auf die Transitproblematik in Tirol hinzuweisen. Und diese Diplomatie hat bereits erste Erfolge gezeigt, wie man am Beispiel der neuen Wegekostenrichtlinie sieht.

Wie soll es im alpenquerenden Güterverkehr weitergehen? Welche Zukunftsszenarien erachten Sie als plausibel?

Unser Ziel zum Schutz der Bevölkerung und Erhaltung einer intakten Natur in einem so sensiblen Lebensraum wie unseren Alpen muss die Verlagerung des Tran-sitverkehrs von der Straße auf die Schiene sein.
Deshalb setzen wir uns für eine rasche Umsetzung des Brennerbasistunnels (BBT) ein und haben erst kürzlich in Wien ein „Memorandum of Understanding“ zur Finanzierung des BBT unterzeichnet, bei dem Österreichs Verkehrsminister Werner Faymann und sein italienischer Kollege Antonio di Pietro anwesend waren. Österreich und Italien verpflichten sich darin, jeweils ein Drittel der Finanzen zum Bau des BBT beizutragen. Ein Drittel der Finanzen wurden uns schon von der Europäischen Union zugesagt.
Zudem besteht in der neuen Wegekostenrichtlinie der EU die Möglichkeit, die Maut auf dem Brennerkorridor anzuheben. Ich habe Italien ersucht, diese Chance wahrzunehmen. Denn mit einer annähernd gleich hohen Maut wie in der Schweiz kann eine nachhaltige Verringerung des Umwegtransits und damit eine Entlastung auf der Brennerstrecke erreicht werden.