23. Mai 2011

Der Direktor des Bundesamts für Verkehr (BAV), Peter Füglistaler, hat im Interview mit der „Zentralschweiz am Sonntag“ vom 1. Mai 2011 der Alpen-Initiative unterstellt, den eigenen Ideen untreu zu werden. Dieser Vorwurf entbehrt jeglicher Grundlage.

„Die Alpen-Initiative wird ihren eigenen Ideen untreu“, Zentralschweiz am Sonntag, 1. Mai 2011, Seite 5

Die Alpen-Initiative verlangt seit 1994, dass der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze auf der Schiene erfolgt. Das Güterverkehrsverlagerungsgesetz hat den Verfassungsgrundsatz konkretisiert: Zwei Jahre nach Inbetriebnahme des Gotthard-Basistunnels dürfen nur noch 650‘000 Lastwagen die Schweiz durchqueren, der übrige alpenquerende Güterverkehr muss auf der Schiene erfolgen (heute queren rund 1,25 Millionen Lastwagen die Alpen, davon rund 1 Million den Gotthard). Von diesem Ziel der Verlagerung ist die Alpen-Initiative niemals abgerückt.

Der Bundesrat hat seit 1994 vom Volk den Auftrag, dieses Ziel zu erreichen. Inzwischen sind 17 Jahre verstrichen, ohne dass auch nur annährend das in der Verfassung verankerte Ziel erreicht worden wäre. Der Bundesrat hat sich nie genug aktiv gezeigt, und die rechtsbürgerliche Mehrheit des Parlaments hat sich nie zu wirklich griffigen Massnahmen durchringen können. Die Alpen-Initiative ist die einzige Organisation, die den Bund immer wieder an seine von der Verfassung vorgegebene Aufgabe erinnert. Inzwischen hat das Parlament das Erreichen des Verlagerungsziels von 650‘000 Lastwagen auf 2018/19 verschoben. Dannzumal werden es 24 Jahre her sein seit der Annahme der Alpen-Initiative!

Wenn die Alpen-Initiative in Zusammenhang mit der anstehenden Sanierung des Gotthard-Strassentunnels ein Lastwagenverbot im Strassentunnel fordert, so bezieht sich dieses Verbot auf diejenigen 650‘000 Lastwagen (resp. die 500‘000 am Gotthard), denen gemäss Gesetz NACH Eröffnung des Gotthard-Basistunnels 2016/2017 noch erlaubt ist, die Alpen auf den eigenen Rädern zu durchqueren. Damit rückt die Alpen-Initiative von ihrem Ziel und ihren Ideen, die Zahl der alpenquerenden Lastwagen von Grenze zu Grenze von 1,25 Millionen auf 650‘000 zu reduzieren und den Güterverkehr entsprechend auf die Schiene zu verlagern, keinen Millimeter ab.

Die Alpen-Initiative verlangt mit dem Lastwagenverbot NUR, dass diese 500‘000 Lastwagen, die auf der Gotthardautobahn verbleiben dürfen, nach Eröffnung des NEAT-Gotthard-Basistunnel 2016/2017 zwischen Erstfeld und Biasca auf die neue Flachbahn durch die Alpen verladen werden (Streckenlänge 57 Kilometer). Diese Rollende Landstrasse (Rola) hat das BAV für die Zeit der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels von sich aus vorgeschlagen Der Alpen-Initiative geht es mit der Rola im Gotthard-Basistunnel um eine ZUSÄTZLICHE Massnahme zum Schutze des Alpengebiets, nicht um ein „STATT“. Die Alpen-Initiative will nicht die Rola am Gotthard allein, sondern die Rola UND die Verlagerung (Verlagerung + Rola). Dieses Konzept hat die Alpen-Initiative der Öffentlichkeit am 15. Februar 2011 und dem BAV direkt vorgestellt. Wer auf diesem Hintergrund behauptet, die Alpen-Initiative werde ihren Ideen untreu, verdreht die Tatsachen, bewusst oder unbewusst.

Das Lastwagenverbot im Gotthard-Strassentunnel würde die Sicherheit auf dem ganzen Abschnitt der A2 zwischen Erstfeld und Biasca massiv erhöhen, die Sanierung des Strassentunnels klar vereinfachen, die Staus um drei Viertel verringern sowie die Unterhaltskosten der Autobahn über Jahre hinaus wesentlich reduzieren. Zudem würde das Alpengebiet von Lastwagen entlastet und die Rentabilität der NEAT verbessert. Erwiesenermassen reagiert das Berggebiet besonders sensibel auf Luftschadstoffe, es ist auch von der Klimaerwärmung stärker betroffen als das Flachland und die Topographie begünstigt die Ausbreitung des Lärms.

Die Alpen-Initiative hat bis heute sämtliche Anstrengungen des Bundes, die Güter auf lange Strecken auf die Bahn zu verlagern, mit bestem Wissen und Gewissen unterstützt. Die Idee einer Alpentransitbörse, die Peter Füglistaler in dem Interview als geeignetes Verlagerungsinstrument propagiert, wurde von der Alpen-Initiative 2002 politisch lanciert. Ein besseres Verlagerungsmittel hat auch das BAV bisher nicht vorgeschlagen.
Das BAV sollte sich darauf konzentrieren, den Verlagerungsauftrag umzusetzen und die Zahl der alpenquerenden Lastwagenfahrten von heute 1,25 Millionen auf 650‘000 pro Jahr zu reduzieren, statt die Alpen-Initiative zu kritisieren. Die Alpen-Initiative wird weiter darüber wachen, dass der Bund den Volksauftrag von 1994 endlich umsetzt.

Fabio Pedrina, Nationalrat und Präsident der Alpen-Initiative, Airolo
Alf Arnold, Geschäftsführer der Alpen-Initiative, Altdorf