27. September 2001

Patrice Mugny, Nationalrat und Mitarbeiter der Alpen-Initiative
Genf steht der geplanten Wiedereröffnung des Mont-Blanc-Tunnels nicht gleichgültig gegenüber. Der Bürgermeister von Genf hat sich öffentlich gegen die Rückkehr der Lkw in den Mont-Blanc-Tunnel ausgesprochen. Rückendeckung bekommt er von der Mehrheit der Gemeinderäte. Und auch beim Kanton tut sich etwas. Die grosse Mehrheit des Genfer Gemeinderats ist der Empfehlung der Stadtregierung gefolgt und hat eine Motion verabschiedet, die sich klar dafür ausspricht, alles zu unternehmen um den Tunnel nicht wieder für Lkw zu öffnen, solange die Sicherheit nicht garantiert ist. In der Motion wird ausserdem eine sofortige Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene gefordert. Dieses Engagement hat grosses Gewicht, da die Stadt Genf Mitinhaberin der Betreibergesellschaft des Mont-Blanc-Tunnels ist. Auf kantonaler Ebene haben einige Abgeordnete der Alternativen (ein Zusammenschluss der Links-Parteien) eine Motions-Vorlage „für einen sichereren und umweltfreundlicheren Mont-Blanc-Tunnel“beim Grossen Rat eingereicht. Es bestehen gute Chancen, dass die Vorlage angenommen wird. Der Kanton Genf besitzt ebenfalls Anteile an den französischen und italienischen Tunnelbetreibergesellschaften und sitzt in deren Verwaltungsräten. Die UnterzeichnerInnen der Motion rufen zu einer unverzüglichen Umsetzung der Verkehrsverlagerung auf die Schiene auf. Die Motion auf kantonaler Ebene geht weniger weit als die städtische, sie lässt die Rückkehr einer beschränkten Menge Camions in den Mont-Blanc-Tunnel zu. Alle Projekte, die eine Reduktion von Langstreckenfahrten der Lastwagen und eine Begrenzung der Strassenkapazitäten fordern, verdienen es, unterstützt zu werden. Und genau dort setzt der Widerstand gegen die Wiedereröffnung des Mont-Blanc-Tunnels für Lkw an. Der Verkehr soll nicht auf andere Transitstrassen verschoben werden. Es gilt vielmehr den Widerstand entlang der anderen Verkehrsachsen anzukurbeln und dort die Gebühren für den Lkw-Verkehr auf Strassen und in Tunnels zu erhöhen sowie für Leerfahrten Sonderabgaben zu erheben. Die Gewinne sollten vollumfänglich in die Bahn investiert werden um die Verkehrsverlagerung auf die Schiene zu stärken. In der Schweiz ist ein derartiges System bereits in Kraft, es wurde in mehreren Volksabstimmungen vom Volk gutgeheissen. Die Schweiz könnte auch einen Teil des Verkehrs übernehmen, der heute die französischen Alpen quert –natürlich nicht auf der Strasse, sondern auf der Schiene. Im Jahr 1998 haben fast 36 Millionen Tonnen Güter die französischen Alpen überquert, davon 26 Mio. auf der Strasse und nur 9,3 Millionen Tonnen via Mont-Cenis-Bahntunnel. Dabei hätte der Bahntunnel Kapazitäten für 20 Millionen Tonnen. Kurzfristig bietet sich eine vermehrte Nutzung der Simplon-Achse an: Diese wäre über die stillgelegte französische Bahnlinie südlich des Genfer Sees, die sogenannte Tonkin-Linie Evian – St-Gingolph, und via Valorbe zu erreichen. Am Tonkin fehlen allerdings 17 Kilometer Geleise, welche für einen geschätzten Kostenrahmen von 100 Millionen Schweizer Franken (400 Millionen Französische Francs) ergänzt werden könnten. Allein durch die Wiederinstandstellung der Tonkin-Linie kurzfristig Kapazitäten für weitere fünf Millionen Tonnen Güter im Eisenbahntransit frei gemacht. Es muss angemerkt werden, dass die Benutzung der Bahnlinie südlich des Genfer Sees für den Gütertransport nur provisorischen Charakter hat. Ab 2007 wird die Kapazität am Simplon vollständig durch den Güterverkehr aus dem neuen Lötschberg-Basistunnel ausgelastet sein. Die Transporte der Tonkin-Linie könnten dann über die Mont-Cenis-Route abgewickelt werden. Die Kapazität der Mont-Cenis-Route könnte bis dahin deutlich erhöht werden. Die Tonkin-Linie würde dann, zur Freude aller Bahnfreunde, zu einer attraktiven Strecke für den Personenverkehr entlang der schönsten Orte des Genferseegebietes und würde dadurch die überlastet Strecke am nördlichen Seeufer entlasten. Die Ausführungen zeigen, dass der Mont-Blanc-Tunnel für Lkw geschlossen bleiben kann. Und diese Rechnung beinhaltet noch nicht die mögliche Verkehrsreduktion durch höhere Mautgebühren für Leerfahrten und nicht ausgelastete Lkw, die den Effekt noch verstärken würden.