27. September 2001

Renate Zauner, Präsidentin der Initiative Transport Europe (ITE)
Talübergreifende Solidarität für ein gemeinsames Ziel

1998: Paris, technischer Lagebericht Der Brossier-Bericht der französischen Regierung legt die Anzahl der « ökologisch » erträglichen LKW im Mauriennetal auf 8000 pro Tag fest (« technisch möglich » wären laut Bericht 12.200). Die Kapazitäten der bestehenden Bahnlinie, auch das wird festgestellt, könnten verdoppelt werden. Nationale und lokale PolitikerInnen nicken bedächtig. 2001: Mauriennetal, lokale KirchtumpolitikerInnen Im Mauriennetal ist die Anzahl der LKW innerhalb von 2 Jahren von unter 800.000 auf mehr als 1.5 Mio. LKW/Jahr hochgeschnellt. Geplant war das ja, wie oben dargelegt, schon seit mehreren Jahren. Es wurde nur sozusagen im Zeitraffer vollzogen. 7000 LKW zählt man an Spitzentagen. So kann das also wirklich nicht weitergehen, sagen lokale PolitikerInnen. Unerträglich diese Verkehrsniveaus. Fordern lauthals die Wiedereröffnung des Mont Blanc Tunnels. Garantien dafür, daß dieser das Verkehrswachstum einbremsen und eine neuerliche Verkehrsapokalypse in 5 Jahren verhindern könnte mögen sie freilich keine abgeben. Und über das eigene Tal hinausschauen noch weniger. Umweltorganisationen die über den Talrand hinausblicken Chamonix, talübergreifende Umweltbewegungen Treffen zwischen Umweltengagierten aus verschiedensten Tälern, Gebirgen und Ländern sind zur Normalität geworden am Fuss des höchsten Berges Europa. Dass die Umweltorganisationen aus dem Mauriennetal immer dabei sind und seit dem Unfall volle Solidarität mit den Forderungen der Mont-Blanc-Bewegung zeigen, ebenso. Man spricht dieselbe Sprache – die der Taten und nicht der Worte, und da stellen dann verschiedene Muttersprachen genauso wenig Grenzen dar wie Herkunft aus dem einen oder anderen Tal – oder die Berge dazwischen. Die Umweltorganisation Réagir aus dem Mauriennetal und die ARSMB (Association pour le respect du site du Mont-Blanc) aus Chamonix sind sich einig: Widerstand kann nur solidarisch sein. Keine Wiedereröffnung des Mont Blanc Tunnels. Heisse Eisen (bzw. LKW) teilt man nicht zwischen Tälern auf, das führt nur Ausweitung der brenzligen Situationen. Gefragt ist vielmehr die Lösung des Problems. Luftverschmutzung, die keine Grenzen kennt1997 waren im Mauriennetal (Fréjus / Mont Cenis) 80% aller NOx Emissionen verkehrsbedingt. Nach der Schliessung des Mont Blanc Tunnels im März 1999 haben sich die Emissionen verdoppelt. Die offiziellen Studien in Frankreich allerdings scheinen keine wirklich problematischen Werte zu messen. Nach der Schliessung des Mont Blanc Tunnels im März 1999 wurde weder eine bedeutender Rückgang der Luftverschmutzung am Mont Blanc (obwohl dort 2000-3000 LKW/Tag weniger fuhren) noch ein bedeutender Anstieg der Luftverschmutzung im Mauriennetal (obwohl dort nun fast die Gesamtheit des Verkehrs des Mont Blanc zusätzlich hinzugekommen war) festgestellt. Dies machte denn doch etwas stutzig. Im März 2001 wurde eine unabhängige Luftstudie in Auftrag gegeben und siehe da:die Luftmessstelle im Stadtzentrum von St. Jean-de-Maurienne ist nicht dazu geeignet, die Auswirkungen des alpenquerenden Transitverkehrs auf die Luftqualität der Wohngebiete in der Nähe der Autobahn zu messen,
die Luftmessstelle von Chamonix ist nicht geeignet, die Auswirkungen der dortigen Transitstrasse auf die Luftqualität des dortigen Tals zu messen.
Die Studie zeigte, dass die NO2 und NOx Konzentrationen im Mauriennetal genauso wie in Österreich und der Schweiz ein bedeutendes Problem darstellen und dies sogar in Zeiten starker Winde mit entsprechender Verdünnung der Schadstoffe. Die Luftverschmutzung in den französischen Alpen ist vergleichbar mit jener in Österreich und der Schweiz. Vergleichbar ist leider auch das völlige Fehlen von Versuchen, dieser Situation endlich durch gemeinsames Handeln seitens von Behörden und Politik (Minimum abgestimmte langfristige Dreiländerstudien!) abzuhelfen. Die Schweiz ist gefordert Eine andere Verkehrpolitik in den Alpen ist möglich (und nötig). Der Start einer derartigen – von der Schweiz seit langem eingeforderten – Verkehrspolitik ist durch die Solidaritätsbewegung am Mont Blanc und in der Maurienne in greifbare Nähe gerückt. Die Situation in diesen beiden Tälern zeigt allzu deutlich auf, dass Lösungen für die derzeitigen Probleme durchaus existieren und es v.a. am politischen Umsetzungswillen fehlt. Sofort umsetzbare Bahn-Alternativen für die Mont Blanc Region 1998 wurden insgesamt 35,6 Mio. t durch die französischen Nord-Alpen transportiert: 13,5 Mio. t durch den Mont-Blanc-Strassentunnel, 12,8 Mio t durch den Fréjus-Straasentunnel (Mauriennetal), und 9,3 Mio. t durch den Mont-Cenis-Eisenbahntunnel (Mauriennetal). Dieser Verkehr könnte innerhalb sehr kurzer Zeit zur Gänze auf das bestehende Eisenbahnnetz in Frankreich und der Schweiz verlagert werden. So hat z.B. die Linie Dijon-Vallorbe-Simplon noch freie Kapazitäten und die Bahnlinie südlich des Genfer Sees könnte ebenfalls innert kürzester Zeit eine grosse Entlastung vom LKW-Verkehr bieten. Dazu bedarf es allerdings grenzüberschreitender Zusammenarbeit zwischen Politik, Behörden und Bahngesellschaften. Und die steckt derzeit noch in den Kinderschuhen.