17. Februar 2009

Von Alf Arnold, Geschäftsführer Alpen-Initiative

Während der ganzen Debatte um das Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) war das vom Bundesrat vorgeschlagene Zwischenziel nie umstritten. Dabei ist dieses durchaus brisant, und wie es erreicht werden soll, keineswegs klar. Denn die Alpentransitbörse, das einzige neue Instrument der Verlagerungspolitik, wird wegen der zögerlichen Politik des Bundesrates leider nicht vor 2011 zur Verfügung stehen und wirken.

Im neuen Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) heisst es wörtlich: „Ab dem Jahr 2011 soll das Zwischenziel von höchstens 1 Million Fahrten pro Jahr nicht überschritten werden.“ (Art. 3 Abs. 4). Der Vorschlag dazu stammt vom Bundesrat selber und wurde im Parlament nie bestritten. Der Bundesrat ist nun gefordert, die entsprechenden Massnahmen zu ergreifen. Somit stellt sich die Frage, welche bisher nicht ausgeschöpften Instrumente der Bundesrat noch zur Verfügung hat. Denkbar sind folgende:Verstärkte Subventionierung des Schienengüterverkehrs: Der noch laufende Zahlungsrahmen von 1999 läuft bis Ende 2010. Die vorgeschriebene Obergrenze von 300 Mio. Franken pro Jahr wurde in der Vergangenheit nie ausgeschöpft. Mit höherer Subventionierung könnten mehr Güter auf die Schiene gelockt werden. Der neue Zahlungsrahmen 2011-2018 von 1,6 Milliarden Franken enthält keine Beschränkung auf eine bestimmte Summe pro Jahr. Es ist also möglich, in den ersten Jahren mehr Geld einzusetzen als nachher, wenn – hoffentlich – die Alpentransitbörse zu greifen beginnt. Allerdings ist zu beachten, dass die Schienentransporte bezüglich Preis schon heute vielfach konkurrenzfähig sind, nicht aber bei der Transportzeit. Die Verlader sind offenbar bereit, für den Strassentransport mehr zu bezahlen, wenn sie dafür ihre Güter schneller ans Ziel bringen.

Verschärfung der Dosierung: Die Dosierung des Schwerverkehrs am Gotthard beruht heute auf der magischen Zahl von 1000 Fahrzeugeinheiten pro Stunde und Richtung, wobei die Lastwagen als 3 Einheiten, die Personenwagen als eine Einheit gezählt werden und die Personenwagen Priorität haben. Würden die Lastwagen in dieser Rechnung als 4 oder 5 Einheiten eingesetzt, ergäbe sich ein grösserer Sicherheitsabstand und damit mehr Sicherheit im Gotthard-Strassentunnel – und quasi nebenbei auch eine Reduktion der LKW-Fahrten.

Konjunkturprogramm für Engpassbeseitigung auf den Zulaufstrecken: In den nächsten Jahren werden auf den Zulaufstrecken zu den Basistunnels immer mehr Engpässe auftauchen. Schon heute müssen die Güterzüge immer wieder den priorisierten Personenzügen Platz machen. Damit wird ihre Fahrzeit länger und weniger attraktiv. Mit dem Konjunkturprogramm ergibt sich die Chance, wenigstens die dringendsten Projekte der Engpassbeseitigung zu realisieren und damit den Verkehr zu beschleunigen und gleichzeitig zusätzliche Kapazitäten zu schaffen. Nach einer Aufstellung der SBB können für weniger als 100 Mio. Franken rund 4 Millionen Jahrestonnen mehr über die Gotthardroute transportiert werden.

Schnellere Trassenpreisreform: Der aktuelle Trassenpreis benachteiligt den Güterverkehr gegenüber dem Personenverkehr und verhindert eine gleichmässig Auslastung des Netzes. Das Parlament hat dem Bundesrat im geänderten Eisenbahngesetz (Art. 9b Abs. 4) den Auftrag gegeben, „auf vergleichbaren Strecken gleich hohe Trassenpreise“ festzulegen und die Trassenpreise so zu gestalten, dass „die Bahnkapazitäten optimal ausgenützt werden“. Auch hier sind kurzfristig Verbesserungsmöglichkeiten vorhanden. Wir hoffen, dass der Bundesrat in dem auf den Fahrplanwechsel 2009 angekündigten Veränderungen des Trassenpreises einen wesentlichen Schritt vorwärts macht.

Fahrverbot für Euro-0 und Euro-1: Noch immer sind alte Stinker der Abgaskategorien Euro-0 und Euro-1 unterwegs. Ein Fahrverbot für diese Fahrzeugkategorien würde allerdings kaum viel zur Verlagerung beitragen, da im Fernverkehr in der Regel neuere Fahrzeuge ab Euro-3 aufwärts unterwegs sind. Die alten Fahrzeuge sind vor allem im Nahverkehr eingesetzt. Ihr Verbot würde aber die Luft entlasten. Bereits etwas mehr brächte ein Verbot für Euro-2-Fahrzeuge.

Verstärkte Kontrollen: Im Verlaufe dieses Jahres wird das LKW-Kontrollzentrum Ripshausen in Erstfeld schrittweise in Betrieb genommen. Die verstärkte Kontrolle kann indirekt dazu beitragen, den Preis für den Strassentransport zu erhöhen und damit die Schiene konkurrenzfähiger zu machen.

Beschleunigung an den Grenzübergängen und an den Terminals: Hier müsste noch vermehrt angesetzt werden, um die Transportzeit des Schienentransports zu verkürzen.
Wir sind gespannt, welche Zaubermittel der Bundesrat ergreifen wird. Wir setzen am meisten Hoffnung in die ersten beiden der erwähnten Massnahmen.

Konjunktur-Baisse nicht mit Verlagerung verwechseln
Es ist zu befürchten, dass die aktuelle Konjunkturlage dem Bundesrat einmal mehr helfen wird, über die fehlende Verlagerungspolitik hinwegzutäuschen. Für das laufende Jahr dürfte auch auf der Strasse ein Rückgang des Schwerverkehrs erfolgen, der aber gar nichts mit Verlagerung zu tun hat: Auch der Güterverkehr auf der Schiene wird im laufenden Jahr viel tiefer ausfallen als 2008. Die Erfahrung zeigt, dass bei rückläufigem Verkehrsvolumen die Eisenbahn sogar mehr Verluste erleidet als die Strasse. Es ist deshalb zu erwarten, dass sich der Schienenanteil vermindert.