19. Februar 2004

Christa Mutter, Vorstandsmitglied Alpen-Initiative
Im Bereich des Strassenbaus gleichen die letzten zehn Jahre einer Kette von Versuchen, den Alpenschutzartikel rückgängig zu machen. Wir haben sie alle abgewehrt – zuletzt den Gegenvorschlag zur Avanti-Initiative des TCS. Jetzt ist es endlich an der Zeit, dass die Schweiz das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention unterschreibt, das die schweizerische Verkehrspolitik international absichert.

Die Demontagepolitik begann schon kurz nach der Abstimmung, als im Juni 1994 das Parlament das Strassentransitverkehrsgesetz (eigentlich müsste es Transitstrassengesetz heissen) so formulierte, dass nur die zentralen Teilstücke der vier Alpentransitachsen Gotthard, San Bernardino, Grosser St. Bernhard und Simplon dem Ausbauverbot unterstellt wurden und damit die N9 im Wallis – entgegen den Aussagen von Bundesrat Ogi kurz vor der Abstimmung – nun doch gebaut werden kann. Ins gleiche Kapitel gehört der unerhörte Vorschlag des damaligen EVED-Generalsekretärs Fritz Mühlemann, der nochmals über die Alpen-Initiative abstimmen lassen wollte. Noch weiter ging die parlamentarische Initiative Paul Schmidhalter, der den Alpenschutzartikel gleich ausser Kraft setzen wollte. Die Initiative wurde am 2. Oktober 1995 mit 107 zu 32 Stimmen bachab geschickt, nachdem die Alpen-Initiative mit einem Mahnfeuer am Urnersee Druck auf das Parlament gemacht hatte. Nicht besser erging es ein paar Monate später der parlamentarischen Initiative des Autoparteilers Roland Borer, der eine zweite Gotthardröhre erzwingen wollte. Die 1998 von der Freiheitspartei lancierte Volksinitiative „Zweite Autobahn-Tunnelröhre am Gotthard“ kam (wie die Initiativen für den Ausbau der A1 Lausanne-Genf und Bern-Zürich) gar nicht zustande. Erst die Parlamentswahlen von 1999 haben den Wind offenbar zugunsten der unentwegten Strassenbauer gewendet. Am 22. Juni 2000 stimmte der Nationalrat der parlamentarischen Initiative Giezendanner mit 93 zu 86 Stimmen knapp zu. Für die Ausarbeitung eines konkreten Entwurfs wurde die Frist bis zum Herbst 2004 verlängert. Die parlamentarische Initiative wurde damit zum Druckmittel bei der Behandlung der Avanti-Initiative im Parlament. Bis zum Parlamentsbeschluss ist die Rechnung auch aufgegangen. Der Gegenvorschlag des Bundesrates wurde prompt mit dem Inhalt der Avanti-Initiative, also der zweiten Röhre, angereichert. In das Bild der Verkehrspolitik der letzten Legislatur passt auch die Weigerung des Parlaments, die Protokolle der Alpenkonvention zu unterzeichnen. Dabei würde gerade das Verkehrsprotokoll eine internationale Absicherung der schweizerischen Verkehrspolitik bringen. Nach dem Nein des Volkes zum Avanti-Gegenvorschlag ist klar: Die Sabotagepolitik muss nun endlich aufhören. Das Parlament hat den nun mehrfach ausgesprochenen Auftrag des Volkes für eine konsequente Verlagerungspolitik umzusetzen, auf eine Erweiterung der Transitstrassen im Alpengebiet zu verzichten und die Protokolle der Alpenkonvention zu ratifizieren. Nur eine solche Politik ist zukunftstauglich und im Sinne der Bundesverfassung nachhaltig.