18. Februar 2000

Andreas Weissen, Präsident des Vereins Alpen-Initiative
Das Parlament hat am 8. Oktober 1999 die bilateralen Verträge und die flankierenden Massnahmen verabschiedet. Damit ist der Auftrag des Volkes für die Verlagerung des alpenquerenden Schwerverkehrs aber noch nicht umgesetzt. Die Alpen-Initiative fordert, dass Bundesrat Leuenberger die Umsetzung des Alpenschutzartikels zur Chefsache macht, ein unabhängiges Monitoring installiert und die Ausarbeitung weiterer Massnahmen sofort an die Hand nimmt.

Für die Alpen-Initiative stellt sich die Situation heute wie folgt dar: Mit der Einführung der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und der gleichzeitigen Zulassung von Vierzigtönnern wird das heutige verkehrspolitische Regime „28 Tonnen ohne LSVA“ modernisiert und eurokompatibel umgebaut. Für die Verlagerung ist damit allein aber noch nichts gewonnen. Beide Regimes haben im Bezug auf die Entwicklung des alpenquerenden Schwerverkehrs die gleiche Wirkung: das Wachstum nimmt weiter zu, die Lastwagenlawine wird nicht gestoppt. Das etwas tiefere Niveau bei Anwendung des neuen Regimes wird erkauft durch eine übermässige Zunahme des Schwerverkehrs in der Übergangsphase, ausgelöst durch die vorzeitig zugelassenen Kontingente an Vierzigtönnern und billigen Leerfahrten. Wir sind deshalb froh, dass das Parlament gleichzeitig das Verkehrsverlagerungsgesetz und einen Rahmenkredit für die Unterstützung des Bahnverkehrs beschlossen hat. Das Verkehrsverlagerungsgesetz bietet unseres Erachtens vier wesentliche Vorteile:Das Verlagerungsziel wird definiert und terminiert.
Die Entwicklungsklausel gibt dem Bundesrat den klaren Auftrag für weitere Massnahmen, wenn absehbar ist, dass das Ziel nicht erreicht werden kann.
Die Kontrolle des Schwerverkehrs auf der Strasse wird intensiviert.
Der Zeitpunkt für die Vorlage eines Ausführungsgesetzes zum Alpenschutzartikel wird festgenagelt.
Der Rahmenkredit gibt anderseits der Bahn eine Unterstützung bei der Wahrnehmung ihrer nicht leichten Aufgabe. Die Alpen-Initiative hat wiederholt vor und während den Beratungen mehr gefordert: mehr Geld und mehr Massnahmen. Auch jetzt setzen wir weiterhin ein grosses Fragezeichen, ob mit dem beschlossenen Massnahmenpaket das Ziel erreicht werden kann. Auch der Bundesrat und das Bundesamt für Verkehr haben offenbar Zweifel, wenn das Verlagerungsziel in einer Broschüre zu den Verkehrsabkommen als „ambitiös“ bezeichnet wird und zum voraus die Entschuldigung formuliert wird: „Es wird alles unternommen, um es zu erreichen; eine Garantie abgeben kann allerdings niemand.“ Für die Alpen-Initiative ist klar: Das Ziel muss erreicht werden. Der Bundesrat hat selber das Landverkehrsabkommen und damit die hinderlichen Rahmenbedingungen ausgehandelt, das Parlament hat sie genehmigt – im vollen Bewusstsein des seit 1994 bestehenden Verfassungsauftrags zur Verlagerung des Schwerverkehrs. Die Politik darf jetzt nicht die Verantwortung allein den Bahnen aufbürden. Im Gegenteil! Wir fordern von Verkehrsminister Leuenberger, dass er das Anliegen zur Chefsache macht, ein von der Verwaltung und den Bahnen unabhängiges Monitoring installiert und bereits jetzt weitere Massnahmen evaluiert. Ob eine Fusion von SBB und BLS für die Verlagerungspolitik vorteilhaft ist, dazu macht die Alpen-Initiative doch einige Fragezeichen. Uns scheint die Konkurrenz zweier schweizerischer Bahnen fruchtbarer zu sein als eine Quasi-Monopolsituation, auch wenn allenfalls ein neuer ausländischer Konkurrent ins Geschäft einsteigt. Die Alpen-Initiative hat darauf verzichtet, das Referendum gegen das Abkommen zu ergreifen. Nicht, weil uns das Abkommen so sehr gefällt, sondern einzig aus der Einschätzung heraus, dass die politischen Chancen für die Umsetzung des Alpenschutzartikels bei einer Ablehnung des Abkommens durch den Souverän auch nicht besser sind. Wir hegen dabei einige Hoffnung, dass unsere Nachbarstaaten in den nächsten Jahren eine Verkehrspolitik beschlies-sen, welche die schweizerische Verkehrspolitik stützt. Mit den geplanten Schwerverkehrsabgaben in Deutschland und Frankreich und dem Memorandum der französischen Regierung an die EU-Verkehrsminister scheinen uns Hoffnung erweckende Anzeichen in diese Richtung vorhanden zu sein. Durch den Verzicht auf das Referendum haben wir – einmal mehr – signalisiert, dass wir kein nationalegoistisches Ziel verfolgen, sondern den Schutz der Alpen, die an den Landesgrenzen nicht aufhören. Wenn das Abkommen dazu beiträgt, das Anliegen des Alpenschutzes weiter zu verankern, so freuen wir uns darüber. Damit es dazu kommt, müssen allerdings die schweizerischen Entscheidungsträger mehr Überzeugung demonstrieren, als sie dies etwa bei den Verhandlungen über das Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention gezeigt haben!