15. Oktober 2014

Was vielen Tessinern als Horrorszenario erscheint, ist für uns im Wallis ganz normal. Wer mit dem Auto in «d’Üsserschwiiz» fahren möchte, ohne den langen Umweg über Lausanne oder den Furkapass nehmen zu müssen, benutzt in Goppenstein den Autozug. Umgekehrt kommen die meisten Feriengäste, die mit dem Auto von Bern her ins Wallis reisen, über die Schiene durch den Lötschberg-Scheiteltunnel zu uns.

Normalerweise benutze ich für die Fahrt von Brig nach Bern oder Zürich nicht den Autoverlad, sondern die viel schnellere Verbindung mit dem Zug durch den Lötschberg-Basistunnel. Doch ein- oder zweimal pro Jahr muss oder möchte ich doch mit dem Auto in die Nordschweiz. Dann geniesse ich jedes Mal die spezielle Fahrt durch den Tunnel, bei welcher man nicht so richtig weiss, ob man jetzt im Auto oder mit dem Zug fährt.

15 Minuten Ruhe
Auf einem Werbeplakat des Bahnunternehmens BLS war vor einiger Zeit ein Kind am Steuer eines Autos zu sehen. Es sass vergnügt auf dem Schoss des Vaters und schien den Wagen zu lenken. Erst bei genauerem Hinsehen erkannte man, dass es sich um eine Reklame für den Autoverlad am Lötschberg handelte. Für einmal schummelte die Werbung nicht. 15 Minuten dauert die Fahrt von Kandersteg nach Goppenstein oder umgekehrt. 15 Minuten, in denen man sich eine Pause von der Autofahrt gönnen kann. Ob auf dem Handy E-Mails checken, ein Sandwich essen, den Ferienprospekt studieren, Radio hören, ein Nickerchen machen oder im Dunkel des Tunnels einfach nur das leichte Schaukeln des Autos geniessen – all das ist möglich, wenn man das Auto nicht selber lenken muss.

Alle 7,5 Minuten ein Zug
Mindestens jede halbe Stunde fährt ein Zug in beide Richtungen. In Stosszeiten hat die BLS allerdings die Möglichkeit, alle siebeneinhalb Minuten einen Zug fahren zu lassen. Die kurze Wartezeit bis zur Abfahrt des nächsten Zugs nutzt man für einen Toilettenhalt oder den Kauf einer Glacé oder einer Zeitung im Kiosk bei der Verladestation. Nachdem man über die Rampe auf den Zug gefahren ist, zur Wagenkolonne aufgeschlossen hat und die Handbremse angezogen hat, beginnt die entspannte Fahrt durch den Tunnel.

Durch den 14,612 Kilometer langen Lötschberg-Scheiteltunnel werden jedes Jahr mehr als 1,2 Millionen Autos verladen. Seit 1960 transportiert die BLS nach einem festen Fahrplan die Fahrzeuge durch den Lötschbergtunnel. Heute setzt die BLS dafür acht Züge ein.
Warum sollte zwischen Göschenen und Airolo nicht funktionieren, was sich zwischen Kandersteg und Goppenstein seit über 50 Jahren bewährt hat? Mit einem modernen und leistungsfähigen Autoverlad wird das Tessin auch während der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels nie von der Nordschweiz abgeschnitten sein. Auch die Touristen werden während der Bauarbeiten problemlos ins Tessin kommen. Gerade die von weit her Gereisten werden die Pause im Gotthardtunnel sogar geniessen.
Überdies werden zum Zeitpunkt der Sanierung der Gotthard- und der Ceneri-Basistunnel der Eisenbahn in Betrieb sein. Sie verkürzen die Fahrt gegenüber heute um fast eine Stunde! Sicher ein Grund für viele, künftig am Gotthard die Bahn zu benützen.