14. November 2005

Echo Nr. 84
Unsinn: In der Ostschweiz kreuzen sich die Kehrichttransporte. Die Alpen-Initiative fordert, dass die Abfalltransporte koordiniert werden. Der Kehrichtverbrennungsanlage Trimmis GR hat sie am 10. November den Roten Teufelsstein für besonders unsinnige Transporte überreicht.

gd/cos. Lastwagen transportieren Abfall von Süddeutschland nach Trimmis im Kanton Graubünden. Per Zug bis Landquart und dann per LKW kommt Tessiner Müll in die gleiche Kehrichtverbrennungsanlage (KVA). Gleichzeitig verschiebt der Abfallverband Oberengadin seinen „Güsel“ nach Niederurnen GL zur Verbrennung. Die mit Abfall voll gestopften Lastwagen kreuzen sich zwischen Ziegelbücke und Landquart. Diese unsinnigen Transporte sind für die Alpen-Initiative unakzeptabel. Wir fordern eine gesamt-schweizerische Abfallpolitik und Koordination zur Nutzung der Verbrennungskapazitäten.

Verfehlte Abfallplanung – Fall Graubünden
Seit dem 26. September fahren zwei bis drei Lastwagen pro Werktag aus der Nähe von Stuttgart und anderswo in Süddeutschland mit Abfall nach Trimmis im Kanton Graubünden. Jährlich werden auf der Strasse auf diesem Weg 10`000 Tonnen Kehricht importiert. Angeblich aus „wirtschaftlichen Gründen“ – aber ohne die Umweltkosten einzurechnen: Die Zunahme des Verkehrs bedeutet mehr Lärm und mehr Abgase.

Umgekehrt schickt der Kanton Graubünden über 20`000 Tonnen Siedlungsabfälle vom Kanton Graubünden an Trimmis vorbei in die Verbrennungsanlage in Niederurnen GL. Dieser Abfall „reist“ auf verschiedene Wegen ins Glarnerland: 10`000 Tonnen nehmen den Zug aus dem Oberengadin und anschliessend den Lastwagen, und 9`000 Tonnen nehmen entweder den LKW oder den Zug vom Bündner Oberland bis in den Kanton Glarus. Weiterer „Güsel“ aus dem Kanton Graubünden wird in den Kanton Zürich verfrachtet: Etwa 500 Tonnen werden vom Münstertal nach Hinwil mit Lastern transportiert.

Die Alpen-Initiative konfrontierte Dr. Hans-Peter Fahrni, den Leiter der Abteilung Abfall beim BUWAL (Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft) mit dem Fall Graubünden. Er bestreitet nicht, dass es ab und zu unsinnige Transporte gebe. Aber er insistiert, dass solche Transporte die Ausnahme, nicht die Regel seien.

200`000 Tonnen Abfall importiert
In der Schweiz besteht in den Kehrichtverbrennungsanlagen zurzeit eine Überkapazität von etwa 180`000 Tonnen pro Jahr. Die Kapazität wird sich durch den Bau einer Abfallverbrennungsanlage in Lausanne nächstes Jahr und einer weiteren im Tessin (Inbetriebnahme 2008 geplant) noch vergrössern auf 300`000 Tonnen. In Süddeutschland hingegen haben die Verbrennungsanlagen im Moment zu wenig Kapazitäten. Diese Situation wird schätzungsweise bis 2008/2009 Bestand haben. Auch in Italien gibt es Probleme mit einer Unterkapazität. Kein Wunder, dass die Schweiz als Ziel für die Abfälle ins Visier rückt.

Umgekehrt suchen aber auch die Schweizer Abfallverbrennungsanlagen nach Möglichkeiten, wie sie ihre Einkommen steigern können. Das Verbrennen ausländischer Abfälle rentiert, wie der Fall Trimmis zeigt: Rund vier Millionen Franken bringt die auf zweieinhalb Jahr befristete Verbrennung von jährlich 10 000 Tonnen süddeutschem Abfall in die Kasse des Gemeindeverbandes für Abfallentsorgung Graubünden (Gevag) und verbilligt damit die einheimische Abfallverbrennung.

Forderung nach Bahnanschlüssen
Der Abfallimport entwickelt sich in beunruhigendem Ausmass: Im Jahre 2004 hat die Schweiz 80`000 Tonnen Kehricht importiert. Dieses Jahr wird sie die 200`000 Tonnen-Grenze überschreiten. Ab 2006 lautet die Prognose, dass aufgrund der Unterkapazität allein Deutschland über 200`000 Tonnen Abfälle in die Schweiz schicken werde.

Die Alpen-Initiative findet es grundsätzlich unsinnig, Hausmüll über Hunderte von Kilometern zur Entsorgung zu karren. Wenn dies aber unvermeidlich ist, fordern wir, dass der Müll zumindest per Bahn fährt. So besagt es auch Artikel 16 der Technischen Verordnung über Abfälle (TVA): „Der Transport der Abfälle soll mit der Bahn erfolgen, wenn dies wirtschaftlich tragbar ist und die Umwelt dadurch weniger belastet wird als durch andere Transportmittel.“ Jetzt muss dieser Artikel nur noch angewandt werden! Nur 4 (bald 5) der insgesamt 29 Kehrichtsverbrennungsanlagen verfügen über einen Bahnanschluss. Höchste Zeit, die anderen auch an die Bahn anzuschliessen.

Es geht auch anders
Ein politischer Entscheid im Kanton Thurgau Mitte 90er Jahre macht’s möglich, dass 67 Prozent des Abfalls per Bahn in die Abfallverbrennungsanlage (AVA) Weinfelden fahren. Ab nächstem Jahr beliefert das Waadtland die neue TRIDEL Anlage in Lausanne sogar zu 70 Prozent per Bahn geliefert. Weinfelden und Lausanne benutzen dazu das Abrollcontainer Transportsystem (ACTS). So wie in der AVA Weinfelden oder der TRIDEL Lausanne sollte es sein – damit die schweren Laster nicht mit Abfall durch die Schweiz kurven.