18. Juni 2007

Am 16. Mai haben wir die Botschaft des Bundesrates zum Güterverkehrsverlagerungsgesetz und den dritten Verlagerungs-bericht erwartet. Bei Redaktionsschluss lag aber erst die zweite Studie zur Alpentransitbörse vor. Sie bestätigt, dass die Alpentransitbörse ohne Änderung des Landverkehrsabkommens eingeführt werden kann.

aa. Die Alpen-Initiative freut sich, dass eine vom Bundesamt für Strassen (ASTRA) in Auftrag gegebene Studie aufzeigt, dass die von ihr vorgeschlagene Alpentransitbörse (ATB) praxistauglich ist. Die ATB will die alpenquerenden LKW-Fahrten durch die Ausgabe von Transitrechten begrenzen, gerecht auf die verschiedenen Übergänge und Werktage verteilen und über eine internetgestützte Börse handeln. Bereits vor zwei Jahren kam eine grundsätzliche Machbarkeitsstudie zum Schluss, dass «die Alpentransitbörse ein realisierbares, effizientes und effektives Instrument der Verkehrspolitik ist.»
Die ATB ist gemäss der neuen Studie mit den verkehrsrechtlichen Grundsätzen des Landverkehrsabkommens vereinbar. Ein Problem ergibt sich nur aus der vom Departement vorgesehenen entgeltlichen Erstzuteilung der Alpentransiteinheiten. Werden die Alpentransiteinheiten aber – wie von der Alpen-Initiative vorgeschlagen – unentgeltlich und diskriminierungsfrei als Bonus für die Benützung der Schiene verteilt, kann die ATB ohne Änderung des Landverkehrsabkommens eingeführt werden. Diese Möglichkeit wird von der Studie leider nicht ernsthaft abgeklärt.

Auf dem Verordnungsweg einführen
Artikel 84.2 der Bundesverfassung besagt: «Der alpenquerende Gütertransitverkehr von Grenze zu Grenze erfolgt auf der Schiene. Der Bundesrat trifft die notwendigen Massnahmen.» Die Alpen-Initiative bestreitet deshalb, dass für die Einführung der Alpentransitbörse ein Gesetz nötig ist. Wenn der politische Wille vorhanden ist, ist die Realisierung auf dem Verordnungsweg möglich, da eine direkt auf die Verfassung gestützte Verordnung des Bundesrates einem Gesetz gleichwertig ist. Somit ist das Legalitätsprinzip eingehalten. Gemäss Ansicht von Prof. Heribert Rausch, Zürich, gilt der Grundsatz, «dass das zur gesetzgeberischen Umsetzung eines Verfassungsauftrages zuständige Organ – hier: der Bundesrat – jedes sachlich und rechtlich geeignete sowie verhältnismässige Instrument einführen kann». Nach Meinung von Jurist und Alt Ständerat Sergio Salvioni (FDP TI) stellt die Delegierung der Kompetenz für die Ergreifung von Verlagerungsmassnahmen an den Bundesrat gemäss Alpenschutzartikel einen zwingenden Auftrag an die Exekutive dar: «Falls der Bundesrat sich dieser Verpflichtung entzieht, verletzt er damit schwerwiegend den ihm erteilten Auftrag.» Für den Verordnungsweg plädierte im Übrigen bereits Prof. Paul Richli in einem Gutachten zuhanden des Eidgenössischen Verkehrs- und Energiewirtschaftsdepartementes (EVED) im Jahr 1993.

Bundesrat missachtet Gesetz und Verfassung
Der Bundesrat nimmt es auch sonst nicht so genau mit der Bundesverfassung. Entgegen dem Wortlaut von Artikel 33 hat er nämlich die von fast 40’000 Personen unterzeichnete «Volksvernehmlassung» nicht offiziell zur Kenntnis genommen. Einzig das zuständige Verkehrsdepartement UVEK hat mit einem unverbindlichen und nichts sagenden Brief darauf reagiert.
Zudem missachtet der Bundesrat von Verfassung und Gesetz gegebene Fristen. Entgegen der Übergangsbestimmung zum Alpenschutzartikel hat er im letzten Jahr vorgeschlagen, die Verlagerung ohne Verfassungsänderung um weitere mindestens zehn Jahre hinauszuschieben. Und entgegen dem Wortlaut des Verkehrsverlagerungsgesetzes hat er seine Botschaft zum Güterverkehrsverlagerungsgesetz noch nicht vorgelegt. Nach dem Willen des Parlaments hätte dies spätestens 2006 geschehen müssen.