9. Mai 2009

Liebe Festgemeinde

Ich darf Ihnen zum heutigen Fest die Grüsse des Alpenkantons Graubünden überbringen.

Die Alpen waren, sind und bleiben für uns alle existentiell wichtig. Ihnen verdanken wir das, was wir sind, und das, was wir haben.

Seit Jahrtausenden bieten die Alpen ihren Bewohnerinnen und Bewohnern ganz verschiedene Lebensräume mit den unterschiedlichsten Herausforderungen und Schönheiten. Einer der ersten, der den Lebensraum Alpen erforscht hat, war übrigens der Disentiser Benediktinermönch Placidus Spescha (1752 – 1833). Für die Ökumene und gegen das Zölibat wird er von der Geschichte als unbequemer Querdenker und „religiöser Feuergeist“ beschrieben. Galt bis anhin die gewaltige Transitbarriere des Alpenraums als dämonische Welt, bewohnt von unkultivierten Barbaren, korrigierte Spescha als erster dieses Zerrbild der Gebirgswelt. Er ging bereits soweit, die Alpen nicht nur als Lebens-, sondern auch als Wirtschaftsraum zu verstehen. Die Abhängigkeit der Bergbevölkerung von der unbarmherzigen Gebirgswelt war ihm als Alpiner ein Begriff. Deshalb auch sein energisches Eintreten für einen respektvollen Umgang mit der Natur. Placidus Spescha – würde er noch leben – er wäre mit Bestimmtheit Mitglied der Alpen-Initiative.

Ohne die Alpen hätten wir keine Rheinschlucht, keine Surselva, keine Greina, kein Engadin, kein Münstertal, kein Bergell und keine Alpenrosen.

Wir hätten keine Leventina, keine Silberen am Pragelpass, keinen Gotthard, keinen Aletschgletscher, keine Bernhardinerhunde.
Und Flüelen – dieses schöne Dorf hier – läge nicht am Urnersee.

Den Alpen verdanken wir unsere Vielfalt an Sprachen und Konfessionen, zahlreiche Burgen, Schlösser und Klöster.
Ausserdem verdanken wir ihnen unsere Anpassungsfähigkeit, unsere Ausdauer und viele Sorten von Alpkäse.

Geologen behaupten, dass die Alpen jährlich um 2 Millimeter wachsen. Geschätzte Damen und Herren, dank den Alpen geht es mit uns aufwärts. Aber nicht nur das. Die Alpen sind auch schön. Sie geben uns Schutz, sie schaffen natürliche Grenzen und fordern heraus.

Gäbe es die Alpen nicht, so lebten wir in einer weiten Ebene zwischen München, Zürich, Venedig und Mailand. Mehrspurige Eisenbahnen und Autostrassen würden unser Land zerschneiden.

In der heutigen Zeit wären wir schutzlos einer motorisierten Blechlawine ausgesetzt. In früheren Jahrhunderten hätten uns die Kavallerien unserer Nachbarn bedroht.

Ferner verdanken wir den Alpen unsere Standhaftigkeit. Es ist nicht schwierig, auf der Ebene standhaft zu sein. Schwieriger ist das in den Alpen. Dem Training in den steilen Bergen verdanken wir unsere Standhaftigkeit. Es war Meienberg, der einige Zeit in unserer Kantonshauptstadt am Gymnasium unterrichtete und unsere Standhaftigkeit auf die uns umgebenden Alpen zurückführte, indem er sagte … wo Berge sich erheben, wie Bretter vor dem Kopf.

Sie sehen, meine Damen und Herren, die Alpen waren, sind und bleiben für uns existentiell wichtig. Gäbe es die Alpen nicht, so müssten wir sie schaffen.
Dies zu können, wäre zweifelsohne von Vorteil. Denn könnten wir die Alpen selber aufschichten, so müssten wir keine Tunnels bauen. Wir könnten die verschiedenen Durchgänge von Anfang an in das Gesamtwerk einplanen.
Allerdings befürchte ich, dass bereits die diesbezügliche Konsensfindung unter den Alpenländern bedeutend schwieriger wäre als die Umsetzung der NEAT.

„Freie Sicht aufs Mittelmeer“ oder die „Berge können mir gestohlen bleiben“ – solche Aussagen passen zur Gattung „Transit-Schweizer“. Diesen ist eigen, dass sie daran glauben, dass sich unser Land in rentable und nicht rentable Gebiete zweiteilen lässt. So wie die Berge immer auch Orte des Übergangs sind, kommt es auf das Gleichgewicht an. Auf das Gleichgewicht zwischen Berg und Tal, Stadt und Land.

Wir können also froh sein, dass wir die Alpen haben, so wie sie sind.
Wir müssen ihnen Sorge tragen. Die Alpen-Initiative hat sich dies vor 20 Jahren zur Aufgabe gemacht. Vor 15 Jahren hat sich das Schweizervolk hinter dieses Anliegen gestellt. Seither ist bezüglich Schutz der Alpen, insbesondere bezüglich Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene viel passiert. Besonders stark engagiert hat sich in dieser Hinsicht auch unser Verkehrsminister Bundesrat Moritz Leuenberger.
Ihm und dem Verein Alpen-Initiative möchte ich heute im Namen der Bündner Regierung und des Bündner Volkes ganz speziell danken.
Der Alpen-Initiative verdanken wir – und dies ist in der heutigen Finanzkrise besonders wichtig – mit der Alpentransit-Börse auch eine Börse, von welcher wir und unsere Kinder mit Sicherheit profitieren werden.

1994 kam die Alpen-Initiative mit der Volksabstimmung und dem Tanz des Landammanns von Uri so richtig in Schwung. Dieser Schwung zog im Laufe der vergangenen Jahre immer mehr Menschen mit. Und der Tanz von damals ist längst zu einer Polonaise geworden. Spritzig und kantig, aber dauerhaft und strahlend, genauso wie der Bergkristall funkelt auch die Alpen-Initiative. Deshalb: Staunen statt Stau in den Alpen.

Herzliche Gratulation und vielen Dank!