Vor der Fertigstellung einer 2. Röhre am Gotthard müsste der alte Strassentunnel notsaniert werden. Während der nötigen Vollsperre würde sich der Verkehr 140 Tage lang durch die Kantone Graubünden und Wallis quälen. Der Bundesrat weigert sich, das Ausmass dieses Umwegverkehrs zu beziffern. Er hat für die fast fünfmonatige Totalsperre auch kein Verkehrskonzept entwickelt. Dies geht aus Antworten auf diverse Vorstösse hervor.
Die vom Bundesrat und Parlament bevorzugte Sanierungslösung am Gotthard – der Bau einer 2. Röhre – bringt eine Totalsperre von 140 Tagen mit sich. Weil eine 2. Röhre frühestens 2030 in Betrieb genommen und der alte Tunnel nicht so lange sicher betrieben werden kann, müsste er während fünf Monaten notsaniert werden. Während dieser Zeit wäre der Gotthardtunnel gesperrt. Den Auto- und Lastwagenfahrern stünde dannzumal kein Verladeangebot zur Verfügung. Sie müssten daher den Gotthard via San Bernardino, Simplon und Grosser St. Bernard umfahren. Das heisst: Wenn die Sanierung mit dem Bau einer 2. Röhre bewerkstelligt werden soll, so entsteht in den Kantonen Graubünden und Wallis ein Verkehrschaos. Dort befürchtet man deshalb Zustände wie in der Zeit der Sperrung des Gotthard-Strassentunnels 2001 oder nach dem Felssturz auf die A2 im Jahre 2006. Auch damals gab es keine echte Alternative auf der Schiene.
Die Bündner Nationalrätin Silva Semadeni und der Walliser Nationalrat Mathias Reynard haben den Bundesrat angefragt, mit wie viel Umwegverkehr während dieser 140 Tagen Totalsperre in Graubünden und im Wallis zu rechnen wäre. Silva Semadeni findet die Antwort des Bundesrates ernüchternd: «Der Bundesrat verweigert es, auf die Frage nach dem Umwegverkehr in Wallis und Graubünden konkret zu antworten.» Auch Mathias Reynard ist enttäuscht: «Der Bundesrat hat kein Konzept, wie er den Verkehr während der Notsanierung bewältigen möchte.» Ebenfalls unvollständig und ausweichend antwortete der Bundesrat auf Interpellationen des Bündner Nationalrats Josias Gasser sowie des Tessiner Ständerats Filippo Lombardi. Die Alpen-Initiative findet die bundesrätliche Haltung, den Umwegverkehr beim Bau einer 2. Röhre schlicht zu ignorieren, verantwortungslos und manipulativ.
Keinen Umwegverkehr gibt es nur, wenn der Gotthard-Strassentunnel ohne 2. Röhre saniert wird. Dann nämlich wird während der Sanierungszeit ein leistungsfähiger Bahnverlad eingerichtet. «In Graubünden und im Wallis haben es die Leute in der Hand, ob sie ein Chaos wie beim Felssturz erleben wollen oder nicht», sagt der Bündner Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative: «Wir wollen klar keinen Umwegverkehr, sagen deshalb Nein zur 2. Röhre und fordern die Sanierungsvariante mit alternativem, temporärem Angebot auf der Bahn.» Dass dies funktioniert, belegen diverse Studien des Bundes.