7. Februar 2008

Andreas Weissen, Vizepräsident Alpen-Initiative
Im Güterverkehrsverlagerungsgesetz ist nur ein einziges neues Verlagerungsinstrument vorgesehen: die Alpentransitbörse. Wird dieses nicht realisiert, so ist die Verlagerung auch zwei Jahre nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels nicht Wirklichkeit. Das GVVG muss deshalb zwingend die Realisierung der Alpentransitbörse vorsehen. Sie ist so auszugestalten, dass sie ohne Änderung des Landverkehrsabkommens realisierbar ist.

Der Bundesrat hat vorgeschlagen, im Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) die Rechtsgrundlage für die Einführung der Alpentransitbörse zu legen. Er ging davon aus, dass es trotz ausdrücklicher Ermächtigung des Bundesrates zur Ergreifung der für die Verlagerung nötigen Massnahmen (Art. 84 Abs. 2 BV) ein Gesetz braucht, welches die Eckpfeiler dieses Lenkungsinstruments festhält. Der Ständerat hat sich geweigert, bereits jetzt die Gesetzesgrundlage zu schaffen. Er will den Bundesrat zwingen, mit dem Ausland über die Alpentransitbörse zu verhandeln und dem Parlament allfällige Ergebnisse und ein Gesetz dazu erst nachher zur Genehmigung vorzulegen.

Der Ständeratsbeschluss hat zur Folge, dass die Verlagerungspolitik überhaupt nicht vom Fleck kommt. Ohne neue Instrumente ist die Verlagerung auch zwei Jahre nach Eröffnung des Gotthard-Basistunnels nicht realisierbar. Die bisher ergriffenen Verlagerungsmassnahmen (LSVA, erhöhte Gewichtslimite, NEAT, LKW-Kontrollen, Bahnliberalisierung) genügen nicht. Das hat die Alpen-Initiative schon seit Jahren gesagt. Jetzt zeigt es die Statistik 2007. Der erste Semesterbericht 2007 des BAV weist ein Wachstum der Zahl der alpenquerenden LKW-Fahrten von 9,3% aus. Zollstatistiken von Chiasso bestätigen diese Tendenz auch für die Periode Januar bis Oktober (+8,2%). Damit werden die in den Jahren 2001 bis 2006 erzielten Erfolge fast zur Hälfte zu-nichte gemacht.

Der Bundesrat darf deshalb nicht nur den Auftrag erhalten, über die Alpentransitbörse zu verhandeln, sondern muss den zwingenden Auftrag bekommen, diese innert nützlicher Frist einzuführen. Dies umso mehr, als zwei Studien im Auftrag des Bundes zeigen, dass die Alpentransitbörse machbar, praxistauglich und rasch umsetzbar ist. Deshalb müssen alle jene Artikel zur Alpentransitbörse, die der Ständerat gestrichen hat, wieder in den Beschluss aufgenommen und dabei offener formuliert werden.

Der Bundesrat und der Ständerat wollen die Zustimmung des Auslandes zu einer zwingenden Voraussetzung für die Einführung der Alpentransitbörse machen. Es ist an sich vernünftig, unsere Verlagerungspolitik nicht ohne unsere ebenfalls betroffenen Nachbarländer voranzutreiben. Wenn wir dem Bundesrat aber die Hände derart binden, so werden wir nie ans Ziel gelangen. Es wird sich immer ein Land finden, das nicht vorwärts machen will. Mit einem festen Beschluss zur Einführung der Alpentransitbörse muss die Schweiz deshalb ein klares Signal geben: Wir machen vorwärts, kommt und macht bitte mit! Deshalb ist die Ab-stimmung mit dem Ausland durch die Einfügung „wenn möglich“ zu relativieren.

Ein schwieriges Problem stellt Artikel 6 Absatz 2 nach Version Bundesrat dar. Hier wird die Palette von Ausgestaltungsmöglichkeiten der Alpentransitbörse in sehr unglücklicher Form eingeschränkt, indem nur von einer Versteigerung der Durchfahrtsrechte die Rede ist. Diese impliziert, dass der Staat an der Alpentransitbörse Geld verdient, also die Fiskalität im Alpentransit erhöht wird. Gerade dies verunmöglicht aber das Landverkehrsabkommen mit der EU, der mögliche Rahmen ist mit der LSVA bereits ausgeschöpft. Eine Neuverhandlung des Abkommens wäre zwingend – und risikoreich. Die EU könnte leicht auf die Idee kommen, massive Gegenforderungen zu stellen, nicht nur im Verkehrsbereich. Zudem wäre der Zeitaufwand sehr hoch. Weitet man die Palette der Möglichkeiten bei der Erstallokation der Durchfahrtsrechte, also der Art, wie die Rechte auf den Markt kommen, auf unentgeltliche Möglichkeiten aus, so ist auch eine Regelung auf der Stufe des gemischten Ausschusses zum Landverkehrsabkommens möglich.

Denkbar sind zwei Möglichkeiten:
Die Alpentransitrechte werden als Bonus für die Benützung der Schiene abgegeben. Wer x Tonnen per Bahn über die Alpen transportiert, hat Anspruch auf y LKW-Fahrten über die Alpen. Wer solche Rechte erhält, kann sie entweder selber benutzen oder auf dem Markt weiterverkaufen. Indirekt wird damit die Bahn verbilligt und die Strasse verteuert.
Eine zweite Möglichkeit besteht darin, einen Teil der Durchfahrtsrechte der EU abzutreten, die sie dann nach eigenem Gutdünken weiterverteilt. Diese Lösung wurde zum Beispiel bei der Verteilung der 40-Tonnen-Kontingente in den Jahren 2001 bis 2004 angewandt. Ein allfälliger Erlös könnte für den Ausbau der Schienen-Zulaufstrecken zweckgebunden werden.

Die Schweiz tut gut daran, mit der Verlagerungspolitik vorwärts zu machten: Auf der österreichische Autobahn A12 im Unterinntal, dem Zulauf zum Brenner, stauen sich die Fahrzeuge schon heute täglich. Es ist absehbar, dass sich die Bedingungen für den Schwerverkehr bald so verschlechtern, dass die Attraktivität dieser Route sinkt. In den nächsten Jahren sind auf der Brennerstrecke auch grössere Engpässe in Folge von Sanierungsarbeiten zu erwarten. Schliesslich sind die Dieselpreise in der Schweiz und in Österreich inzwischen gleich hoch. Ein wichtiger Grund für die Umwegfahrt über Österreich – die Einsparung von bis zu 200 Franken pro Fahrt durch billiges Tanken – ist weggefallen. Wenn die Schweiz jetzt nicht vor-wärts macht, so droht sie zum Überlauf des Brenners zu werden.

Brig / Bern, 7.2.09

P.S. Die Alpentransitbörse wurde bereits zehn Tage nach der Volksabstimmung über die Alpen-Initiative im Jahr 1994 vom damaligen LdU-Nationalrat und heutigen HSG-Professor Franz Jaeger ins Gespräch gebracht. Leider wurde seine Motion, die auch uns bis vor kurzem verborgen blieb, nie behandelt, da Jaeger 1995 aus dem Rat ausschied. (Beilage 3) Noch früher war das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) in Wien dran, das bereits 1989 ein ähnliches Modell für handelbare Transitkontingente entwickelte (Prof. Wilfried Puwein).
Unabhängig von diesen Vorschlägen nahm die Alpen-Initiative die Idee Ende 2001 wieder auf. Durch das Postulat von Fabio Pedrina (01.3773, Beilage 4) wurde die heute zur Diskus-sion stehende Variante vorgeschlagen. Obwohl das Postulat vom Bundesrat damals abge-lehnt und dann wegen Verjährung abgeschrieben wurde, entwickelte das UVEK die Idee mit zwei Studien in unserem Sinne weiter.