Mit der Alpentransitbörse können die Güter von der Strasse auf die Schiene verlagert und die Alpen geschützt werden. Das weiss auch der Bundesrat, doch er umgeht seinen Auftrag – obwohl alles für die Verlagerung spricht.
tob. Der Bundesrat ist nicht so einsam in Europa, wie er es darstellt. Die Alpenregionen in Österreich, Frankreich und Italien fordern gleich wie die Kantone Tessin und Uri eine Alpentransitbörse. Sie wissen, dass ihnen nur griffige Massnahmen dauerhaft Entlastung bringen. Ohne neue Massnahmen aber wird der Transitverkehr auf der Strasse weiter zunehmen – mit fatalen Folgen für die Gesundheit der Menschen, für die ökologisch sensible Bergnatur, für die Sicherheit auf den Strassen, schliesslich auch für den Verkehrsfluss. Mit den Stimmen aus den vom Transitverkehr geplagten Alpenregionen kann der Bundesrat gut gerüstet in Verhandlungen steigen – auch wenn das in Wien, Paris, Rom und Brüssel nicht besonders willkommen ist.
Verlagerung ist machbar
Die Schweiz befindet sich in einer besonderen Lage. Der Bundesrat hat seit 1994 vom Volk den Auftrag, das Alpengebiet vor den schädlichen Auswirkungen des Transitverkehrs zu schützen. Mehrere Abstimmungen haben gezeigt, dass sich an dieser Haltung nichts geändert hat. Gleichzeitig schafft die Schweiz mit den zwei neuen Alpentunnels am Lötschberg und am Gotthard die Voraussetzung, dass die Güter auf die Schiene verlagert werden können. Vor kurzem haben dies die Schweizer Güterbahnen BLS und SBB Cargo zusammen mit dem Verband öffentlicher Verkehr bestätigt. Sie halten die Senkung der Zahl der alpenquerenden Lastwagen auf maximal 650’000 pro Jahr, wie es im Gesetz festgeschrieben ist, für machbar. Auch das kann den Bundesrat nur darin bestärken, die Güter endlich auf die Schiene zu bringen.
Die Schweiz bezahlt die Neat selber. Sie kann auch weiterhin ihre Verkehrspolitik selber gestalten. Insbesondere dann, wenn die EU zögert und die Anliegen ihrer eigenen Alpenregionen missachtet. Der Bundesrat soll also, wie vom Parlament beauftragt, mit den umliegenden Ländern ernsthaft über die Alpentransitbörse verhandeln. Er könnte so im Alpenraum eine Führungs- und Pionierrolle übernehmen, getragen vom eigenen Volk und von den Bergregionen im benachbarten Ausland.
Der Bundesrat ist selber wiederholt zum Schluss gekommen, dass es eine Alpentransitbörse oder eine ähnliche Massnahme braucht. Die Alpentransitbörse könnte so ausgestaltet werden, dass das Ausland am Ertrag beteiligt wird und mit dem Geld die Zufahrtsstrecken zur Schweiz finanziert werden. Eine länderübergreifende Börse würde garantieren, dass der alpenquerende Lastwagenverkehr nach einem fixen Schlüssel auf die Alpenübergänge verteilt wird. Das bedeutet, dass bei einer Kontingentierung überall weniger Lastwagen fahren würden. Es liesse sich dabei mit der EU auch ein Rahmenabkommen über ein gemeinsames Verlagerungsziel nach Anzahl Fahrten festlegen. So wäre jedes Land frei, eine Alpentransitbörse oder ein anderes Lenkungsinstrument zu installieren.
Keine zweite Gotthardröhre
Verknüpft wird die Frage der Verlagerung in der Schweiz mit der Sanierung des Gotthard-Strassentunnels. Tatsache ist:
1. Eine Sanierung ohne zweite Röhre ist möglich. Das zeigen neueste Studien des Bundsamts für Strassen.
2. Eine zweite Strassenröhre, in welcher Form auch immer, würde die in der Verfassung festgeschriebene Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene torpedieren.
3. Ohne Verlagerung ist das Geld für die Neat wenig sinnvoll verlocht. Zudem würden wir unseren Kindern Zusatzkosten in Milliardenhöhe hinterlassen in Form von Gesundheits- und Umweltschäden.
4. Eine Sanierung der bestehenden Strassenröhre ist um mindestens 1 Milliarde Franken günstiger als der Bau eines weiteren Tunnels.
Das Tessin wird bei einer zeitweisen Schliessung des Strassentunnels nicht isoliert, obwohl dies immer wieder behauptet wird. Mit der Neat wird der Kanton sogar besser mit der Deutschschweiz verbunden sein als je zuvor. Die Strasse über den San Bernardino wird zudem weiter zur Verfügung stehen. Die Fachleute der Schweizer Güterbahnen wiederum haben bestätigt, dass sie auf der Gotthardachse einen «leistungsfähigen Ersatztransport» während der Sanierung leisten können.
Es ist im Interesse aller Bergkantone, dass keine zweite Röhre am Gotthard gebaut wird. Stattdessen ist die Sanierung als Chance zu nutzen, die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene endlich zu realisieren. Das würde bewirken, dass es auf allen Alpenübergängen weniger Lastwagen hätte!