Wenn die Gletscher schmelzen, so geht das die Menschen etwas an, sagt Eric Petrini. Deshalb schleppte er Ende September die Mikrofonanlage zum Pizolgletscher, mahnte die Menschen zum sorgsamen Umgang mit der Umwelt und brockte sich unfreundliche Worte ein.
tob. Der Kellner legt eine angesehene Schweizer Zeitung auf den Nebentisch. Auf der ersten Seite die Schlagzeile mit Bild: «Doch, wir dürfen unsere Autos lieben.» Darauf folgt der Satz, die Klimadebatte habe das Auto in Verruf gebracht. «So ein Quatsch», kommentiert Eric Petrini. Er ist Pfarreiseelsorger in Mels am Fusse des Pizol und mag die klare Rede.
Seine römisch-katholische Pfarrei wurde im Frühjahr 2019 angefragt, ob ein Vertreter der Kirche bei dem Gedenkanlass auf dem Pizol teilnehmen könne. Am liebsten wäre den Veranstaltern, zu denen neben kirchlichen Organisationen auch die Alpen-Initiative gehörte, ein hochrangiger Vertreter der Kirche gewesen. Ein Bischof beispielsweise. Aber die haben an Sonntagen meist schon andere Aufgaben.
Gesellschaftlich wichtig
Die Anfrage landete bei Eric Petrini. Das sei etwas für ihn, hiess es. Nein, er bezeichne sich nicht als Klimaaktivist, sagt er. Aber die Kirche müsse sich positionieren in dieser wichtigen Frage. «Wir müssen zeigen, dass wir gesellschaftlich wichtig sind und nicht einfach ein religiöser Haufen, der übrig geblieben ist», sagt Eric Petrini. Er, der Flachländer aus Trier, dessen Mutter Deutsche und dessen Vater Italiener ist, arbeitet seit 12 Jahren in der Schweiz und erst seit einem Jahr in Mels. Er sagte für den Gedenkanlass zu und wusste, dass es heikel ist, sich zu den Massnahmen zum Erreichen des Klimaabkommens zu äussern.
Doch für den 38-Jährigen ging es nicht einfach um den wegschmelzenden Pizolgletscher. Ihm geht es um die Menschen und deren Umgang mit der Erde. In seiner Rede formulierte er es wie folgt: «Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, die Natur auszubeuten und die von Gott gegebenen Schätze zu vergeuden. Zu lange haben wir geglaubt, uns über die Natur erheben und diese beherrschen zu können. Der Mensch mag die Krone der Schöpfung sein. Aber er hat verlernt, sich dieses Privilegs würdig zu erweisen.» Der Profit sei wichtiger geworden als die Nachhaltigkeit und damit zerstöre der Mensch nicht nur seine eigene Lebenswelt, sondern auch jene der nachfolgenden Generationen.
Sein Auftritt auf dem Pizol war sein erster dieser Art. Er hat ihm neben Lob und medialer Aufmerksamkeit auch Kritik eingetragen. Er habe sich für eine Propagandaveranstaltung einspannen lassen, hiess es, oder taktisch wäre es klüger gewesen, sich als Kirchenvertreter in der Frage der Klimaerwärmung neutral zu verhalten. Davon lässt sich Eric Petrini nicht beirren. In der Ethik der Kirche stehe, dass sie sich für Gerechtigkeit, Friede und Bewahrung der Schöpfung einzusetzen habe.
Der Klimawandel habe mit all diesen drei Themen zu tun: «Ich werde immer für Gerechtigkeit einstehen und ich kann nicht einfach aus Gründen der Scheu, der Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit heikle Themen wie die Folgen des Klimawandels meiden, wie das andere Kirchenvertreter tun.» Der Mensch trage nachweislich die Verantwortung für die weltweit steigenden Temperaturen.
Der Mensch und Gott
Die Mikrofonanlage hat er selber die zwei Stunden zum Pizolgletscher hinaufgetragen, ebenso Brot und Most. 15 Kilogramm Gepäck. Er sei erst nervös geworden, als er sah, dass an die 250 Leute den Weg hinaufwanderten.
In der Schweiz fühlt sich Eric Petrini wohl. Zuvor hatte er im Südtirol studiert und gearbeitet. «Dort durfte ich nicht gleichzeitig im deutschen und italienischen Kirchenchor mitsingen», sagt er – und das hat ihn enorm gestört. In der Schweiz sei Multikulturalität in der Verfassung festgeschrieben, das gefalle ihm. Er wird hier weiterpredigen, Religionsunterricht erteilen, kirchliche Anlässe organisieren. Und er wird sich weiter dafür einsetzen, dass der Mensch sein Verhalten so ändert, dass die Vielfalt und Schönheit dieser Welt erhalten bleiben. Auch mit der Hilfe Gottes.