In Schneeproben fanden Forscher kleinste Plastik- und Gummiteile. Auch dort, wo man sie nicht erwartet hatte, zum Beispiel in den Alpen oder in der Arktis. Pneus werden beim Fahren abgerieben – das ist ein grosses Problem.
sg/tob. Jürg Trachsel arbeitet am WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos. Zusammen mit Forschern des deutschen Alfred-Wegener-Instituts hat er erstmals nachgewiesen, dass es im Schnee – mag er noch so weiss sein – heute Kunststoffpartikel hat. Wind trägt die winzigen Kunststoffteilchen überall hin. «Selbst an den entlegensten Orten der Welt findet man heute Mikroplastik», sagt Jürg Trachsel. So fanden die Forscher in der Arktis und in den Alpen in einem Liter Wasser bis zu 14’000 kleinste Partikel. Dass neben einer Landstrasse in Bayern die Konzentration gar das Zehnfache und mehr betrug, lasse sich auf den Abrieb von Auto- und Lastwagenpneus zurückführen, so Jürg Trachsel.
Abgefahrene Reifen
Pneus: Sie müssen dann ersetzt werden, wenn das Reifenprofil nicht mehr genügend tief ist. Wohin aber verschwinden die abgeriebenen Gummiteilchen? In den Schnee, in die Gewässer, in die Böden. Forscher der Empa schätzen, dass sich in den letzten 30 Jahren in der Schweiz über 200’000 Tonnen Mikrogummi in der Umwelt angesammelt haben. Eine riesige Menge. Selbst in den Weltmeeren soll laut einer internationalen Studie der Pneuabrieb einen grossen Teil des Plastikmülls ausmachen.
Eine Studie der Universität Bern vom Oktober 2018 widmete sich der Untersuchung von 29 Auenböden in Schweizer Naturschutzgebieten. Die Ergebnisse sind ernüchternd: Die Wissenschaftler schätzen, dass in den obersten fünf Zentimetern der Auen rund 53 Tonnen kleine Kunststoffpartikel liegen. Selbst Böden entlegener Berggebiete sind mit Mikrokunststoff kontaminiert. Beispielsweise im Tomasee bei der Rheinquelle auf 2345 Metern Höhe wurde Mikroplastik gefunden.
Doch was ist Mikroplastik überhaupt? Als Mikroplastik werden Kunststoffteilchen bezeichnet, die zwischen 1 Mikrometer und 5 Millimetern gross sind. Je nach verwendeter Analysemethode fallen auch Gummiteilchen unter den Begriff Mikroplastik. Dabei wird zwischen primärem und sekundärem Mikroplastik unterschieden. Primäres Mikroplastik wird industriell hergestellt und verwendet (z. B. in Kosmetik- und Hygieneprodukten), wohingegen sekundäres Mikroplastik durch das Zerkleinern von grösseren Plastikteilen in der Umwelt entsteht. Internationale und nationale Studien legen nahe, dass viele sekundäre Mikroplastikpartikel in der Nutzungsphase durch Abrieb oder Verwitterung in die Natur gelangen. Das ist etwa bei Autoreifen, Plastikabfällen, Schuhsohlen, Textilien oder Farben der Fall.
Signifikanter Anteil
Die Folgen für Umwelt und Gesundheit sind noch wenig untersucht. In einer Sache ist man sich jedoch einig: Es gibt wohl keine Region auf dem gesamten Globus, die noch von Mikroplastikpartikeln verschont ist. Zudem zeigt sich einmal mehr, wie stark der Strassenverkehr unsere Umwelt verschmutzt. Auch die Lastwagen, die in verfassungswidriger Zahl durch unsere Alpen fahren, produzieren signifikante Mengen an Mikroplastik.
Wie das Problem lösen?
Für Jürg Trachsel ist eines klar: Wir sollten den Gebrauch von Plastik möglichst vermeiden und nicht recyklierfähigen sachgerecht entsorgen. Die Pneuhersteller müssen sich zudem ihrer Verantwortung bewusst sein und Reifen herstellen, die möglichst wenig Abrieb produzieren, also bei der Festlegung der Entwicklungsschwerpunkte Abriebfestigkeit und Laufleistung in den Vordergrund rücken. Doch die einfachste und mit Abstand wirkungsvollste Lösung heisst: weniger Fahrten mit Autos und Lastwagen. Das verringert die Menge des Pneuabriebs unverzüglich.