Der Bund spricht jährlich Beiträge, damit rund 90’000 Lastwagen mit der Rollenden Landstrasse auf der Schiene statt auf der Strasse die Alpen queren. Was mit dieser Massnahme geschieht, ist ungewiss.
Die Rollende Landstrasse (Rola) ist ein Element der Schweizer Verlagerungspolitik. Sie ist kein zentrales Element, aber ein wichtiges. Bei dieser Form der Verlagerung wird der komplette Lastwagen, also sowohl das Zugfahrzeug als auch der Sattelauflieger, auf den Zug verladen. Der Chauffeur reist ebenfalls mit. Mit dem Zugfahrzeug werden über 10 Tonnen unnötige Masse mittransportiert. Im unbegleiteten kombinierten Verkehr (UKV) werden nur die Sattelauflieger oder Container auf den Zug verladen. Der UKV ist deshalb effizienter und noch ökologischer.
CO₂ wird eingespart
Trotzdem leistet die Rola mit jährlich rund 90’000 beförderten Lastwagen einen wichtigen Beitrag zur Verkehrsverlagerung von der Strasse auf die Schiene. Denn all diese Lastwagen, welche die Strecke Freiburg im Breisgau (D) nach Novara (I) und retour auf der elektrisch betriebenen Schiene zurücklegen, belasten die Bewohnerinnen und Bewohner an den Transitachsen nicht zusätzlich. Rechnet man mit klimaschädlichem CO₂, so entspricht der durch die Rola eingesparte Ausstoss rund 10’000 Retourflügen von der Schweiz nach New York. Zudem trägt die Rola zur Schliessung einer Lücke bei: Ein Grossteil der neu immatrikulierten Lastwagen bzw. deren Sattelauflieger können aus Stabilitätsgründen gar nicht mit dem Kran auf einen Güterzug gehievt werden. Abhilfe schaffen könnten hier neue Technologien wie Nikrasa oder CargoBeamer, bei denen die Sattelauflieger vertikal statt mit dem Kran verladen werden. Diese Systeme konnten sich aber im Markt noch nicht genügend durchsetzen.
Die Zukunft der Rola ist ungewiss. Betriebswirtschaftlich rentieren unter den aktuellen Rahmenbedingungen weder die Rola noch der UKV. Die Verlagerung von ganzen Lastwagen auf die Schiene unterstützt der Bund mit rund 230 Franken pro Sendung. Eine Lastwagenfahrt auf der Strasse von Basel bis Chiasso würde bei einem 40-Tonner jedoch die Allgemeinheit rund 800 Franken kosten – so hoch sind die nicht durch die LSVA gedeckten externen Kosten.
Entscheid erst 2022
Die Rola ist also eine Ergänzungsmassnahme, um den Volksentscheid zur Alpeninitiative von 1994 umzusetzen. Nun befindet sie sich an einem Scheidepunkt: Wollen wir nach der Fertigstellung der NEAT das Rola-Angebot mit neuem, schlankerem Betriebskonzept und optimierter Subventionseffizienz seinen Beitrag leisten lassen? Oder wollen wir die staatlich unterstützte Rola ab 2023 einstellen und mit der Rückverlagerung auf die Strasse gar das Verlagerungsziel torpedieren? Diese Fragen wird der Bundesrat mit dem Verlagerungsbericht 2021 in einer Gesamtschau beantworten müssen. Den politischen Entscheid zur Zukunft der Rola fällt das Parlament voraussichtlich im Frühling 2022.
Diesen Prozess versucht der Transportunternehmer und Neo-Nationalrat Benjamin Giezendanner nun vorweg zu beeinflussen. Er hat in der Frühjahrssession erwähnt, «schon bald einen Vorstoss einzureichen, um 2023 die teure Rola abzustellen». Mit solchen Schnellschüssen ist jedoch niemandem gedient. Für die Entscheidung über die Zukunft der Rola bedarf es einer eingehenden fachlichen und politischen Analyse. Und zwingend einer Strategie, wie die 90’000 Lastwagen – mit oder ohne Rola – dem Volkswillen entsprechend auf der Schiene bleiben.
Ziel deutlich verfehlt
Bis Ende 2018 hätten laut Gesetz noch höchstens 650’000 Lastwagen durch die Schweizer Alpen fahren dürfen. Dieses Ziel wurde auch 2019 deutlich verfehlt.
898’000 Lastwagen durchquerten 2019 die Schweizer Alpen. Das sind zwar 42’000 weniger als im Jahr davor. Weil jedoch aufgrund der rückläufigen italienischen Konjunktur insgesamt 4,6 % weniger Güter durch die Alpen transportiert wurden, ist das kein Verlagerungserfolg.