Eigenwirtschaftlich kann SBB Cargo ihr Schweizer Feinverteilungsnetz weder aufrecht erhalten noch Gewinn bringend betreiben. Nun verlangt die Politik nach Lösungen, damit der Binnenverkehr substanziell zur Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene beitragen kann.
mif. «Standortbestimmung im Güterverkehr», «politische Grundsatzdiskussion»: So reagiert man auf Stufe Bund und Parlament auf den wiederholt hohen Betriebsverlust von SBB Cargo. Es herrscht ein breiter Konsens, dass die SBB-Tochter nicht ohne substanzielle Redimensionierungen im freien Wettbewerb bestehen kann. Viele befürchten, dass durch die aktuelle Straffung der Netzstruktur periphere Strecken unwiederbringlich wegfallen. Die politisch geforderte Verlagerung Strasse-Schiene wäre damit nicht zu erreichen.
Parlament will Antworten
Verschiedene parlamentarische Vorstösse bringen derzeit Bewegung in die Sache. Im Dezember 2020 wurde die Motion von Ständerat Josef Dittli (UR) «Bahngüterverkehr und Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstosses» angenommen. Sie verlangt «eine Steigerung des Bahnanteils und multimodaler Logistiklösungen am Güterverkehr, und somit eine Verlagerung zu energieeffizienteren und CO2-ärmeren Transportlösungen». Am 15. Juni hiess der Ständerat das Postulat «Gütertransport. Warum nicht die bestehenden Eisenbahnanlagen besser nutzen?» des Ständerats Charles Juillard (JU) gut. Es verlangt einen Bericht zur Entwicklung des Güterverkehrs in der Schweiz. Insbesondere
sei zu prüfen, wie man die Verlagerung des Güterverkehrs stärker begünstigen könnte. Nationalrätin Edith Graf Litscher (TG) stösst mit ihrer Interpellation «Handlungsbedarf bei SBB Cargo» nach. Sie will wissen, ob die Rahmenbedingungen für SBB Cargo aufgrund der unbefriedigenden Verlagerungssituation angepasst werden müssen.
Marschhalt für SBB Cargo
Das Bundesamt für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation (UVEK) begrüsst laut Sprecherin Annetta Bundi den Wunsch nach einer Standortbestimmung. Es bestehe klarer Handlungsbedarf. «Für SBB Cargo bedeutet dies zum aktuellen Zeitpunkt, dass es aufgrund von kurzfristigen unternehmerischen Entscheiden nicht zu einer Redimensionierung des Netzes und zu einem dauerhaften Verkehrsverlust auf der Schiene kommen darf.»
Marschhalt also vorerst für SBB Cargo. Ob und zu welchen Massnahmen die Standortbestimmung führen wird, ist ungewiss. Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative und Nationalrat, hat einen klaren Wunsch: «Der Binnengüterverkehr auf der Schiene muss aus dem starren Korsett der Eigenwirtschaftlichkeit befreit werden. Es braucht eine volkswirtschaftliche statt einer reinen betriebswirtschaftlichen Sicht auf den Güterverkehr. Dann hat die Bahn die besseren Karten.»
Vergebliche Rettungsversuche
Der Binnengüterverkehr in der Schweiz ist ein kompliziertes, feinmaschig organisiertes Transportnetz. Per 1. Juli 2016 infolge der Totalrevision des Gütertransportgesetzes endgültig in den freien Markt entlassen, verlor SBB Cargo letzte Subventionsgelder von jährlich 9 Millionen Franken. Einzig die Verlagerung im alpenquerenden Güterverkehr erhält noch Unterstützung.
SBB Cargo kann die Kosten nicht in den Griff bekommen, vor allem peripherere Strecken sind nicht Gewinn bringend zu betreiben. Zumal die Lastwagenbetriebe mit der LSVA nur einen Teil der verursachten Umweltkosten abdecken und über klare Wettbewerbsvorteile verfügen. Zwar versucht sich SBB Cargo mit radikalen Sparprogrammen fit zu trimmen. 2018 gab das Unternehmen etwa bekannt, die rund 350 Bedienpunkte im Netz um rund einen Drittel zu straffen und 760 Stellen, ein Drittel der Belegschaft, bis spätestens 2023 zu kürzen. Verlagerungsfördernd ist auch der 2019 gestartete Versuch nicht, die unternehmerisch orientierte Swiss Combi AG (Planzer, Camion Transport sowie Bertschi und Galliker) zu 35 Prozent einzubinden.
SBB Cargo in Zahlen
SBB Cargo wurde 1999 aus der SBB ausgelagert und in ein privatwirtschaftliches Unternehmen überführt. Die SBB-Tochter ist heute mit mehr als einem Viertel Anteil an der gesamten Transportleistung das führende Schweizer Unternehmen im Binnengüterverkehr. Bei einem Gesamtvolumen von 28 Millionen Nettotonnen – das entspricht etwa 10’000 Lastwagenfahrten pro Tag – erzielte SBB Cargo im Jahr 2020 einen Verlust von 34,7 Millionen Franken trotz mildernder Covid-Unterstützungszahlungen. Die Verluste sind seit Anfang hoch, einzig 2014 und 2015 erarbeitete SBB Cargo einen kleinen Gewinn.