Fahnenübergabe bei der Alpen-Initiative. Django Betschart ist neuer Geschäftsleiter, Lucia Lauener-Zwyer behält die Leitung von Finanzen und Organisation. Was bedeutet das für die Zukunft?
Django, sind unter deiner Leitung grosse Veränderungen zu erwarten?
Grundidee und Grundhaltung der Alpen-Initiative hat mich vor drei Jahren zum Stellenantritt als Leiter Alpenschutzpolitik motiviert. Daraus ist Herzblut geworden. Das Bild von den Maultieren, die 1989 die Unterschriften zur Alpeninitiative über die Pässe bis zum Bundeshaus trugen, ist für mich wegweisend. Kreative und wirksame Aktionen bestimmen unsere Tätigkeit. Hartnäckig gehen wir Schritt für Schritt voran, um unsere Ziele zu erreichen. Kontinuität heisst aber auch, mit der Zeit zu gehen, sich unterwegs laufend neu zu orientieren. Dies packe ich nun gemeinsam mit unseren Mitgliedern, Gremien und Mitarbeitenden an.
Lucia, du wechselst die Rolle. Was hält dein Feuer nach 25 Jahren Alpen-Initiative noch am Brennen?
Die Alpen-Initiative ist meine Leidenschaft. Ich durfte sie politisch wie auch organisatorisch mitgestalten. Nun möchte ich etwas kürzer treten, darum gebe ich die Gesamtverantwortung weiter. Gemeinsam mit den Mitgliedern, Spenderinnen und Sympathisanten der Alpen-Initiative möglichst viel Wirkung und Veränderung in der Politik und der Gesellschaft zu erzielen, ist stets mein Credo. Der Lebensraum Alpen braucht Schutz, heute mehr denn je. Die Alpen-Initiative ist DIE Alpenschutzorganisation der Schweiz. Mir ist es wichtig, dass wir uns auch den heutigen Problemen stellen. Die Alpen brauchen Klimaschutz. Django kann diese Herausforderung nun mit der nächsten Generation anpacken und zukunftsträchtige Lösungen für unsere Alpen entwickeln.
Djangos Generation kennt das Grundproblem mit den Lastwagenlawinen durch die Alpen nicht. Ist das eine Hypothek?
Lucia: Wir haben die Lastwagenlawine aufgehalten. 1,4 Mio. Lastwagen haben im Jahr 2000 die Alpen durchquert, heute sind es noch 863’000. Das haben wir erreicht. Gesetzeswidrig und massiv zu hoch ist diese Zahl noch immer. Ohne uns wären es mehr, die 2,3 Mio. Lastwagen am Brenner erinnern uns daran. Bei uns haben die jüngeren Leute andere Sorgen.
Django: Die umweltschädlichen Lastwagen gehören für viele leider wie selbstverständlich zum Strassenbild. Erreichen können wir Gesellschaft und Politik in unserem Kernthema trotzdem: Indem wir die konkreten Folgeschäden für die Lokalbevölkerung und unsere Umwelt schmerzlich sichtbar machen. Zwar haben wir den Alpenschutzartikel und zahlreiche Folgegesetze dank unseren Mitgliedern und dem Stimmvolk erkämpft. Für die heutigen Herausforderungen brauchen wir aber auch die Unterstützung der neuen Generationen.
Lucia: Die Alpen-Initiative kann Menschen für ihre Ziele begeistern. Darin liegt ihre grosse Kraft: Aus einer erfolgreichen Abstimmungskampagne entstanden, können wir die Leute heute noch zum Schutz der Alpen mobilisieren. Wir investieren nach wie vor in Kampagnen und Aktionen, müssen aber gleichzeitig erst noch das Geld dafür einholen. Das geht nur mit starken Argumenten.
Wo legt die Alpen-Initiative die nächsten Schwerpunkte, Django?
Django: Wir setzen uns für die Menschen ein, die in den Alpen leben und mit ihnen verbunden sind. Da steckt eine Emotion und Vision dahinter, die über die getreue Umsetzung des Alpenschutzartikels hinausgeht. Verkehr vermeiden, verlagern und verträglicher gestalten. Mit diesem Programm wollen wir weiterhin zu umweltverträglichen Transporten beitragen und die Schiene fördern. So viele Güter wie möglich auf die Bahn zu bringen, damit nur noch maximal 650’000 Lastwagen jährlich die Alpen queren, ist nur unser Minimalziel. Der Schutzbedarf der Alpen geht weit darüber hinaus.
Kannst du das näher erläutern?
Django: Unsere neue Stossrichtung betrifft den Klimawandel in den Alpen. Dieser findet hier und jetzt statt. Die Auswirkungen haben wir diesen Sommer erneut gespürt. Mit geeigneten Massnahmen wollen wir die Klimaneutralität im Alpenraum fördern. Die Ausgestaltung und Weiterentwicklung des Alpenraums soll ohne Zuwachs von klimaverändernden Emissionen erfolgen. Die Widerstandsfähigkeit der Alpen gegenüber schädlichen Umwelteinflüssen gilt es zu stärken.
Mit welchen konkreten Massnahmen setzt die Alpen-Initiative diese neuen Zielsetzungen um?
Django: Die Alpenbevölkerung verfügt über Eigeninitiative. Mit Hilfe zur Selbsthilfe können wir einiges mit anstossen. Es bestehen zahlreiche Klimapionierprojekte und lokale Initiativen, die die Klimaneutralität fördern und die Klimaresilienz der Alpen stärken. Wir vernetzen Klimapioniere und Unterstützungswillige und ebnen ihnen den Weg in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Das ist aber nur der Auftakt. Weitere Ideen und Projekte zum Klimaschutz werden folgen. So leistet der Lebensraum Alpen seinen Beitrag im globalen Kampf gegen die Erderwärmung.
Die Alpen-Initiative darf sich über eine sehr treue Mitgliederbasis freuen. Steht diese voll hinter dem umfassenderen Umweltschutz für das Alpengebiet?
Lucia: Unsere Unterstützerinnen und Unterstützer lieben die Alpen und sind daher auch empfänglich für Erläuterungen zur Klimaproblematik vor Ort. Solange wir glaubwürdig aufzeigen, dass wir zu spürbaren Verbesserungen beitragen können, werden sie unsere Arbeit weiterhin fördern. Davon bin ich überzeugt. Für eine tragfähige Zukunft wollen wir zudem mehr junge Leute für den Alpenschutz gewinnen.
Django: Wichtig ist, dass wir den Dialog mit unseren Mitgliedern auf Augenhöhe führen. Das gilt auch für die Diskussionen mit politischen Verantwortungsträgern, Behörden, Partnern und gegnerischen Kräften. Gegenüber unseren Dialogpartnern bleiben wir stets fair und korrekt. In der Sache agieren wir aber entschlossen. Unseren Alpen sind wir es schuldig, den Druck aufrechtzuerhalten. Schliesslich gilt dem Erhalt dieses wertvollen Lebensraums unsere Leidenschaft.
Herzlichen Dank, Lucia Lauener, für 25 Jahre Engagement
Für die Alpen-Initiative hat Lucia Lauener nicht nur 25 Jahre gearbeitet. Sie hat für sie gelebt. Die Alpen-Initiative hat aber auch von ihr gelebt – und sie tut es noch heute. Stets war mir und uns Lucia ein sicherer Rückhalt. Besonders zu Anfang meiner Amtszeit nach der Pensionierung von Alf Arnold. Sie hat mir den Grundgedanken der Alpen-Initiative immer wieder vor Augen gehalten.
Lucia hat die Alpen-Initiative geprägt. Zunächst im Dreiergespann. Später ist sie mit der Keimzelle des Widerstands gegen den Transitverkehr mitgewachsen. Vordergründig sichtbar war Lucia als Aktivistin und Kampagnenführerin. Im Hintergrund hat sie den Dialog mit den Mitgliedern ebenso wie die Organisation aufgebaut. Jede Herausforderung hat sie als Chance genutzt, um die Geschäftsstelle auf die wachsenden Anforderungen auszurichten und zu professionalisieren. Als Seele der Organisation hielt sie zuletzt als Geschäftsführerin alle Fäden in der Hand. Bis in operative Details brachte sie sich ein, sofern sie sich davon einen Nutzen für den Alpenschutz und die Alpen-Initiative versprach. Spuren hat sie inhaltlich und organisatorisch hinterlassen. So bei wegweisenden Kampagnen wie jenen zur Einführung der LSVA 1998, zum Widerstand gegen die Avanti-Initiative 2004/05 und gegen die zweite Gotthardröhre 2014 – 16. Hinzu kommen zahlreiche ebenso aufregende wie kreative Aktionen.
Lucia, Du hast dafür gesorgt, dass der Apen-Initiative weder die Ideen noch die erforderliche Unterstützung ausgingen. Du hast nicht nur einen Nachfolger aufgebaut. Du bleibst uns als Leiterin Finanzen und Organisation erhalten. Damit leistest du einmal mehr dein Bestes für den Alpenschutz. Der Dank von uns allen kann nicht gross genug sein.
Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative