Bis 2050 nimmt der Strassengüterverkehr um 31 % zu. Luftverschmutzung und Lärm belasten Menschen mehr und mehr, besonders in den Alpentälern, wo sich die Effekte topografisch bedingt verstärken.
mif. Die Verkehrswalze beeinträchtigt die Gesundheit der Bevölkerung entlang der Hauptverkehrsachsen. Die Emissionen potenzieren sich in den Alpentälern, weil die Luftschadstoffe aufgrund der steilen Talflanken nicht entweichen können, oder weil die Inversionslagen die Emissionen am Boden konzentrieren. Im Vergleich zum Mittelland verursacht dasselbe Fahrzeug in einem engen Alpental die dreifache Schadstoffkonzentration.
Hauptverursacher der Luftverschmutzung
Die grossen Mengen gesundheitsschädigender Feinstaubpartikel, die der Verkehr ausstösst, setzen sich aus Verbrennungsabgasen und aus Pneu-, Bremsklotz- und Strassenbelagsabrieben sowie Aufwirbelungen zusammen. Besonders verhängnisvoll ist der starke Anstieg von Lieferwagentransporten, die gegenüber Lastwagen noch mehr Stickoxid und Feinstaub produzieren. Die Luftverschmutzung verursacht Atemwegserkrankungen und Einschränkungen der Lungenfunktion mit dem Risiko von vorzeitigen Todesfällen. Allein im Jahr 2018 summieren sich in der Schweiz die durch Luftverschmutzungen des Schwerverkehrs verursachten Gesundheitskosten auf 629 Millionen Franken. So hat es das Bundesamt für Raumentwicklung ARE berechnet.
Die Schweiz hat selbst im verkehrsärmeren Corona-Ausreisserjahr 2020 die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO wiederholt überschritten. Aufgrund neuester Erkenntnisse hat diese ihre Richtlinien zur Luftqualität soeben verschärft und die Grenzwerte von Feinstaub und Stickstoffdioxid nach unten korrigiert. Denn selbst niedrige Konzentrationen von Luftschadstoffen können die Gesundheit stark beeinträchtigen. Das ARE zeigt zudem auf, dass Luftverschmutzungen zu Gebäudeschäden, Ernteausfällen, Waldschäden und Biodiversitätsverlusten führen.
Lärm macht krank
Rund 1,3 Millionen Menschen in der Schweiz wohnen entlang von Verkehrsachsen und sind damit dauerndem Lärm ausgesetzt. Analog der Luftschadstoffe wirkt auch hier der Alpenfaktor fatal: Der Schall wird an den Bergflanken und entlang der Inversionsgrenze reflektiert und damit weiter verstärkt. Lärm ist nicht nur lästig. Er führt zu Konzentrations-, Schlafstörungen und Depressionen und erhöht nachweislich das Risiko auf Diabetes, Herzerkrankungen und Herzinfarkte. Laut WHO wirken sich Lärmbelastungen in der Nacht bereits ab 40 und am Tag ab 45 Dezibel negativ aus. Das ARE bemisst die lärmbedingten Gesundheitskosten des Güterverkehrs auf total 1088 Millionen Franken, allein 815 Millionen Franken entfallen auf Strassentransporte. Messungen zeigen: Ein einzelner Lastwagen verursacht bei gleicher Geschwindigkeit gleich viel Lärm wie zehn Personenwagen. Zur frühen Morgenstunde zwischen 5 und 6 Uhr liegt der Lärmanteil des Schwerverkehrs gegenüber dem Gesamtverkehr an Messpunkten wie Rothenbrunnen (GR) und Reiden (LU) bei 40 – 50 %.
Fazit: Umweltfreundlichere Antriebsysteme sowie leisere Reifen und Strassenbeläge sind bloss Pflästerlipolitik. Luftverschmutzung und Lärm bekämpfen wir am wirksamsten, indem wir unnötige Transporte vermeiden und die verbleibenden auf die Schiene verlagern.
« Die A2 durch das Mendrisiotto verbindet die Lombardei mit den Transitachsen Gotthard und San Bernardino. Eine Erhöhung der Kapazität würde nicht nur eine verkehrsgeplagte Region treffen, sondern auch die Situation in den Alpen verschärfen. Diese Probleme können wir ein für alle Male lösen, indem wir den Individualverkehr wie auch den Schwerverkehr – neu mithilfe der LSVA-Revision – reduzieren. Bemühen wir uns vor allem um den Eisenbahnausbau und die Vollendung der NEAT nach Süden. Auf die Autobahn dürfen wir nicht mehr setzen. »
Greta Gysin, Nationalrätin und Alpenrätin
« Lärm, Staus und Umweltverschmutzung: Das Mendrisiotto leidet unter den negativen Folgen des motorisierten Verkehrs. Ich bin überzeugt, dass wir diesem Problem nur beikommen, wenn wir in Lösungen zur Förderung des öffentlichen Verkehrs und für shared mobility – geteilte Mobilität – investieren. Erhöhen wir hingegen die Attraktivität des motorisierten Verkehrs, stehen wir wieder am Anfang, mit der Konsequenz, dass wir noch mehr Land und Lebensqualität geopfert haben. Die Lösung liegt in der Reduktion des Gesamtverkehrsaufkommens und der Einhaltung der Ziele der Alpeninitiative. »
Samuele Cavadini, Bürgermeister von Mendrisio
« Das Mendrisiotto leidet: Zu viele Lastwagen und Autos verursachen Staus und Umweltverschmutzung. Verbessern müsste man die mit 1,05 Personen pro Auto sehr tiefe Fahrzeugauslastung der Grenzgänger. Stattdessen hat das ASTRA ein verrücktes, pharaonisches 1,3-Milliarden-Projekt mit einer Laufzeit von 15 Jahren für 6 Autobahnspuren und mehr Kapazität auf der Kantonsstrasse vorbereitet. In der demokratischen Schweiz entscheidet das ASTRA mit Arroganz und Ignoranz. Die Vernehmlassung dazu ist eine Farce. Das Mendrisiotto ist bereit, mit allen Mitteln zu kämpfen! »
Antoine Turner, Vorstand «cittatidini per il territorio», Alpenrat
Massiver Widerstand gegen Ausbauprojekte
Auf keinem vierspurigen Schweizer Autobahnabschnitt brummt so viel Verkehr wie zwischen Lugano und Mendrisio. Die Strecke ist auf der Umweltgefahrenkarte tiefrot. Täglich wird das Sottoceneri nicht nur vom Güterverkehr, sondern auch von 75’000 mehrheitlich aus der Lombardei kommenden Pendlern überschwemmt. Das Bundesamt für Strassen (ASTRA) plant deshalb mit dem 1,3-Milliarden-Strassenbauprojekt Potenziamento Lugano – Mendrisio (PoLuMe), die A2 mit verschiedensten Teilprojekten so zu verbreitern, dass der Pannenstreifen zu Spitzenzeiten als dritte Fahrspur nutzbar wird.
Die Anwohnenden im Mendrisiotto befürchten durch diese bis 2040 geplanten Kapazitätserweiterungen Mehrverkehr mit noch höheren Schadstoffbelastungen. Die Gruppe cittadini del territorio und die Tessiner ATA (VCS) haben mit Unterstützung der Alpen-Initiative vom Bundesrat per Brief gefordert, auf diese verkehrsfördernde Kapazitätserweiterung zu verzichten. Wir beharren auf verkehrsreduzierende Lösungen wie die Förderung des Car-Sharings und die Umsetzung des Verlagerungsziels für den Schwerverkehr. Die Auseinandersetzung bleibt weiterhin hochemotional, die Opposition in der Bevölkerung ist gross.