Carte Blanche
von Romed Aschwanden,
Geschäftsführer des Instituts «Kulturen der Alpen»
Das traditionelle Kulturschaffen des Alpenraums ist aufs Engste mit dem Naturraum verknüpft. Sagen und Literatur, Handwerk und Malerei, Musik und Theater – all diese Kunstsparten thematisieren in ihrer eigenen Form den Umgang mit Naturgefahren, die Schönheit von Berggipfeln oder das Leben der Berglerinnen und Bergler im Wechsel der Jahreszeiten.
Zu jeder Zeit gab es Künstlerinnen und Künstler, die sich diesen Traditionen verbunden fühlten und sie gleichzeitig weiterentwickelten. Inzwischen stellen zeitgenössische Künstlerinnen und Künstler Anziehungspunkte für ein anspruchsvolles Publikum dar. So locken innovative Musikfestivals mit ungewohnten, aber der Tradition verpflichteten Klängen Gäste in die Berggebiete. Neben dem professionellen Kulturschaffen, dessen Vertreterinnen und Vertreter ihren Lebensunterhalt wesentlich mit Kultur bestreiten, gibt es in den Alpen auch unzählige Kulturvereine. Deren Mitglieder bereichern den Kulturbetrieb auf ehrenamtlicher Basis.
Kulturvereine ergänzen das professionelle Kulturschaffen nicht nur: Gerade im ländlich-alpinen Raum machen sie es teilweise erst möglich. Denn vielfach findet eine Berufsmusikerin ihr Auskommen in der Leitung eines Amateurvereins. Und denken Sie an die Altdorfer Tellspiele: Die wären ohne Laiendarstellende schlicht nicht aufführbar.
Ein interessanter Aspekt ist dabei: Kulturschaffen, und das betrifft nun dezidiert Laien- wie auch professionelle Kultur, verfügt über die Lizenz zum Querdenken, zum Unkonventionellsein, zum Experimentieren. Bezieht sich diese Fähigkeit auf den Umgang mit der Natur, wie er gerade im Kulturschaffen der Berggebiete angelegt ist, birgt das ein grosses gesellschaftliches Potenzial für die Bewältigung der Folgen der Klimaerwärmung. Das traditionelle Kulturschaffen ist nämlich ein Wissensspeicher für den Umgang mit naturräumlichen Herausforderungen und deren Veränderungen über die vergangenen Jahrhunderte. Lernen wir, diesen Speicher anzuzapfen und seine Inhalte zu entschlüsseln. So erfahren wir mehr über ein Leben in Einklang mit der alpinen Natur, ihrer Schönheit und Bedrohlichkeit.
Um das tradierte Wissen für die zukünftigen Probleme fruchtbar zu machen, bedarf es einer stetigen Weiterentwicklung und Adaption. Wer wäre dafür besser geeignet als die Kulturschaffenden? Ob Laien oder Profis spielt dabei eine untergeordnete Rolle.