Bald ist wieder (Dauer-)Stau angesagt: Von Ostern über Pfingsten bis Ende Sommerferien drohen erneut kilometerlange, rekordverdächtige Verkehrsstaus. Die Bevölkerung an den Transitachsen hat die Nase voll von Abgasen, Lärm und Verkehrschaos. Sie fordert weitergehende Massnahmen gegen den Ausweichverkehr durch ihre Dörfer.
rb. Ostern 2020 während der Coronakrise: Auf den Autobahnen in Richtung Süden und Norden gab es kaum Verkehr. Wir machten zu Hause oder in der Nähe Ferien. Seither nimmt der Ferien- und Freizeitverkehr wieder ungebremst zu. An Ostern 2022 kam es am Gotthard-Nordportal erneut zu einem Rekordstau von 22 km Länge. Am Ostermontag auf der Rückreise herrschte im Tessin Dauerstau bis tief in die Nacht hinein. Noch nie gab es so viel Stau am Gotthard wie letzten Sommer!
Erfolgreicher Pilotversuch an der A13
Wer dem Stau am Gotthard via San Bernardino ausweichen will, landet meist im Stau auf der Autobahn A13. Seit Jahren sind die Dörfer von Thusis bis Bonaduz vom Stau und Ausweichverkehr geplagt. Auf massiven Druck der Bündner Gemeinden wurde vom Bundesamt für Strassen ASTRA und der Kantonspolizei ein schweizweit erstmaliges Pilotprojekt bewilligt. Über Ostern 2022 durften Rhäzüns und Bonaduz die Ausfahrten für Auswärtige sperren. Wer aus dem Stau raus wollte, wurde von der Verkehrspolizei wieder freundlich auf die Autobahn verwiesen. Reto Loepfe, Gemeindepräsident von Rhäzüns, zeigte sich gegenüber SRF begeistert: «So ruhige Ostern ohne Blechlawine durchs Dorf – das ist ein absoluter Traum. So sollte es sein!»
Stau wegen Skitourismus
Zu viel Ferien- und Freizeitverkehr gibt es im Winter auch in den Bündner Skigebieten. Schiers, im Prättigau an der Zufahrtsstrasse zum Vereinatunnel gelegen, sperrte im Januar 2022 eigenmächtig die Nationalstrassen-Ausfahrt ins Dorf. Die Aktion warf hohe Wellen. Schiers wurde verboten, die Ausfahrt zu sperren. Letzte Weihnachten übernahm dann der Kanton Graubünden mittels Pilotprojekt das Zepter. Phasenweise wurden die Zufahrten zu den Dörfern gesperrt, um zu verhindern, dass der Stau umfahren wird. «Wir wollen, dass die Autofahrer auf der Nationalstrasse bleiben», brachte es Kantonsingenieur Reto Knuchel auf den Punkt.
- « Die Situation ist aus Sicht der Alpen-Initiative unhaltbar.
Der Bund muss die Menschen vor dem Transitverkehr schützen. »
Unhaltbare Zustände in Uri
Kollabiert der Verkehr am Gotthard, versuchen unzählige Autos, Wohnmobile, Reisebusse und Lastwagen, den Stau zu umfahren. Uri leidet wegen des massiven Ausweichverkehrs zunehmend unter Abgasen, Lärm und oft chaotischen Zuständen in den Dörfern und auf der Kantonsstrasse. «Wir hatten im letzten Jahr unhaltbare und sehr belastende Zustände – an Auffahrt, an Ostern, den ganzen Sommer über», betont Ständerätin Heidi Z’graggen, die von Josef Dittli und Simon Stadler unterstützt wird. Die drei Urner Bundesparlamentarier fordern vom Bundesrat und vom ASTRA rasch weitere Massnahmen gegen Ausweichverkehr und übermässigen Stau. Auch die Urner Bevölkerung wehrt sich (siehe Petition oben) und fordert Lösungen: «Die Kantonsstrasse ist keine Autobahn-Alternative!»
Weniger Ausweichverkehr, kein Mehrverkehr!
Seit 1994 gilt mit dem JA zur Alpeninitiative: «Der Bund schützt das Alpengebiet vor den negativen Auswirkungen des Transitverkehrs» (Bundesverfassung, Art. 84, Abs. 1). Das beinhaltet auch Massnahmen gegen den ausufernden Ausweichverkehr. Ebenso gilt, dass die Kapazitäten der Transitstrassen in den Alpen nicht erhöht werden dürfen!
Die Alpen-Initiative befasst sich derzeit intensiv mit möglichen Massnahmen: ein digitales Reservationssystem (Slot-System), Autoverlad auf die Bahn, Tunnelgebühren zur Verkehrslenkung, Tempo 30 und weitere punktuelle Entlastungen. Für uns ist klar: Es braucht Massnahmen, die nachhaltig sind und zum Schutz der Bevölkerung und der Alpen beitragen.
Uri wehrt sich gegen den Ausweichverkehr
Am 6. Februar wurde dem Urner Sicherheitsdirektor Dimitri Moretti (Dritter v. links) die von über 3000 Personen signierte Petition «Urner Dörfer vor dem Ausweichverkehr schützen!» überreicht. Diese fordert das Bundesamt für Umwelt UVEK, das ASTRA und die Urner Sicherheitsdirektion dazu auf, konsequente Massnahmen gegen den Ausweichverkehr zu ergreifen. Die Petition, lanciert von Jonathan Imhof
und Patrick Walker aus Wassen, stiess in Uri auf offene Ohren. Zwei Tage später doppelte eine von allen Landratsfraktionen unterzeichnete Motion für eine Urner Standesinitiative nach. Diese fordert:
- Die Kantonsstrasse soll hauptsächlich der innerkantonalen Erschliessung dienen.
- Der Verkehr ist gemäss Alpenschutzartikel den aktuellen und künftigen Kapazitäten anzugleichen. Dazu soll die Machbarkeit eines digitalen «Slot-Systems» abgeklärt werden, um Fahrten durch den Gotthard zu buchen.
- Das gesetzliche Ziel zur Verlagerung des Transitgüterverkehrs von der Strasse auf die Schiene ist noch nicht umgesetzt. Es sind weitere, international koordinierte Massnahmen erforderlich.
- Der Verkehr durch den Gotthard-Strassentunnel ist mittels Verkehrsmanagement zu verflüssigen – ohne die Strassenkapazität zu erhöhen.