kd. Bei unserem Engagement für eine nachhaltige Verkehrspolitik und griffige Klimaschutzmassnahmen ist die politische Überzeugungsarbeit ein wichtiger Pfeiler. Fabio Gassmann gibt Einblick in seine Arbeit.
Lobbying ist für viele eine Blackbox. Wie würdest du deine politische Arbeit für die Alpen-Initiative beschreiben?
Effektives Lobbying hat weniger mit Weisswein und konspirativen Hinterzimmer-Treffen zu tun als man denkt. Den grössten Teil der Zeit verwende ich auf das Monitoring des politischen Prozesses und für die Analyse von Möglichkeiten, sich für die Interessen der Alpen-Initiative gewinnbringend einzubringen. Kurz: mehr Desktop als Wandelhalle. Aber die Abwechslung von Schreibtischarbeit, Denkarbeit und der Austausch mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern, der Verwaltung und anderen Organisationen macht Spass.
Hast du ein Beispiel, wo diese Einflussnahme konkret Früchte getragen hat?
Bei der Behandlung der Standesinitiative des Kantons Tessin «Sichere Strassen jetzt» haben wir vor zwei Jahren, gemeinsam mit Partnern, eine pragmatische, konkrete Umsetzung in einer Kommissionsvernehmlassung eingegeben. Danach konnten wir mit unserer Überzeugungsarbeit im Austausch mit den Kommissionsmitgliedern dazu beitragen, dass diese Umsetzung, nur kosmetisch von der Verwaltung etwas geändert, auch eine Mehrheit fand. Jetzt hat der Bundesrat die Kompetenz, auf gewissen Strassenabschnitten wie den Transitrouten durch die Schweiz, höhere Mindestanforderungen als erforderlich an Fahrzeugsicherheitssysteme für die Verkehrsteilnehmenden zu verlangen – also zum Beispiel Spurhalte- und Abbiegeassistent für Lastwagen.
Hast du eine kleine Anekdote aus deiner Arbeit in Bundesbern, die du teilen kannst?
Einen gewissen bürgerlichen Parlamentarier konnten wir anfangs nur sehr schwer von unserem Anliegen überzeugen, mehr Verkehrssicherheit auf den Transitachsen durch die Alpen zu begrüssen. Erst als wir ihm zeigen konnten, dass auch die Region, aus der er kommt, direkt davon profitieren würde, änderte sich das. Und so wurde aus einem grossen Skeptiker ein Enthusiast für das Anliegen. Gewisse Parlamentarier überzeugt man in erster Linie mit der eigenen Betroffenheit direkt oder über die Wählerinnen und Wähler.
Welche Aufgaben gehören eher in die Rubrik «notweniges Übel»?
Das Lesen der teils über 100-seitigen Berichte in trockenem Verwaltungsdeutsch ist manchmal eher hartes Brot.
2024 ist verkehrspolitisch ein wichtiges Jahr – mit einem neu zusammengesetzten Parlament. Wagst du eine Prognose, wie es mit dem Schienengüterverkehr weitergehen wird?
Ja. Ich bin zuversichtlich, dass wir es gemeinsam mit einer breiten Allianz schaffen können, den drohenden Kahlschlag im Schienengüterverkehr abzuwenden. Eigentlich kann ja niemand wollen, dass künftig im Binnenverkehr noch viel mehr Güter auf der Strasse transportiert werden. Allerdings bin ich leider weniger zuversichtlich, dass wir den Anteil der Güterbahn im Binnenverkehr mit der Vorlage bedeutend steigern können, obwohl dies für das Klima, die Umwelt und Gesellschaft von grossem Vorteil wäre. Nichtsdestotrotz werden wir uns mit aller Kraft dafür stark machen!
Zu guter Letzt: Was ist ein Wunsch für die folgende Legislatur oder überhaupt für deine politische Arbeit?
Inhaltlich, dass wir in der nächsten Legislatur die Rahmenbedingungen setzen, dass der alpenquerende und Binnen-Schienengüterverkehr deutlich gestärkt wird und erheblich mehr Anteile erreicht, und dass der gesamte Güterverkehr in der Schweiz mittelfristig klimaneutral wird. Zudem erhoffe ich mir, dass wir den politischen Akteuren erfolgreich klar machen können, dass die Verlagerungspolitik in der Schweizer Bevölkerung sehr gut verankert und beliebt ist. Es ist bei weitem nicht nur ein linkes oder ökologisches Anliegen, sondern kommt auch bei Konservativen und von der Mitte bis Rechts gut an.
2024 ist entscheidend für die Verkehrspolitik
- Zukunft des Schienengüterverkehrs: Bei der Vorlage «Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für den Schweizer Gütertransport» geht es insbesondere um den Einzelwagenladungsverkehr, der ohne finanzielle Unterstützung für die Betreiberin SBB Cargo bald eingestellt würde. Das hätte eine Rückverlagerung der Güter auf die Strasse und jährlich 650’000 zusätzliche Lastwagenfahrten in der Schweiz zur Folge. Dieses Szenario gilt es zu verhindern.
- Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehr: Ende 2023 wird der Verlagerungsbericht publiziert. Mit diesem legt der Bundesrat alle zwei Jahre Rechenschaft über den Stand der Verlagerung ab, stellt meist aber kaum wirkungsvolle Massnahmen vor, um die Verlagerung voranzutreiben. Das Parlament ist gefordert, die in der Verfassung verankerte Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs mit zusätzlichen wirksamen Massnahmen voranzutreiben.
- Überfällige Revision der LSVA und Anpassung an Teuerung: Die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA) soll so revidiert werden, dass Lastwagen, die mehr CO2 ausstossen, künftig mehr bezahlen müssen. Wir fordern zudem die Anpassung der LSVA an die aufgelaufene Teuerung von 9,6 %, rasch und vollumfänglich.
- Ausweichverkehr durch Bergdörfer: Der Bundesrat präsentiert Anfang 2024 eine Auslegeordnung, wie Bund und Kantone den überbordenden Freizeitverkehr durch die Alpen in den Griff kriegen wollen. Hier kämpfen wir für Lösungen, die den Alpenschutz ausbauen statt ihn durchlöchern.