Der ungebremst wachsende Personenverkehr belastet Mensch und Natur immer mehr – insbesondere im Alpenraum. Das Verkehrsproblem beschäftigt mittlerweile auch Bundesbern. Ein Fall für die Alpen-Initiative.
Von Ostern bis Oktober. Die Faustregel für die Sommerreifen gilt mittlerweile auch für den steigenden Freizeitverkehr durch die Alpen. Dieser macht der Bevölkerung an den Verkehrsachsen zunehmend zu schaffen. Auf den Nord-Süd-Achsen durch die Schweiz stauts nun wieder regelmässig. Kaum stockt es auf den Autobahnen, weichen die Reisenden auf die Strassen durch die Dörfer aus. Dieser Ausweichverkehr ist für die Anwohnerinnen und Anwohner extrem störend, gerade wenn das Zuhause nahe der Strasse liegt und somit immer mehr Autos quasi durch die Stube oder das Schlafzimmer rollen.
Neue Wege gegen den Ausweichverkehr
Es ist von grosser Bedeutung, wie der Bund, die Kantone und die Gemeinden auf den wachsenden Verkehr durch die Alpen reagieren. Der Kanton Graubünden geht entlang der A13 nach Jahren lästigen Ausweichverkehrs durch Dörfer wie Rhäzuns, Bonaduz und Domat / Ems neue Wege. An verkehrsreichen Tagen erzeugt er auf dem Bündner Hauptstrassennetz entlang der San-Bernardino-Autobahn mit Verkehrskadetten künstlichen Stau vor den Dörfern. Die Massnahme trickst Google Maps und Navigationssysteme aus. Durch den Stau werden die typischen Ausweichrouten durch die Dörfer rot markiert und Navis führen die Autofahrenden nicht weg von der vorgesehenen Route, sondern halten sie da, wo sie hingehören – auf der Autobahn.
« Nach der Aktion ist vor der Kommission. Nächster Halt für die Alpen-Initiative ist das Bundeshaus. »
Django Betschart, Geschäftsleiter Alpen-Initiative
Jeweils ab Pfingsten geht auch an der Gotthardroute die Problematik des Ausweichverkehrs durch Dörfer wie Erstfeld, Silenen und Wassen wieder los. Im Frühjahr gibt es noch kein Ausweichen durch die Dörfer, weil wegen der Gotthardpass-Wintersperre kein Weg an der Autobahn und dem Gotthardtunnel vorbeiführt. Sobald der Pass Ende Mai öffnet, hat der Kanton mit der jetzigen Rechtslage keine Handhabe mehr. Wer sich dem Autobahnstau entziehen will, fährt schon in Erstfeld ab und auf der Kantonsstrasse das Reusstal hinauf und über den Pass. Dies zum Leidwesen der Anwohnenden, die in den Sommermonaten von den Transitfahrenden teils kaum noch über den Fussgängerstreifen gelassen werden.
Ein Fall für die Alpen-Initiative
In Luft auflösen wird sich das Verkehrsproblem nicht von alleine. Im Gegenteil, für die nächsten Jahre rechnet der Bund bei der Freizeitmobilität weiterhin mit einer starken Zunahme. Der Handlungsbedarf, Konzepte für einen nachhaltigen Freizeitverkehr zu entwickeln, ist gross. Und der Verkehr durch die Alpen ist mittlerweile ein Politikum, das auch Bundesbern beschäftigt (siehe Info-Box).
Der Einsatz der Alpen-Initiative ist gefragt: Mit unserer Überzeugungs- und Sensibilisierungsarbeit fordern wir bei den Entscheidungsträgerinnen und -trägern eine alpenschutzkonforme Lösung ein, die das Alpengebiet schützt statt übernutzt. Den Grundstein dafür haben wir mit unserer Aktion «Ihr fahrt uns durch die Stube» gelegt. Im Vorfeld der Mitgliederversammlung hat die Alpen-Initiative in Wassen den Ausweichverkehrenden vor Augen geführt, dass sie den Menschen wortwörtlich mitten durchs Leben donnern – durchs Wohnzimmer, die Terrassen und die Schlafzimmer. Nach der gelungenen Aktion ist gleichzeitig vor der Beratung der Problematik in der Verkehrskommission. Nächster Halt für die Alpen-Initiative: die Wandelhalle im Bundeshaus.
Bund mit Pflästerli statt Blick fürs grosse Ganze
Auf Aufforderung durch das Parlament (Postulat Stadler) hat der Bundesrat Massnahmen geprüft, um den Ausweichverkehr entlang der Nord-Süd-Achsen im Alpenraum einzudämmen. Im kürzlich veröffentlichten Bericht anerkennt der Bundesrat, dass die Problematik speziell in den engen Alpentälern gross ist. Mut und den Blick für das grosse Ganze beweist er bei seinen Massnahmenvorschlägen aber nicht. Weitreichende Instrumente wie eine Maut für Alpendurchfahrten oder Buchungssysteme, wie dies die Urner Standesinitiative vorsieht, will er nicht einführen. Aus Sicht der Alpen-Initiative setzt der Bundesrat auf Pflästerli, statt das Problem bei der Wurzel zu packen – nämlich beim stetig wachsenden Verkehrsaufkommen. Der politische Prozess kommt nun ins Rollen. Nach dem Sommer beschäftigt sich die parlamentarische Verkehrskommission mit der Problematik.