HANS PETER JOSTS KLIMAPERSPEKTIVE
Es ist Spätsommer und ich befinde mich zusammen mit vielen asiatischen Touristen auf dem Jungfraujoch. Gemeinsam bewundern wir die technisch-baulichen Leistungen der Vorfahren. Seit über 100 Jahren führt die Jungfraubahn durch Eiger und Mönch auf 3454 Meter hinauf zur höchstgelegenen Eisenbahnstation Europas – eine Sehenswürdigkeit erster Güte. Schon zum zweiten Mal seit Bestehen der Bahn wurden 2017 mehr als eine Million Besucher zum «Top of Europe» gefahren. Oben angekommen, warten auf diese zahlreiche Attraktionen: So etwa der Aletschgletscher, der längste Gletscher Europas, zu dem man durch einen Stollen gelangt.
Erst beim Verlassen des Berges fällt mein Blick zurück auf die Drahtseilnetze, die das Joch einzupacken scheinen. Sie schützen vor Steinschlag, denn wegen des schwindenden Permafrosts – auch auf dieser Höhe – verliert der Fels seine Festigkeit. Deshalb wurde bereits 1991 rund 200 Meter weiter östlich ein neuer Tunnel gebaut – zum Glück, denn nur zwei Monate nach der Schliessung des alten Tunnels verschütteten im Oktober rund 5000 Kubikmeter Fels den ehemaligen Zugang.
Das Jungfraujoch ist ein Felssporn, der das ganze Jahr hindurch gefroren ist. Doch wegen des Klimawandels taut der Permafrost auf, der den Fels wie eine Armierung zusammenhält. Daher die Eisengitternetze und die kontinuierliche Messung aller Bewegungen des Berges. Doch damit nicht genug: Die Eisgrotte und der über 100 Meter lange Doppelliftschacht beim Observatorium müssen heruntergekühlt werden, da sich die Umgebung wegen des täglichen Besucherstroms zusätzlich erwärmt.
20 % – 25 % der Fläche unseres Planeten sind Permafrostböden, die wegen des Klimawandels zunehmend schwinden.
Hans Peter Jost ist Fotograf und lebt in Zürich.