Echo 156 – Samuele Censi ist 36 Jahre jung, Grossrat in Chur und Gemeindepräsident von Grono. Der italienischsprachige Ort im bündnerischen Misox leidet unter dem Lastwagenverkehr auf der Transitstrecke über den San Bernardino. Censi, Mitglied der FDP, liebt die Natur und «sein» Land. Er verlangt von der Politik, den Verkehr auf allen Alpenstrecken zu reduzieren und in der Klimapolitik mutige Entscheide zu treffen.
cava/tob. Die Klimastreiks haben die globale Erwärmung und die mit ihr einhergehenden Naturereignisse in den Fokus der Gesellschaft gerückt. Was früher Ausnahme war, ist heute fast die Regel: Starkniederschläge, gefolgt von neuen Hitzerekorden und Dürreperioden, welche Teile der Landwirtschaft, den Boden und die Menschen in Gefahr bringen. «Wir haben auch festgestellt, dass es immer aufwändiger wird, Waldbrände zu bekämpfen, welche die Schutzwälder in den Bergen bedrohen», sagt Samuele Censi, der Gemeindepräsident von Grono. Das Dorf zählt 1373 Einwohner und liegt an der A13. Es entstand 2017 aus einem Gemeindezusammenschluss.
Eine Folge der Erwärmung, die sich seit Jahrzehnten in den Alpen direkt beobachten lässt: das Zurückweichen der Gletscher und das Schmelzen des Permafrostbodens. Der Permafrost aber ist essentiell, um Steinschlag und Murgänge zu verhindern. «Die Risiken, welche entstehen, haben sich beim Erdrutsch des Cengalo im Bergell erahnen lassen. Ein Berg, der zerbröckelt und dabei die Wirtschaft einer Region zerstört», gibt Samuele Censi zu bedenken. Er ist in Grono aufgewachsen, wo er noch heute mit seiner Frau Anya und den zwei Kindern Sophie und Matteo wohnt. Er arbeitet als Geografie- und Sportlehrer.
Mutigere Reformen sind nötig
Für Censi ist klar, dass solche Katastrophen uns als Menschen und Bürger treffen. Deshalb setzt er sich für die Umwelt ein und will die Verantwortung gegenüber den neuen Generationen ernst nehmen. «Die Entscheidungen, die wir für die Allgemeinheit treffen, müssen in eine klare und kohärente Richtung weisen. Unter Anerkennung der Wichtigkeit einzelner Initiativen für erneuerbare Energien und für den öffentlichen Verkehr will ich mich doch auf wegweisende politische Beschlüsse konzentrieren. Ich glaube, dass tiefere Eingriffe und mutigere Reformen benötigt werden», so Samuele Censi.
Eine Publikation des Bundesamts für Strassen zwischen 1994 und 2017 hat ihn aufgeschreckt: «Wie kann es sein, dass am Gotthard heute weniger Lastwagen fahren als 1994, am San Bernardino aber der Verkehr im gleichen Zeitrahmen um 27 Prozent zugenommen hat und sich die Eröffnung des Gotthard-Basistunnels noch nicht positiv auf die Lastwagenzahlen an der San Bernardino-Achse ausgewirkt hat? Wird die Zunahme der Verschmutzung an der San Bernardino-Achse als weniger schlimm angesehen als der Anstieg von CO2-Emissionen, des Ozons und Feinstaubs an einem anderen Ort? Bedeutet das, dass der italienischsprechenden Bündner Gemeinschaft in Bern oder Chur weniger Beachtung geschenkt wird?» Samuele Censi fordert, dass man sich gerade bei der Verkehrs- und Transportpolitik mit dem Problem in seiner Gesamtheit auseinandersetzt: «Es gibt keine Regionen der ersten oder der zweiten Klasse», betont er.
Gemeinsame Interessen
Konkret setzt sich Samuele Censi für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene ein. «Unser Projekt ‚Temperature in sella‘, das die kälteste Gemeinde der Schweiz, La Brévine, mit der wärmsten, Grono, verband, hat gezeigt, dass es auch zwischen sehr entfernten Regionen Einigkeit bezüglich der Ziele auf nationaler Ebene geben kann», sagt Samuele Censi. Und er fügt mit Nachdruck an: «Die Zeit für Improvisation ist vorbei, wir wollen weniger Lastwagen im Misox. Die Verlagerung des Warenverkehrs auf die Schiene ist eine Notwendigkeit. Das Klima und die Natur verlangen es von uns. Es ist höchste Zeit für Taten.»
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