Eine zweite Strassenröhre am Gotthard ist finanz-, staats- und verkehrspolitisch die falsche Lösung, um den bestehenden Tunnel zu sanieren. Die Alpen-Initiative ist deshalb erstaunt, dass der Ständerat auf die Vorlage des Bundesrats eingetreten ist.
Finanzpolitisch falsch: Der Eidgenossenschaft fehlt das Geld, um die Bahn- und Strasseninfrastruktur optimal in Stand zu halten und regionalen Wünschen nach Ausbauten an besonders belasteten Stellen nachzukommen. Es widerspricht dem Grundsatz des haushälterischen Umgangs mit Steuergeldern, wenn in dieser Situation für die Sanierung des Gotthard-Strassentunnels drei Milliarden Franken mehr ausgegeben werden als nötig. So viel teurer ist – Langfristkosten eingerechnet – eine zweite Röhre als der temporäre Verlad von Autos und Lastwagen. Dass ein Verlad machbar ist, haben die Fachleute des Bundes aufgezeigt (BAV, Astra, Studie SMA).
Staatspolitisch bedenklich: Der Bundesrat will per Gesetz absichern, dass die Strassenkapazitäten am Gotthard nicht voll genutzt werden, wenn 2030 die zwei Röhren bereit stehen sollten. Das vorgeschla-gene Gesetz verstösst, wie namhafte Juristen feststellen, gegen Artikel 84. der Verfassung. Zudem lassen sich dieses Gesetz und die Verfassung jederzeit abändern, insbesondere dann, wenn die Fakten bereits geschaffen und die Milliarden bereits ausgegeben sind. Wer baut schon ein zweistöckiges Haus und lässt gesetzlich verankern, dass immer nur ein Stock bewohnt werden darf? Überdies nutzt der Bund schon heute Pannenstreifen als Fahrspuren – dies unter dem Titel der „Verkehrsverflüssigung“ (Projekt PUN). Dieses Vorgehen widerspricht dem schweizerischen Demokratie-Verständnis.
Verkehrspolitisch kontraproduktiv: Eine zweite Strassenröhre torpediert sowohl kurz- wie auch langfristig die vom Volk beschlossene Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene. Sie entwertet auch die Milliardeninvestitionen in die NEAT, deren Kernstück – der Eisenbahn-Basistunnel am Gotthard – 2016 in Betrieb gehen wird. Eine zweite Strassenröhre öffnet die Schleusen für den internationalen Lastwagenverkehr und schadet so auch den kleinen und mittleren Unternehmen.
Sollten der Ständerat nächste Woche und der Nationalrat später auch einer zweiten Röhre zustimmen, wird die Alpen-Initiative zusammen mit anderen Organisationen das Referendum ergreifen. Das Volk darf nicht übertölpelt werden!
> siehe auch Presseschau
Kontakt in D, F und I:
Fabio Pedrina, Präsident Alpen-Initiative,
Regula Rytz, Vorstand Alpen-Initiative, Nationalrätin BE,
Mathias Reynard, Vorstand Alpen-Initiative, Nationalrat VS,
Jürg Grossen, Alpenrat Alpen-Initiative, Nationalrat BE,
Alf Arnold, Geschäftsführer Alpen-Initiative,