Der Entscheid des Bundesrates für eine zweite Gotthardtunnelröhre ist irrational. Alle Studien der zuständigen Ämter zeigen, dass eine Sanierung ohne zweite Röhre machbar und kostengünstiger ist als der vorgängige Bau einer zweiten Röhre. Wer Verkehr auf die Schiene verlagern will, muss Schienen und nicht Strassen bauen. In den Agglomerationen wären viel dringendere Verkehrsprobleme zu lösen, für die heute das Geld fehlt. Kein Wort verliert der Bundesrat über die Erreichung des Verlagerungszieles.
> Kurzkommentare aus den Medien
Der Bundesrat ist offensichtlich unter dem Druck der Wirtschafts- und Strassenlobbies eingeknickt sowie der Propaganda-Kampagne der Röhrenturbos auf den Leim gekrochen und desavouiert damit alle seine eigenen Experten: Denn eine zweite Röhre kann gar nicht rechtzeitig vor einer Sanierung in Betrieb gehen. Der Bundesrat selber rechnet mit einer Realisierungszeit von total 15 bis 22 Jahren. Spätestens 2025 müsste der Tunnel aber saniert sein, soll er weiterhin sicher betrieben werden können. Wird die Totalsanierung aufgeschoben, so muss eine Teilsanierung mit 140 Tagen Totalsperre des Tunnels vorgenommen werden. Damit macht der Bundesrat dem Kanton Tessin und Graubünden ein vergiftetes Geschenk. Denn in dieser Zeit wird dem Kanton Tessin kein Ersatzangebot auf der Schiene zur Verfügung stehen. Das Chaos auf dem San Bernardino ist vorprogrammiert.
Mit dem Bau einer zweiten Röhre will der Bundesrat nicht nur eine Milliarde Franken mehr investieren als nötig. Er lädt damit der Strassenkasse auch zusätzliche Betriebs- und Unterhaltskosten von 25-40 Millionen Franken pro Jahr auf und belastet sie mit der Hypothek, in 50 Jahren zwei Röhren statt nur eine totalsanieren zu müssen.
Es scheint den Bundesrat keine Deut zu kümmern, dass das Schweizer Volk bereits zweimal (1994 und 2004) gegen eine zweite Röhre gestimmt. Auch die Tessiner Bevölkerung hat zweimal nein gesagt. Im Kanton Uri wurde die zweite Röhre sogar in fünf Volksabstimmungen verworfen, zuletzt 2011 in voller Kenntnis der Notwendigkeit einer Totalsperre des Tunnels. Mit dem heutigen Entscheid setzt sich der Bundesrat dem Risiko einer weiteren Niederlage im Jahr 2014 aus; das Referendum der Alpen-Initiative ist schon heute sicher, falls das Parlament dem Vorschlag des Bundesrates folgt. Damit aber verstreicht wertvolle Zeit, die für die Vorbereitung der Sanierung genutzt werden könnte.
Die Sicherheit wird vom Bundesrat ganz einseitig als Sicherheit der Automobilistinnen ausgelegt. Dass in der Schweiz jährlich Hunderte von Menschen an den Folgen der verkehrsbedingten Luftverschmutzung sterben, ist offensichtlich kein Thema für die Landesregierung.
Eine zweite Röhre ohne Kapazitätserhöhung ist eine Illusion. Es ist technisch und juristisch unmöglich zu verhindern, dass auch die dritte und vierte Spur eines Tages unter dem Druck der EU in Betrieb genommen wird. Schon jetzt hat das ASTRA keine Bedenken, auf gewissen Teilstrecken des Nationalstrassennetzes die Pannenspur für den Verkehr freizugeben.
Mit seinem heutigen Entscheid setzt der Bundesrat gegenüber Brüssel ein völlig falsches Signal. Statt endlich mit der Verlagerung der Güter auf die Schiene vorwärts zu machen, wie das erst vor kurzem auch das Parlament gefordert hat, lädt der Bundesrat die EU ein, sich weiterhin auf den Strassentransport einzustellen. Kein Wort verschwendet der Bundesrat zur rechtzeitigen Erreichung des Verlagerungszieles. Aber eben daran wird das Volk die Glaubwürdigkeit von Bundebern messen, und die Alpen-Initiative auch.
Für Rückfragen:
Fabio Pedrina, Präsident, 079 – 249 29 42
Alf Arnold, Geschäftsführer, 079 – 711 57 13
Variantenstudie für Verladeterminals am Gotthard
Studie: Entlastung der A2 am Gotthard durch einen LKW-Verlad im Eisenbahn-Basistunnel
Studie: Verkehrskonzept Gotthard
Konzept für ein Ersatzangebot während der Gesamtsanierung des Gotthard-Strassentunnels
Bericht des Astra