20. Februar 2007

Fabio Pedrina, Nationalrat (SP/TI), Präsident der Alpen-Initiative
Am Ziel von 650’000 verbleibenden LKW-Fahrten im Jahr 2009 und mindestens zwei Milliarden Franken Unterstützung für den Eisenbahngüterverkehr ist im Güterverkehrsverlagerungsgesetz festzuhalten. Ein weiterer Aufschub des Verlagerungstermins bedingt eine Volksabstimmung. Verschärfung des Dosiersystems, intensivere Schwerverkehrskontrollen und die Einführung der Alpentransitbörse sind die nächsten Schritte, welche die Alpen-Initiative vom Bundesrat erwartet. Dank der Alpentransitbörse können die Betriebssubventionen teilweise für Infrastrukturen verwendet werden.

Die Bundesverfassung verlangt die Verlagerung des alpenquerenden Gütertransitverkehrs auf die Schiene bis zehn Jahr nach Annahme der Initiative. Die Umsetzung hätte also 2004 abgeschlossen sein müssen. Während den Verhandlungen mit der Europäischen Union über die bilateralen Abkommen hat der Bundesrat jedoch Jahre untätig verstreichen lassen. Schliesslich hat das Parlament als flankierende Massnahme zum Landverkehrsabkommen 1999 das Verkehrsverlagerungsgesetz beschlossen. Dabei wurde das Verlagerungsziel – vom Volk in der Abstimmung über die Bilateralen Verträge indirekt abgesegnet – erstmals genauer definiert und gleichzeitig der Termin um die fünf Jahre hinausgeschoben, die der Bundesrat mit der Umsetzung gezögert hat. Neu gilt nun also das Ziel: Reduktion auf 650’000 Fahrten bis zum Jahr 2009. Dieses Ziel ist erreichbar, wenn der Wille da ist.

Verlagerungstermin von Gotthard-NEAT entkoppeln
Im Bericht zum Güterverkehrsverlagerungsgesetz suggeriert der Bundesrat, ohne Gotthard-Basistunnel sei die Verlagerung unmöglich. Wie bereits früher dargelegt, ist der Produktivitätseffekt der NEAT kein zwingendes Erfordernis für die Verlagerung, betragen doch die Kosteneinsparungen durch den Basistunnel am Gotthard im Langstrecken-Güterverkehr weniger als 10%. Auch die Kapazitäten sind kein Grund, auf den Gotthard zu warten: Die Übernahme der Hälfte des alpenquerenden Strassentransportes (7 von 13 Millionen Jahrestonnen) entspricht einer Steigerung des Güteraufkommens der Bahn von ca. 24 auf 31 Mio. Tonnen. Dazu kommt das Wachstum dieser Periode.

Ulrich Weidmann, Professor für Verkehrssysteme am Institut für Verkehrsplanung und Transportsysteme (IVT) der ETH Zürich, hat gegenüber unserer Mitgliederzeitschrift „Echo“ im November ausgeführt, es sei kein zwingender Zusammenhang zwischen dem Termin für das Verlagerungsziel und der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels zu erkennen: „Diese beiden Zeitpunkte sollten daher politisch nicht gekoppelt werden.“ Gemäss Weidmann sollte „die verfügbare Kapazität im Stichjahr 2009 … noch genügen, um zu diesem Zeitpunkt das Umlagerungsziel zu erreichen. Hingegen wird es schwierig, das erwartete Gesamtmengenwachstum der Folgejahre unter Einhaltung der Lastwagenlimite von 650’000 Fahrten abzudecken.“ Er fordert deshalb, dass die Aufmerksamkeit umgehend auf die bereits mittelfristig akuten Kapazitätsengpässe im Nordzulauf ab Basel durchs Mittelland – und analog im Süden – zu richten seien.
Zwischen Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels (2007) und der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels (2015/16) bleibt das Bahnsystem (Infrastruktur und Betrieb) nicht unverändert, sondern entwickelt sich weiter. Auf unsere Intervention hin hat SBB Infrastruktur die Entwicklungspotentiale der Kapazitäten für diesen Zeitraum genauer nachgerechnet. Jetzt warten wir gespannt auf die Resultate.

Es fehlen vor allem die Massnahmen auf der Strasse
Im letzten Jahr scheint sich der Lastwagenverkehr nur noch wenig reduziert zu haben (Die offiziellen Statistiken der zweiten Jahreshälfte liegen noch nicht vor.) Und diese Reduktion war nur möglich, weil die Gotthard-Autobahn wegen des Felssturzes Ende Mai für einen Monat geschlossen war. Auch solche „Selbstregulierungsmassnahmen der Natur“ darf sich die Verlagerungspolitik aber nicht abstützen. Wir fordern deshalb einmal mehr:
1. Als Sofortmassnahme ist das Dosiersystem zu verschärfen. Der Unfall im Gotthardtunnel vom 2. November 2006, in welchem wieder drei Lastwagen verwickelt waren, zeigt deutlich, dass dies nötig ist. Damit kann gleichzeitig verhindert werden, dass die Lastwagenzahl wieder zunimmt.
Die Schwerverkehrskontrollen sind so schnell wie möglich zu intensivieren. Der Strassengütertransport kann sich durch Verstösse gegen Vorschriften teils gewaltige Konkurrenzvorteile gegenüber der Schiene verschaffen. Das Konkurrenzverhältnis Strasse/Schiene kann mit strikten Kontrollen mindestens so stark beeinflusst werden wie durch den Gotthard-Basistunnel.
2008 muss die Alpentransitbörse eingeführt werden. Die Experten schätzen, dass das System technisch innerhalb von eineinhalb Jahren umsetzbar ist. In Kürze wird eine Studie des Bundes vorliegen, welche zeigt, wie die Alpentransitbörse praktisch umgesetzt werden kann. Mit der Einführung der Alpentransitbörse können die Subventionen für den Eisenbahngüterverkehr grossenteils eingespart werden. Die Alpentransitbörse ist übrigens inzwischen auch Teil des österreichischen Regierungsprogramms.

Demnächst wird der Bundesrat seine Botschaft zum Güterverkehrsverlagerungsgesetz (GVVG) beschliessen. Falls dieses dem Verfassungsauftrag nicht entspricht und das Parlament die nötigen Korrekturen nicht vornimmt, dann ist für uns auch ein Referendum kein Tabu. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Verschiebung des Verlagerungstermins ist unseres Erachtens ohnehin nicht ohne Volksabstimmung möglich.

Nach wie vor fordern wir, dass der Bundesrat die Massnahmen auf dem Verordnungsweg beschliesst, wie dies die Verfassung vorsieht. Sollte er anders beschliessen, werden wir beim Parlament eine Aufsichtsbeschwerde einreichen.

Bern / Airolo, 20.2.07