17. Februar 2005

Markus Liechti, Policy Officer, T&E Europäischer Verband für Verkehr und Umwelt
Die Schweizer LSVA und mit ihr die Verlagerungspolitik der Eidgenossenschaft wird in Europa zunehmend als positives Beispiel für eine nachhaltige Verkehrspolitik wahrgenommen; zumindest in politischen Grundsatzreden. In der Umsetzung dagegen harzt es noch. Woran liegt das? An den einschränkenden Vorschriften von Brüssel? An widersprüchlichen Zielen nationaler Politiken? An der schleppenden europäischen Wirtschaft?

Nationale Politiker verweisen immer gerne nach Brüssel, wenn es darum geht, zu begründen, wieso etwas eigentlich Sinnvolles nicht möglich ist. So verhält es sich auch mit der LSVA, wo auf die europäische Wegekostenrichtlinie hingewiesen wird. Die Wegekostenrichtlinie regelt die Erhebung von traditionellen Autobahngebühren, wie sie in Italien oder Frankreich bestehen, und von zeitabhängigen Gebühren, die auch unter dem Namen Eurovignette bekannt sind. Diese Wegekostenrichtlinie kennt tatsächlich einige Unzulänglichkeiten. Gebühren dürfen nur auf dem Autobahnnetz erhoben werden, und es dürfen nur Infrastrukturkosten angerechnet werden. Die Schweizer LSVA, die auf dem gesamten Netz erhoben wird und auch Umwelt-, Gesundheits- und Unfallkosten miteinbezieht, widerspricht somit der europäischen Wegekostenrichtlinie. Dennoch hat die EU und all ihre Mitgliedsländer die Schweizer LSVA als Teil des Landverkehrsabkommens akzeptiert. Die Wegekostenrichtlinie lässt aber dennoch Möglichkeiten offen, welche heute von den Mitgliedsländern ungenutzt bleiben. So gibt es erst zwei Länder, Deutschland und Österreich, die das gesamte Autobahnnetz bemauten und das erst seit kurzem. Die Länder mit traditionellen Autobahngebühren bemauten jeweils nur einen Teil ihres Netzes. Einige Länder wie beispielsweise die Benelux-Staaten oder Schweden erheben immer noch zeitabhängige Vignetten, die Vielfahrer belohnen und Wenigfahrer bestrafen. Dies verstösst gegen das Verursacherprinzip und gegen eine nachhaltige Verkehrspolitik. Schliesslich gibt es auch eine Reihe von Länder wie Grossbritannien oder Finnland, die überhaupt keine Gebühren erheben. Dass die Hindernisse zur Einführung einer LSVA in Europa nicht nur in Brüssel liegen, wird auch klar, wenn man die zurzeit laufende Revision der Wegekostenrichtlinie verfolgt. Der Europäische Verband für Verkehr und Umwelt macht sich im Verbund mit anderen Organisationen, die das Verkehrspersonal, die Eisenbahnen, den kombinierten Verkehr und die Kunden des Eisenbahngüterverkehrs vertreten, stark dafür, dass die revidierte Wegekostenrichtlinie eine LSVA nach Schweizer Vorbild auch in anderen europäischen Ländern möglich wird. Die Änderung der Richtlinie, dass die LSVA auf dem gesamten Strassennetz erhoben werden kann, ist relativ unbestritten. Gegen den Einbezug von Kosten für die Umwelt, Gesundheit und Unfälle allerdings leisten viele Mitgliedsländer erbitterten Widerstand. Es gibt somit klare nationale Interessen, die sich gegen eine LSVA nach Schweizer Vorbild stemmen. Diese Interessen werden von einer starken Lobby der Strassenverkehrsverbände unterstützt. Zudem wird die laufende Wirtschaftsschwäche in Europa immer wieder als Argument benutzt, Instrumente zu verhindern, die auf eine nachhaltige Entwicklung abziehlen. Dabei machen distanz- und emissionsabhängige Verkehrsgebühren das Verkehrssystem wesentlich effizienter und insgesamt auch kostengünstiger. Es gibt jedoch auch positive Entwicklungen in Europa. So hat Österreich anfangs 2004 eine distanzabhängige Gebühr für den Schwerverkehr eingeführt, und mit einiger Verzögerung auf den ursprünglichen Fahrplan ist auch Deutschland anfangs 2005 gefolgt. Diese beiden Länder beschränken die Gebühren jedoch auf Autobahnen und nicht wie in der Schweiz auf das gesamte Netz. Zudem ist die Höhe bedeutend geringer, da nur Infrastrukturkosten einbezogen werden dürfen. Andere Länder wie die Tschechische Republik, die Slowakei oder Ungarn wollen in den kommenden Jahren ebenfalls distanzabhängige Systeme einführen. Das verheissungsvollste Projekt entsteht im Moment in Grossbritannien, wo ein System entsprechend der Schweizer LSVA auf dem gesamten Strassennetz für 2008 vorgesehen ist. Damit dies rechtlich möglich ist, müsste bis dann die Wegekostenrichtlinie revidiert sein! Trotz vieler Hürden gibt es also einige Lichtblicke. Langsam aber zunehmend begibt sich Europa auf den Schweizer Pfad bezüglich Güterverkehrspolitik. Es bleibt jedoch an der Schweiz, konsequent auf dem Weg zu bleiben und weiterhin eine Vorreiterrolle in Europa einzunehmen.