Die Alpen-Initiative hat volles Verständnis für die sieben Personen, die am 14. Dezember vor dem Strafgericht in Bellinzona erscheinen müssen. Sie haben im November 2007 die A2 im Tessin für eine halbe Stunde blockiert.
„Die Blockade war zwar nicht bewilligt, aber gerechtfertigt. Denn im Alpentransit herrscht seit vielen Jahren ein illegaler Zustand, da doppelt so viele Lastwagen wie erlaubt durch die Alpen fahren“, sagt Alf Arnold, Geschäftsführer der Alpen-Initiative.
Die von der Verfassung geforderte Reduktion auf 650‘000 alpenquerende Lastwagenfahrten pro Jahr wurde vom Parlament immer weiter hinausgeschoben – nun auf zwei Jahre nach Eröffnung des Basistunnels am Gotthard, das heisst auf das Jahr 2018. Die Initiative „Zum Schutze des Alpengebietes vor dem Transitverkehr“ (kurz Alpen-Initiative) wurde 1994 vom Volk angenommen. Gemäss ihr hätte das Ziel bereits 2004 erreicht werden müssen. Diesbezüglich brechen Bundesrat und Parlament seit Jahren Verfassungsrecht – mit gravierenden Folgen für die Gesundheit der Anwohnerinnen und Anwohner der Transitachsen. Im Güterverkehrsverlagerungsgesetz steht zudem, dass ab 2011 nur noch 1 Million Lastwagen pro Jahr die Alpen durchqueren dürfen. Diese Zahl wird auch 2012 überschritten. Doch Bundesrat und Parlament weigern sich, die nötigen Lenkungsmassnahmen zu ergreifen.
2003 wurde wegen einer ähnlichen Blockade-Aktion ein amtierendes Mitglied des Vorstands der Alpen-Initiative wegen Nötigung zu einer bedingten Gefängnisstrafe von sieben Tagen und einer Busse von 400 Franken verurteilt. Das Recht auf freie Fahrt werde höher gewichtet als die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen, argumentierte die Aktivistin vor Gericht. Ohne Erfolg. Noch immer erteilen die Schweizer Behörden keine Bewilligung für solche Kundgebungen auf der Autobahn.
Anders in Frankreich: Ob eine Kundgebung auf der Autobahn zum Mont-Blanc-Tunnel nun bewilligt war oder nicht, nie wurde jemand angeklagt oder verurteilt. Das war auch so im November 2012 bei einem Protestmarsch gegen den Lastwagenverkehr. Anders auch in Österreich: Im September 2012 hatte im Tirol eine Bürgerbewegung die Autobahn zum Brennerpass während zwölf Stunden blockiert – mit Bewilligung. Der Protest richtete sich gegen den Lastwagentransitverkehr. „Wir haben nichts zu verschenken – nicht die Gesundheit, nicht die Arbeitsplätze, nicht die Bauern, nicht die Existenzgrundlagen von Jung und Alt“, argumentiert das organisierende Transitforum. Eine von den Tiroler Behörden bewilligte 28-stündige Brenner-Blockade im Jahr 1998 wurde vom Europäischen Gerichtshof beurteilt. Auch dieses gewichtete den Anspruch auf Versammlungsfreiheit höher als den freien Warenverkehr und lehnte die Schadenersatzklage eines Transportunternehmers ab (Urteil 12.6.2003 – C-112/00). Nur in der Schweiz scheint der freie Verkehr das oberste Grundrecht zu sein. Unser Appell deshalb ans Gericht in Bellinzona: Volksgesundheit und Versammlungsfreiheit sollen über dem freien Warenverkehr stehen.
Kontakt
→ Alf Arnold, Geschäftsführer Alpen-Initiative, 079 711 57 13
→ Fabio Pedrina, Präsident Alpen-Initiative, 079 249 29 42