Die Verkehrskommission des Nationalrates zögert. Zwei Standesinitiativen, der Streik im SBB-Industriewerk Bellinzona und die negative Verkehrsentwicklung im letzten Jahr haben die Verkehrsfachleute nachdenklich gemacht. Sie wollen erst in diesen Tagen entscheiden.
Das Gesetz, das künftig die vom Volk mehrfach verlangte Verlagerung der Güter auf die Schiene regeln soll, heisst „Güterverkehrsverlagerungsgesetz“ (GVVG). So wie das GVVG in der Fassung des Ständerates aussieht ist es aber eher ein „Güterverkehrsverlagerungs-VERZÖGERUNGSgesetz“ (GVVVG). Während der Ständerat das Geschäft im Schnellzugstempo durchberaten hat, hat die Kommission des Nationalrates für das Thema bereits drei Sitzungen aufgewendet.
Zu denken geben musste der Kommission die alarmierende Entwicklung des alpenquerenden Verkehrs im letzten Jahr. Nach einem halben Jahrzehnt mit rückläufiger Tendenz nahmen die Lastwagenfahrten über die Alpen 2007 wieder um 7 Prozent zu. Stoppen lässt sich diese negative Entwicklung nur mit der Alpentransitbörse. Dabei genügt es aber nicht, dem Bundesrat Verhandlungen darüber zu erlauben, wie dies der Ständerat tat. Der Bundesrat muss den klaren Auftrag erhalten, dieses marktwirtschaftliche Instrument innerhalb nützlicher Frist einzuführen!
Als Denkanstösse waren auch die Standesinitiativen gedacht, die vom Tessiner Kantonsrat am 18. Februar und vom Urner Landrat zwei Tage später, am vierzehnten Jahrestag der Volksabstimmung über die Alpen-Initiative (!), beschlossen wurden. Beide verlangen eine schnellere Verlagerung und die Einführung der Alpentransitbörse.
Schliesslich hat das Defizit von SBB Cargo, akzentuiert durch den Streik der Belegschaft des SBB-Industriewerkes Bellinzona, die Politikerinnen und Politiker aufgeweckt (vgl. nebenstehender Artikel). Die vom Parlament im letzten Jahr noch abgelehnte Unterstützung des Schienengüterverkehrs im Inland und die vom Bundesamt für Verkehr immer wieder hinausgezögerte Trassenpreisreform sind plötzlich zu salonfähigen Themen geworden. Nach dem Nationalrat hat auch die Verkehrskommission des Ständerates der Motion des Präsidenten der Alpen-Initiative, Fabio Pedrina (SP, TI), zugestimmt. Sie verlangt eine Differenzierung der Trassenpreise nach Angebot und Nachfrage, um so den Verkehr zeitlich besser verteilen und damit die Kapazitäten ohne finanziellen Aufwand zu vergrössern.
Auch die Betriebsbeiträge an den Schienengüterverkehr sind nicht mehr sakrosankt. Ganz im Sinne der Alpen-Initiative stellt sich der Kolumnist der „Neuen Zürcher Zeitung“ die Frage, ob man das Geld nicht besser in den Ausbau der Infrastruktur stecken würde. Die Umlenkung des Geldes ist aber nur machbar, wenn dank der Alpentransitbörse die Subventionierung des Betriebs heruntergefahren werden kann.
Wir sind gespannt, was die Verkehrskommission des Nationalrates nun entscheidet. In diesen Tagen werden Sie es aus den Medien erfahren.