von Hugo Fessler, dipl. Verkehrsing. ETH/SVI, Luzern
Eine rollende Strasse für LKW und eine solche für PW können zusammen während der Sanierungszeit den gesamten Strassenverkehr aufnehmen. Die mutmasslichen Jahreskosten von 165 Mio. Franken können mit mässigen Gebühren fast vollständig finanziert werden.
Im Gotthard-Scheiteltunnel stehen nach Eröffnung des Basistunnels grosse Kapazitäten zur Verfügung. Das äusserst enge Profil lässt aber den Transport von Lastwagen mit den üblichen 4 m Eckhöhe nicht zu. Zudem sind in Göschenen und Airolo die Verladeanlagen immer noch vorhanden, die vor Eröffnung des Gotthard-Strassentunnels die Verbindung Tessin–Deutschschweiz während der Wintersperre der Passstrasse gewährleistet haben. Der Basistunnel bietet auf Grund des grossen Tunnelprofils und der Tatsache, dass für Lastwagen damit die Fahrt über die Steilrampen vermieden wird, optimale Voraussetzungen für den Bahntransport der LKW. Somit drängen sich die rollende Strasse für PW durch Scheiteltunnel und jene für LKW durch den Basistunnel geradezu auf. Für Cars sind spezielle Lösungen zu definieren.
1. Rollende Strasse für Personenwagen
Mit kleineren Eingriffen in Göschenen und Airolo – vor allem durch eine neue Einbindung in die Gleisanlage – können die Verladegleise je bis auf gut 450 Meter verlängert werden. Abzüglich der Lok und des Steuerwagens (mit Platz für die Motorräder) ermöglicht dies eine Lade-Nutzlänge pro Zug von 400 m oder 80 PW. Für die erwähnten erforderlichen 400 PW pro Stunde und Richtung ergibt dies somit 5 Züge oder einen 12-Minuten-Takt für die durchschnittlichen Spitzenstunden. Für noch höhere Belastungen ist sogar ein 8-Minuten-Takt denkbar, damit könnten bis 600 PW pro Stunde und Richtung bewältigt werden. Wir rechnen im Mittel für beide Richtungen zusammen mit 160 Zügen pro Tag während einer Betriebsdauer von 24 Stunden. Nach Mitternacht genügt z. B. ein Stundentakt. (Am Lötschberg gibt es übrigens eine Nachtpause.) Bei einer angenommenen Auslastung von 90% bedeutet dies eine Menge von 11‘000 PW pro Tag oder hochgerechnet die besagten 4 Mio. PW pro Jahr.
Jeder PW-Terminal braucht mindestens 2 Rampengleise. In Göschenen sind diese vorhanden, in Airolo muss die Verladerampe neu konzipiert werden. Der Verlad und Entlad für die PW erfolgt analog zum Lötschberg seitlich. Damit der Verlad schnell erfolgen kann, müssen immer genügend Fahrzeuge möglichst nahe beim Zug warten können. In Göschenen muss dazu die Strasse zwischen Autobahnausfahrt und Terminal auf einem kurzen Stück verbreitert werden. In Airolo ist genügend Platz vorhanden. Zudem sind verkehrsorganisatorische Massnahmen notwendig.
Die Zufahrt von der Autobahn zu den Terminals tangiert die Dörfer nicht. Sie erfolgt in Göschenen direkt von der Autobahnausfahrt über den Kreisel an der Kantonsstrasse. In Airolo können die Autos unmittelbar vor dem Portal des Strassentunnels über eine bestehende Strasse zum Terminal geführt werden. Für grössere Staus steht auch noch die Autobahn zur Verfügung, die ja während der Sanierungszeit nicht benutzt wird. Für den Regionalverkehr muss dabei aber die Ausfahrt frei gehalten werden.
Notfalls stünde in Göschenen östlich der Reuss eine zusätzliche Fläche zur Verfügung, die direkt von der Umfahrungsstrasse Richtung Schöllenen aus erreicht werden kann. Auch in Airolo ist eine Erweiterung denkbar. Beide würden aber grosse Investitionen verursachen.
2. Rollende Strasse für Lastwagen
Die Verladeanlagen für Lastwagen bei Erstfeld und Biasca müssen vollständig neu erstellt werden. Es gilt ein optimales Verhältnis zwischen Zuglängen und Terminal-Dimensionen zu finden. Bezüglich Motorisierung und Belade- resp. Entladevorgang einerseits und der notwendigen Flächen anderseits scheint eine Lade-Nutzlänge pro Zug von 500 m oder 25 LKW dies zu treffen. Die erforderlichen gut 1000 LKW pro Tag können mit 3 Zügen pro Stunde und Richtung während 16 Stunden an 260 Tagen jährlich bei einer Auslastung von 80% bewältigt werden. Für die Züge sind zwei Loks an den Enden und ein Begleitwagen vorgesehen.
Während der Zeit, in der die LKW-Rola im Basistunnel in Betrieb ist, muss das Betriebskonzept derart optimiert werden, dass genügend Fahrplantrassen auch für den normalen Güterverkehr angeboten werden können. Die Massnahme, dass die Reisezüge während dieser Phase nicht mit der Maximalgeschwindigkeit verkehren können, ist vertretbar. Ausserdem wird der Ceneri-Basistunnel voraussichtlich erst zwei Jahre nach dem Gotthard-Basistunnel eröffnet.
Als Standort der Terminals in der Nähe der Tunnelportale Erstfeld und Biasca bieten sich Gelände an, die heute als Installationsplatz für die Bahntechnik des Basistunnels beansprucht werden. Auf den je gegenüberliegenden Seiten der neuen Bahnlinie gibt es ebenfalls geeignete Flächen. Zusätzlich braucht es, falls dies nicht anderswo möglich ist, noch Abstellgleise für nicht benötigte Züge. Die Autobahnanschlüsse befinden sich im Norden und im Süden in der Nähe, so dass die Lastwagen ohne Tangierung der Bevölkerung zu den Terminals gelangen können.
Jeder LKW-Terminal braucht mindestens drei Rampengleise. Nach Ankunft des Zuges im Terminal werden die Lok und wo nötig der Begleitwagen abgekoppelt und eine mobile Rampe angeschoben, um den Entlad und anschliessend den Auflad der LKW zu ermöglichen.
3. Investitionsaufwand, Kosten, Wirtschaftlichkeit
Der Investitionsaufwand wird für die Terminals Göschenen auf 10 Mio. Fr., Airolo auf 30 Mio. Fr. und für Erstfeld und Biasca auf je auf 100 Mio. Fr. geschätzt. Für die benötigten zehn Kompositionen für den LKW-Verlad wird der Aufwand mit 144 Mio. Fr., für die sechs Züge für den PW-Verlad mit 60 Mio. Fr. angenommen. Als Loks werden heute im Einsatz stehende, dann zumal abgeschriebene Fahrzeuge vorgesehen.
Die jährlichen Kosten für Abschreibung, Betrieb und Unterhalt der Rola und der Terminals sowie die Trassebenützung werden mit 125 Mio. Fr. für die LKW-Rola und 40 Mio. Fr. für die PW-Rola beziffert. Das ergibt total 165 Mio. Franken pro Jahr.
Angesichts der Ersparnis an Weg und Zeit sowie Treibstoff gehen wir davon aus, dass für die Benützung der Rolas Gebühren erhoben werden können. Mit 20 Fr. für PW wie am Lötschberg und 150 Fr. für LKW wie am Brenner pro Fahrt ergibt sich ein Ertrag von gut 150 Mio. Fr. Damit können die ausgewiesenen Kosten praktisch gedeckt werden. Es wird aber von der Politik zu entscheiden sein, wie weit die Rola kostenpflichtig sein soll.
Bern / Luzern 11.2.2010