18. Februar 2000

Die Alpen-Initiative hat kurz nach den Tunnelkatastrophen am Mont-Blanc und Tauern eine rollende Landstrasse für Lastwagen zwischen Göschenen und Airolo vorgeschlagen, um das Unfallrisiko im Gotthardstrassentunnel zu reduzieren. Weitere Abklärungen haben ergeben, dass die Benützung der Bahn auch für vier Meter hohe Lastwagen möglich und die Verpflichtung dazu rechtlich zulässig ist.

Als die Alpen-Initiative im letzten Juni die Idee einer LKW-Rola Göschenen – Airolo der Öffentlichkeit präsentierte, konnte sie zeigen, dass die nötigen Kapazitäten mit einem 20- oder gar 15-Minutentakt geschaffen werden können, um die nach offiziellem Verlagerungsziel noch auf der Strasse verbleibenden Lastwagen zu verladen, ohne den übrigen Bahnverkehr zu beschränken. Die Vorteile des Bahnverlads: Die Risiken, die vom LKW-Verkehr im Strassentunnel ausgehen, können eliminiert werden, und die praktisch ausschliesslich durch die Lastwagen verursachte Abnützung von Strassenbelag und Tunneldecke, kann erheblich reduziert und damit die Lebensdauer des Tunnels um Jahrzehnte verlängert werden. Zwei Fragen waren damals noch ungeklärt:Ist es möglich, auch Lastwagen von vier Metern Eckhöhe durch den bald 120 Jahre alten Bahntunnel zu befördern?
Ist es rechtlich zulässig, die Lastwagen für die 16 km lange Strecke zwingend auf die Schiene zu verweisen?
Beide Fragen können wir inzwischen grundsätzlich positiv beantworten. Nach unseren eigenen Abklärungen sind aktuell drei Unternehmungen damit beschäftigt, Eisenbahnwagen zu konstruieren, die eine extrem tiefe Ladefläche aufweisen. Zwei in Frankreich (Alstom und Lohr Industrie), eines in Schweden (FlexiWaggon). Da der Gotthardtunnel schnurgerade ist und nur in den Ein- und Ausfahrten Kurven vorhanden sind, sind teilweise sogar vereinfachte Lösungen denkbar, wie uns auch die SBB bestätigt haben. Jedes System hat seine Vor- und Nachteile. Allein gemeinsam ist, das sie erst auf dem Papier existieren. Um einen Schritt vorwärts zu kommen, müssten jetzt dringend Prototypen angefertigt werden können. Damit dies passiert, muss allerdings ein potenter Auftraggeber auf den Plan treten. Nach unserer Einschätzung könnte der Bund durch direkte finanzielle Unterstützung oder aber auch durch einen grundsätzlichen Beschluss für die Einrichtung der LKW-Rola den Prozess anstossen. Die zweite Frage hat Astrid Epiney, Professorin am Institut für Europarecht der Universität Freiburg, in unserem Auftrag im Sinne einer Vorstudie abgeklärt. Da sie heute verhindert ist, fasse ich die Erkenntnisse selber kurz zusammen:Kompetenz: Dem Bundesgesetzgeber steht die Kompetenz zum Erlass einer solchen Regelung zu. Er kann dies in Form eines Bundesgesetz, einer Parlamentsverordnung oder einer Bundesratsverordnung tun..
Grundrechte: Selbst wenn die Massnahme einen Eingriff in die persönliche oder die Wirtschaftsfreiheit darstellen würde, wäre sie zulässig, wenn die Massnahme verhältnismässig ist, um die Sicherheit im Strassenverkehr zu erhöhen.
Landverkehrsabkommen und andere staatsvertragliche Bestimmungen: Es liegt keine offensichtliche Unvereinbarkeit mit dem Landverkehrsabkommen vor. Eine abschliessende Beurteilung erfordert weitere Analysen. Andere staatsvertragliche Bestimmungen, die von Bedeutung sein könnten, sind auf den ersten Blick nicht ersichtlich.
EU-Recht: Die angestrebte Verlagerung steht nicht offensichtlich im Widerspruch zum geltenden Gemeinschaftsrecht. Auch hier sind aber weitere Analysen nötig.
Vorsichtiges Fazit des 29seitigen Papiers: „Damit kann festgehalten werden, dass die obligatorische streckenweise Verlagerung des Strassengüterverkehrs auf die Schiene auf Tunnelstrecken jedenfalls nicht offensichtlich gegen schweizerisches, internationales oder europäisches Recht verstösst. Eine abschliessende Aussage ist allerdings erst auf der Grundlage einer vertieften Analyse der erwähnten, in dieser Vorstudie noch nicht vollständig ausgeloteten Fragen möglich“ Die Alpen-Initiative fordert Bundesrat Leuenberger auf, seinerseits eine Vervollständigung der rechtlichen Abklärungen in Auftrag zu geben. Bei der rechtlichen und noch mehr bei der technischen Frage sind die beschränkten finanziellen Mittel der Alpen-Initiative für weitere Abklärungen nicht ausreichend. Wir haben eine Idee lanciert und die grundsätzliche Machbarkeit nachgewiesen. Jetzt liegt es am Bund, die weiteren Schritte zu unternehmen – im Interesse der Sicherheit im Gotthardstrassentunnel wie auch der Umsetzung des Alpenschutzartikels.