von Paul Romann, dipl. Arch ETH, Ing. SVI, Zürich
Während beim Verlad für die Sanierungszeit des Strassentunnels die technische Machbarkeit im Vordergrund stand, sind es bei den Überlegungen über einen dauerhaften LKW-Verlad im Gotthard-Basistunnel hauptsächlich Fragen der Sicherheit sowie eines möglichst umweltgerechten Warentransports durch den Alpenraum.
Aus diesen Überlegungen haben sich folgende Änderungen gegenüber dem früheren Konzept der Alpen-Initiative und der vom Bundesrat für die Sanierungszeit vorgeschlagenen Rola ergeben, die beide nur für ein paar Jahre den Verkehr aufnehmen sollen:
Drei statt zwei Rola-Züge pro Stunde und Richtung: Das Konzept des Bundesrates sieht im Basistunnel zwei Rola-Züge pro Stunde und Richtung vor. Die Alpen-Initiative hat bereits vor einem Jahr für eine höhere Kapazität plädiert. Mit drei Verladezügen pro Stunde und Richtung können bei 100% Auslastung maximal 720‘000 LKW pro Jahr befördert werden. Dabei ist nicht unser Ziel, eine so grosse Anzahl zu befördern. Zwei Jahre nach Eröffnung des Basistunnels sind gemäss Güterverkehrsverlagerungsgesetz nur 650‘000 LKW zugelassen (am Gotthard ca. 500‘000, am San Bernardino ca. 90‘000, am Simplon ca. 35‘000 und am Grossen St. Bernhard ca. 25‘000). Vielmehr geht es darum, mit einem grösseren Angebot auch die vorhandenen Nachfrageschwankungen ohne Rückstau aufnehmen zu können, damit kein Anlass für Umwegfahrten besteht.
Gleisüberwerfungen statt Abkreuzung à niveau: Im Unterschied zu einem provisorischen Verlad ist bei einem Definitivum bei jedem Terminal eine Gleis-Überwerfung nötig, um ein kreuzungsfreies Ein- bzw. Ausfahren der Züge zu ermöglichen. Dies hat auch entsprechende Mehrkosten zur Folge, ist aber nötig, um genügend Fahrplanstabilität und auch zukünftiges Verkehrswachstum im Basistunnel zu ermöglichen. In Uri böte sich die Möglichkeit, die als Vorinvestition für die Urner Bergvariante bereits realisierte unterirdische Abzweigung im Basistunnel zu nutzen. Für diese Lösung müsste allerdings ein etwa 3,5 km langer Einspurtunnel gebaut werden, der später Teil der Urner Bergvariante (Umfahrung von Altdorf) werden könnte.
Die neue Studie hat auch eine Vertiefung von einigen Punkten vorgenommen:
Kapazität des Basistunnels: Der offizielle Fahrplan der SBB sieht anfänglich 2 Personenzüge im Halbstundentakt und 6 Güterzüge pro Stunde und Richtung vor. Dabei soll der EC mit 200 km/h, der IC mit 160 km/h durch den Tunnel fahren. Die Alpen-Initiative schlägt vor, den Halbstundentakt als wichtiges Anliegen für die Erschliessung des Kantons Tessin beizubehalten, aber auch den EC nur mit 160 km/h fahren zu lassen. Die Verlängerung der Reisezeit um rund vier Minuten ist angesichts der durch den Basistunnel erreichten Reisezeitverkürzung von einer Stunde unerheblich. Sie erlaubt aber, einen zusätzlichen Güterzug durch den Tunnel fahren zu lassen. Trotzdem müssen wegen den Rola-Zügen zwei andere (leichtere) Güterzüge über den Berg geleitet werden.
Nutzung der Bergstrecke: Unser Konzept sieht vor, dass weiterhin Güterzüge über die Bergstrecke fahren. Warum soll, was während den letzten 130 Jahren selbstverständlich war, nicht auch nach der Inbetriebnahme des GBT möglich sein? Die Bergstrecke ist nach wie vor eine leistungsfähige Bahnlinie, die nicht nur genutzt werden kann, sondern genutzt werden soll. Nach dem kapazitätsmässigen Ausbau der Zufahrtsstrecken (Axentunnel etc.) wird der GBT ohnehin zu wenig Kapazität haben, was nur bedeuten kann, dass auf der Bergstrecke – neben den Reisezügen – wieder vermehrt Güterzüge verkehren werden.
Terminal-Kombination mit Schwerverkehrszentren: In Erstfeld ist seit 2009 das grösste Kontrollzentrum für den Schwerverkehr im Betrieb. Im Tessin ist ein ähnliches geplant. Die riesigen Abstellflächen in Erstfeld sollen ermöglichen, bei Phase Rot bis zu 700 Lastwagen abzustellen. Bei Einrichtung einer Rola wird die Phase Rot nicht mehr nötig sein. Der Platz kann für die Bereitstellung der Lastwagen und den Ticketverkauf genutzt werden, so dass die Lastwagen anschliessend als geschlossene Kolonne direkt auf den Zug auffahren können. Im Tessin, wo die Entscheide über den Standort des Schwerverkehrszentrums noch nicht definitiv gefallen sind, ist eine ähnliche landschonende Kombination anzustreben. Nicht überflüssig wird die Kontrollfunktion der Zentren, denn auch für den Verlad (z.B. bezüglich Höhe, erhitzte Motoren etc.) und für die Weiterfahrt auf der Strasse müssen die Lastwagen sicher sein.
Kosten: Bei einer dauerhaften Kurz-Rola im GBT müssen die Terminals kreuzungsfrei an den GBT angeschlossen werden. Das bedingt den Bau von je einer Überwerfung auf beiden Seiten des GBT. Damit ergeben sich höhere Investitionen als bei einem temporären LKW-Verlad. Auf der Basis von Vergleichen mit andern Bahnprojekten ergeben sich Investitionskosten für die Infrastruktur von 400 bis 500 Mio. Franken. Die Jahreskosten (Betrieb, Unterhalt und Amortisation) betragen rund 120 Mio. Franken. Pro transportierten Lastwagen entstehen Kosten von ca. 240 Franken. Die Einsparungen pro LKW (LSVA, Treibstoff und Fahrzeugabnützung) liegen bei 210 Franken. Damit ergibt sich ein Fehlbetrag pro LKW von noch lediglich 30 Franken, resp. von 15 Mio. Franken pro Jahr für alle 500’000 verladenen Lastwagen.
Umwegfahrten: Werden mit Kosten von 210 Franken pro Verlad, resp. von 240 Franken, wenn der LKW die vollen Kosten zu übernehmen hat, Umwegfahrten provoziert? Analysen haben gezeigt, dass dies nicht der Fall ist. Es lohnt sich für den Schwerverkehr nicht, über den San Bernardino oder einen der Walliser Pässe auszuweichen, um den Rola-Transport zu vermeiden. Die Benutzung der Kurz-Rola ist in jedem Fall günstiger und auch schneller als jede andere Route. Der Verlad auf die Kurz-Rola dauert im Übrigen auch ungefähr gleich lang wie die Fahrt auf der A2 via Gotthard-Strassentunnel. Damit entstehen für den Strassentransport durch die Benützung der Kurz-Rola keine Nachteile. Im Gegenteil: Die Fahrt auf der Rola kann vom Chauffeur für eine vom Gesetz vorgeschriebene Pause genutzt werden.
Auswirkungen auf den PW-Verkehr: Theoretisch sind im Gotthard-Strassentunnel mehr PW-Fahrten möglich, wenn keine oder fast keine Lastwagen mehr unterwegs sind. Die genauere Analyse hat gezeigt, dass dieser Effekt nur in Situationen von Stau eine Rolle spielt. An allen andern Tagen könnte der PW-Verkehr schon heute viel grösser sein. Die Luft wird durch das LKW-Verbot um ein Mehrfaches von dem entlastet, was durch die zusätzlich ermöglichten PW-Fahrten an Schadstoffen erzeugt wird. Die Fahrt auf der A2 zwischen Erstfeld und Biasca misst 75 km. Dank der 500’000 mit der Kurz-Rola transportierten LKW werden jährlich 37,5 Mio. LKW-Kilometer eingespart.
Verlad in den Alpen statt ausserhalb: Man mag sich fragen, warum der Verlad nicht ausserhalb der Alpen stattfinden soll. Der Grund ist einfach. Zum einen sind auf den Zulaufstrecken die Eckhöhen der Tunnels nicht genügend. Zum andern sind dort vorläufig und möglicherweise noch für lange Zeit nur zwei Geleise vorhanden, während zwischen Erstfeld und Biasca ab 2016/17 vier Geleise zur Verfügung stehen. Aber auch nach einem vierspurigen Ausbau fahren auf den Zulaufstrecken zusätzlich zu IC- und IR- sowie den Güterzügen einige S-Bahn-Züge, die es zwischen Erstfeld und Biasca weder im Basistunnel noch auf den Bergstrecken geben wird. Mit andern Worten: Zwischen Erstfeld und Biasca werden auch zukünftig überzählige Trassen vorhanden sein, die mit einer Rola sinnvoll genutzt werden können.
Zürich / Bern, 15.2.2011