Der Bundesrat vollzieht einen klima- und umweltpolitischen Rückschritt. Er verschiebt die beschlossene Erhöhung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) für Lastwagen mit Euro-Norm IV und V vom 1. Januar 2021 auf 1. Juli 2021. Damit gibt er dem Druck einer parlamentarischen Motion nach. Angesichts des deutlich verpassten Verlagerungsziels von 650’000 Lastwagen durch die Schweizer Alpen darf das Steuerinstrument LSVA aber nicht geschwächt werden. Zumal die Lastwagenbranche der Öffentlichkeit nicht bezahlte externe Umweltkosten von jährlich 1,3 Milliarden Franken schuldig bleibt.
«Dass der Bundesrat der Logistikbranche jetzt Zugeständnisse bei der LSVA macht, ist widersprüchlich», erläutert Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative. «Denn aktuell ist sie nachweislich viel zu günstig.» Deswegen steht auch die Revision der LSVA an. «Die Lastwagenlobby soll ihr Geschäft nicht auf Kosten der Allgemeinheit bestreiten können.»
Im November 2019 hat der Bundesrat anlässlich des Verlagerungsberichts beschlossen, die Abgaben für die Lastwagen der Abgasklassen Euro IV (neu entwickelte Nutzfahrzeuge ab 2006) und V (ab 2009) per 1. Januar 2021 anzupassen. Mit gutem Grund, wie er festhielt. Denn ohne diese Anpassung würde der gewichtete Durchschnitt der LSVA von 293 Franken für eine Fahrt durch die Schweiz (2018) auf nurmehr 275 Franken im Jahr 2024 fallen. Der Grund: Die Lastwagenbranche hat ihre Fuhrparks zu mindestens 60 Prozent erneuert und fällt damit vermehrt in die Tiefpreis- Abgabestufe Euro VI.
Gleichzeitig besteht ein klarer Verfassungsauftrag: Der Bund muss den Maximalwert von 650’000 Lastwagenbewegungen pro Jahr durch die Alpen durchsetzen. Dieser Wert ist noch längst nicht erreicht. «Der Bundesrat müsste sich von Gesetzes wegen dazu verpflichtet fühlen, den maximalen Abgaberahmen von durchschnittlich 325 Franken pro Fahrt durch die Schweiz auszureizen», bekräftigt Jon Pult. «Abgabeermässigungen sind angesichts dieses Handlungsbedarfs ein falsches Zeichen.»
Vor diesem Hintergrund ist es bedenklich, dass der Bundesrat mit einer höheren Bepreisung der Euro-IV- und Euro-V-Lastwagen respektive deren Abklassierung in eine höhere Abgabekategorie bis 1. Juli 2021 zuwarten will. Die Alpen-Initiative hat kein Verständnis dafür, dass die LSVA geschwächt wird. Diese ist nicht nur Steuerungselement für die Verlagerung des Güterverkehrs von der Strasse auf die Schiene und essenziell für mehr Kostenwahrheit im Güterverkehr. Sie dient auch der Infrastrukturerhaltung. Ein Drittel geht an die Kantone zum Ausgleich der von ihnen getragenen ungedeckten Kosten im Strassenverkehr und zwei Drittel dienen dem Bund zur Finanzierung der Bahninfrastruktur.
LSVA-Preiszerfall trotz unbezahlter Kosten
Die Alpen-Initiative warnt ausdrücklich davor, den Interessen der Lastwagenlobby kurzsichtig aufzusitzen. Mit dem Abschluss der NEAT ist ein Hochleistungskorridor für den Güterverkehr durch die Schweiz geschaffen. Das ist ein zusätzliches Argument für eine beschleunigte Verlagerung. Umso absurder ist dieses Entgegenkommen angesichts der 1,3 Milliarden Franken an externen Kosten, die der Strassengüterverkehr jährlich zulasten der Gesellschaft verursacht, bezogen auf Klimaentwicklung, Unfälle, Lufthygiene und so weiter. Dieser vom Bundesamt für Raumentwicklung ARE erhobene Tatbestand ist mit ein Grund, weshalb bei der geplanten Revision der LSVA die vollständige Kostenwahrheit auf der Strasse und damit Chancengleichheit für die Schiene hergestellt werden muss. Alle direkten und indirekten Kosten, die das Transportgeschäft nach sich zieht, sollen auch von den Verursachern bezahlt werden.