Die Alpenregionen verlangen die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Es braucht auch das klare Bekenntnis der Schweiz zu dieser Politik. Die zweite Röhre am Gotthard steht quer in der Landschaft.
Tiroler Verkehrsministerin Ingrid Felipe. Foto: zvg Land Tirol
mh. An einigen Wochenenden im Sommer, von Dutzenden asiatischer Touristen umzingelt, steht ein älteres Ehepaar auf der Plattform des Pilatus und spielt Alphorn. Zugleich Musikinstrument und Kommunikationsmittel ist das Alphorn ein weltweit bekanntes Symbol für die Alpen. Es beweist, gleich wie Höhenfeuer und Jodeln, dass die Verständigung in den Bergen nicht einfach ist. Umso höher ist es einzuschätzen, dass die Alpenregionen in verschiedenen Projekten zusammenarbeiten und mit einer Stimme sprechen.
So wird das Projekt «iMonitraf!» zum Beispiel definitiv weitergeführt. Es ist ein ursprünglich von der EU mitfinanziertes Projekt der Transitregionen im Alpenraum. «Wir freuen uns sehr, dass wir uns mit unseren Partnern einigen konnten. Den Alpenregionen ist bewusst, dass der Transitverkehr gemeinsam angegangen werden muss und dass wir mit Nachdruck eine Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Schiene einfordern müssen», sagt Niklas Joos-Widmer vom Amt für Umweltschutz des Kantons Uri.
Auch in Tirol, seit Jahren Allianzpartner der Schweiz im Kampf gegen den Transitverkehr, hat sich in den letzten Monaten einiges getan. Nach den Wahlen Ende April hat sich eine Koalitionsregierung zwischen der ÖVP und den Grünen geformt. Mit Ingrid Felipe ist erstmals eine Grüne Verkehrsministerin im Tirol. Sie sagt: «Die Stärkung der Schiene und die Entlastung der Menschen, die an den Autobahnen wohnen, müssen Hand in Hand gehen. Mit der Ratifizierung des Verkehrsprotokolls der Alpenkonvention durch die EU-Kommission haben wir als Kämpferinnen und Kämpfer gegen den LKW-Transit eine neue Grundlage für unsere Verhandlungen mit der EU. Ziel ist und bleibt, dass die Gesundheit der Menschen in den sensiblen Alpenregionen endlich vorrangig behandelt und nicht immer ausschliesslich der freie Warenverkehr bevorzugt wird.»
Das von Ingrid Felipe erwähnte «Ja» des Rats der Europäischen Union, unterstützt vom EU-Parlament, zum Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention im Juni 2013 ist erfreulich. Die Alpenkonvention ist ein völkerrechtlicher Vertrag zwischen Deutschland, Frankreich, Italien, Liechtenstein, Monaco, Österreich, Schweiz, Slowenien und der EU. Das dazugehörige Verkehrsprotokoll wurde im Jahr 2000 auch von der Schweiz mitunterzeichnet, aber bis heute hat es das Parlament – als einziges Land – nicht ratifiziert.
Viel schlimmer als dieses Versäumnis wirkt sich aus, dass der Bundesrat mit der zweiten Gotthardröhre die Voraussetzungen für eine Verdoppelung der Kapazität auf der Strasse schaffen will. Anlässlich der Vernehmlassung zur zweiten Röhre schreiben beispielsweise die Mitglieder des Europaparlaments der Grünen Partei: «Dass die Schweiz auf einem derart wichtigen europäischen Korridor so massiv in die Strasse investieren möchte, könnte einen grossen negativen Einfluss auf die Forderung nach mehr Verlagerung in Europa haben.»
Verheerend war auch die jüngste Tagung der Verkehrsminister der Alpenstaaten in Berchtesgaden (D). Ausser Absichtserklärungen und weiterer Prüfung von Massnahmen ist nichts beschlossen worden. Das zeigt, wie schwer es die direkt betroffenen Alpenregionen bei den Verkehrsministerien ihrer jeweiligen Staaten haben. Die Probleme der Bergregionen werden in den Hauptstädten einfach vor sich hergeschoben.