Fabio Pedrina, Nationalrat und Präsident der Alpen-Initiative
Als Ergänzung des Instrumentariums zur Verlagerung des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Scheine schlägt die Alpen-Initiative die Schaffung einer Alpentransitbörse vor. Über sie soll eine zum voraus fixierte Zahl von Alpentransitrechten versteigert werden. Damit kann die von Verfassung und Gesetz geforderte Reduktion des Schwerverkehrs mit marktwirtschaftlichen Mitteln effizient und diskriminierungsfrei erreicht werden. Als Ergänzung zum Dosierungsregime hilft die Alpentransitbörse mit, Staus zu vermeiden und damit Stauräume überflüssig zu machen.
Der Vorschlag Der Vorschlag einer Alpentransitbörse fügt sich als Ergänzung in die bisherige Umsetzungsstrategie ein. Sie nimmt quasi den Platz des Zuschlags für sensible Regionen ein, welche die EU-Kommission in ihrem Weissbuch vorschlägt. Die einzelne LKW-Fahrt dürfte durch sie insgesamt kaum teurer werden, da gleichzeitig die Kosten der sinnlosen Wartezeiten und die Unsicherheiten bezüglich Transportzeit auf der Strasse eingespart werden können, die sich aus dem von der EU akzeptierten Dosierungssystem ergeben haben. Die Alpentransitbörse ist ein marktwirtschaftliches Instrument, überlässt aber nicht das verkehrspolitische Ziel den Marktkräften, sondern den für die Erreichung dieses Ziels nötigen Preis des Strassentransports. Sie stellt eine Mengensteuerung mit ersteigerbaren Fahrleistungslizenzen dar. Die ökologische Zielvorgabe soll mit den geringsten volkswirtschaftlichen Kosten erreicht werden. Unser Vorschlag sieht wie folgt aus:Es wird ein Plafond von erlaubten alpenquerenden LKW-Fahrten festgelegt. Dieser Plafond kann stufenweise (z.B. in jährlichen Schritten) von der heutigen Dosierungslimite auf das Niveau des Verlagerungsziels gesenkt werden.
Die Zahl der erlaubten Fahrten ist auf die verschiedenen Übergänge und die Werktage zu verteilen. Dabei sind Kriterien wie die Sicherheit für alle Strassenbenutzer, Verlässlichkeit der Alpentransitachsen und Gesundheit der betroffenen Bevölkerung als Massstab zu nehmen.
Schliesslich sind die vorhandenen Alpentransitrechte jeweils einige Zeit zum voraus zu versteigern, also z.B. heute für die Fahrten vom 22. Mai. Allenfalls ist eine Aufteilung in längerfristig planbare Slots (z.B. drei Monate oder mehr) und kurzfristig erwerbbare Express-Slots vorzunehmen. Denkbar ist auch die Schaffung von Teilmärkten für Import-, Export-, Binnen- und Transitverkehr, wobei die Alpentransitrechte anfänglich etwa proportional zu den heutigen Verkehrsanteilen auf diese Kategorien verteilt würden. Damit wäre Diskriminierungsfreiheit unter Beachtung der inländischen Bedürfnisse gewährleistet.
Für die Versteigerung ist eine internetgestützte Alpentransitbörse einzurichten, die weitgehend automatisch funktionieren kann. Vorbilder für Internet-Börsen sind vorhanden (siehe z.B. http://www.yiipie.de). Die Bezahlung kann selbstverständlich ebenfalls elektronisch erfolgen. Als Beleg für die ersteigerten Slots könnte z.B. eine verschlüsselte Meldung gesendet werden, die mit einer Chipkarte in die LSVA-On-Board-Unit eingelesen werden kann.
Mit einem geeigneten System, das wenn möglich auf der Technik zur Erhebung der LSVA aufgebaut werden soll, ist die Kontrolle zu gewährleisten.
Die Vorteile einer AlpentransitbörseDurch die Versteigerung wird sich ein Preis ergeben, der sich zusammen mit den übrigen Transportkosten (Fahrzeug, Personal, Treibstoff, Strassengebühren etc.) auf einen Gesamtpreis in der Nähe des Bahntransportpreises summieren wird. Je höher die LSVA (ab 2005) und je günstiger die Bahnfahrt (ab Eröffnung NEAT) ist, desto tiefer sollte der Preis für ein Slot werden.
Der Erlös der Alpentransitbörse kann im Rahmen der flankierenden Massnahmen für die Qualitätsverbesserung des Bahnangebots oder evt. für die beschleunigte Realisierung der Lärmschutzmassnahmen entlang den Transitrouten (Bahn und Strasse) verwendet werden.
Mit einem solchen Verkehrsmanagement lassen sich die Staus vor den Dosierungsstellen weitgehend vermeiden. LKW und Fahrer brauchen nicht mehr stundenlang zu warten, sie können ihre Fahrt besser planen.
Die Transportunternehmen werden sich bemühen, nicht leer zu fahren. Sinnlose Transporte werden grossenteils eliminiert.
Da die Menge der Slots und der Preis langfristig bekannt bzw. einschätzbar sind, entsteht ein starker Anreiz zur langfristigen Umdisponierung der Logistik. Die Bahn müsste dann nicht mittels einer Rola kurzfristiges Überlaufventil spielen, sondern könnte ihre wahren Stärken im Kombiverkehr und im Wagenladungsverkehr zur Geltung bringen.
Zur Verhinderung einer Diskriminierung der Alpenkantone und der Südschweizkönnten die Slotpreise auch kilometerabhängig definiert werden. So wäre für eine Transitfahrt der Slot-Preis (ca. 200 km befahrene Strecke innerhalb des Alpengebiets) der volle Preis zu berechnen, für eine Fahrt von Bellinzona nach Altdorf oder von Faido nach Brunnen weniger (entsprechend der geringeren Kilometerzahl innerhalb des Alpengebiets).
Das System der Alpentransitbörse kann problemlos auf den ganzen Alpenbogen ausgedehnt werden. Sinnvollerweise ist dies auch anzustreben, um Umwegverkehre zu vermeiden. Die Idee könnte auch in die Diskussion um die Ablösung der österreichischen Ökopunkteregelung einbezogen werden.
Leider wurde die Alpentransitbörse voreilig als unvereinbar mit dem Landverkehrsabkommen bezeichnet. Bei näherer Betrachtung erweist sie sich aber als effiziente und mit marktkonformen Mitteln operierende Ergänzung zur Dosierung. Es geht nun darum, der EU und den Nachbarstaaten nach dem Drama im Gotthardtunnel beizubringen, dass der Alpentransit auf der Strasse ohne eine drastische mengenmässige Reduktion der Fahrten (alpenweit heute mehr als 25‘000 pro Tag), eines Tages vollständig zusammenbrechen könnte, sei es, weil der Verkehr an sich selber erstickt oder am Widerstand der ansässigen Bevölkerung scheitert. Der Vorschlag ist in allgemeiner Form im Nationalrat bereits als Postulat deponiert (Postulat Pedrina, 01.3773, Mehr Nachdruck in der Regulierung des Alpentransitverkehrs und in der Verlagerung der Güter von der Strasse auf die Bahn). Anhang: Der verkehrspolitische Rahmen Am 12. September 1994, ein halbes Jahr nach dem ja des Volkes zur Alpen-Initiative, hat der Bundesrat eine Erklärung zur Umsetzung von Absatz 1 und 2 des Alpenschutzartikels beschlossen. Darin wird ein dreifaches Nichtdiskriminierungsprinzip festgehalten:Alle Pässe (Gotthard, San Bernardino, Simplon und Gr. St. Bernhard),
alle Verkehrsarten (Transit, Import, Export und Binneverkehr) und
alle Regionen sollen gleich behandelt werden.
Bezüglich Regionen wurde ausgeführt, dass den Bedürfnissen des lokalen Verkehrs und den besonderen geographischen Verhältnissen Beachtung zu schenken sein. „Allfällige Benachteiligungen der Regionen werden mit geeigneten Kompensationsmitteln ausgeglichen.“ Als Umsetzungsinstrumente werdendie leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA),
die Förderung des kombinierten Verkehrs und
eine Lenkungsabgabe für die Benützung der Transitachsen vorgesehen.
Zum letzten Punkt schrieb der Bundesrat damals: „Zur Erzielung einer genügenden Umlagerung muss das Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen Schiene und Strasse angeglichen werden. Weitere marktwirtschaftliche Instrumente, wie handelbare Kontingente, werden vertieft geprüft.“ Im Beschluss vom 24. April 1996 bekräftige der Bundesrat diese Strategie und ergänzte, dass er im Rahmen der bilateralen Verhandlungen mit der EU „eine harmonisierte Politik für den Alpenraum“ anstreben wolle. Das Landverkehrsabkommen wurde abgeschlossen „in dem Wunsch, eine abgestimmte Verkehrspolitik zu entwickeln, die den Anliegen von Umweltschutz und Effizienz der Verkehrssysteme insbesondere im Alpenraum Rechnung trägt und die Nutzung umweltfreundlicherer Güter- und Personenverkehrsmittel fördert“ und „in dem Wunsch, einen gesunden Wettbewerb zwischen den Verkehrsträgern zu gewährleisten, wobei berücksichtigt werden muss, dass die unterschiedlichen Verkehrsträger die von ihnen verursachten Kosten decken müssen“ (Präambel). Als Grundsätze wurden die Gegenseitigkeit, die freie Wahl des Verkehrsträgers und die Nichtdiskriminierung festgeschrieben (Artikel 1 Absatz 2 und 3) Faktisch begrenzt das Abkommen die Abgaben auf das Niveau, das für die LSVA beschlossen worden ist. Gleichzeitig fordert das Abkommen aber auch, dass Massnahmen wie Gebührenerhebung und Kontrollen so angewendet werden, „dass sie den freien Güter- und Dienstleistungsverkehr zwischen den Vertragspartnern nicht behindern“ (Art. 38 Abs. 4). Mit dem Verkehrsverlagerungsgesetz wurden einerseits das Ziel der Verlagerungspolitik (Reduktion auf 650’000 alpenquerende LKW-Fahrten pro Jahr) und das Zwischenziel (Stabi-lisierung auf dem Niveau des Jahres 2000 in den ersten zwei Jahren) definiert, anderseits die Massnahmenpalette erweitert bzw. konkretisiert. Für den Eisenbahngüterverkehr wurde einen finanzielle Unterstützung von 2,85 Milliarden Franken über 11 Jahre zur Verfügung gestellt, und strassenseits eine Intensivierung der Schwerverkehrskontrollen beschlossen. Das EU-Weissbuch vom letzten September (Die europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft) schlägt einen Rahmen für die gemeinschaftliche Verkehrspolitik vor, in der auch die aktuelle Schweizer Güterverkehrspolitik Platz hätte. Zusätzlich ermöglicht sie für sensible Regionen Zuschläge auf den Strassenbenützungsgebühren. In der Zürcher Erklärung der Verkehrsminister Deutschlands, Österreichs, Frankreichs, Italiens und der Schweiz, beschlossen am 30. November 2001 in Anwesenheit der Präsidentin des EU-Verkehrsministerrates und der Vizepräsidentin der EU-Kommission (Verkehrskommissarin), wurden Dosierungsmassnahmen wie alternierender Einbahnverkehr, Geschwindigkeitsbegrenzungen und Verkehrslenkungsmassnahmen, wie sie auf den alpenquerenden Routen seit Dezember angewendet werden, grundsätzlich akzeptiert.