Sieben von acht Vertragsstaaten der Alpenkonvention[1] haben heute in Brig VS einen fortschrittlichen Aktionsplan zur klimaneutralen Mobilität bis 2050 unterzeichnet. Die Alpen-Initiative hat an der fast zweijährigen Erarbeitung des Aktionsplanes für die «Simplon-Allianz» mit Vorschlägen beigetragen. CIPRA International und die Alpen-Initiative fordern, dass die Allianz mehr als nur ein Lippenbekenntnis bleibt.
Heute wurde in Brig die «Simplon-Allianz» ins Leben gerufen, ein von den Umwelt- und Verkehrsministerien der Alpenländer unterzeichneter Aktionsplan. Dass die Probleme vielfältig sind, zeigt allein die Tatsache, dass «der Verkehr einer der grössten Treibhausgasemittenten im Alpenraum ist, mit fast 30% aller Treibhausgasemissionen», wie darin einleitend festgehalten wird. Das in Brig unterzeichnete Dokument verfolgt das Ziel, «die Mobilität im Alpenraum bis 2050 klimaneutral und klimaresilient zu gestalten».
Wie anspruchsvoll das zu erreichen ist, zeigt der umfangreiche Massnahmenkatalog, der die Bereiche Gütertransitverkehr, Personenverkehr und Freizeitmobilität umfasst und sich zum Leitspruch «vermeiden – verlagern – verbessern» bekennt. In Bezug auf die Verkehrsvermeidung wird auf Anreize und Bildung, das heisst auf die Freiwilligkeit der Verkehrsteilnehmenden gesetzt.
Güterverkehr: Mehr Lastwagen auf die Schiene
Bei der Verkehrsverlagerung steht der alpenquerende Gütertransitverkehr im Vordergrund. Hier sticht das Bekenntnis zur Vermeidung von Lastwagen-Leerfahrten hervor. Das ursprünglich angedachte gemeinsame Kapazitätsmanagement auf den Alpentransitkorridoren wurde aber zur «gemeinsamen Koordination»abgeschwächt. Es fehlt somit ein wichtiges Instrument zur Kapazitätsbegrenzung der alpenquerenden Lastwagen. Zudem fehlt ein klares Bekenntnis zur möglichst vollständigen Internalisierung der externen Kosten des Strassengüterverkehrs bei der Ausgestaltung der EU-Wegekostenrichtlinie in den Ländern. Weiterhin wäre eine Zusicherung wünschenswert gewesen, dass regionale Sondermaut-Aufschläge einzelner Länder nicht von anderen alpinen Korridor-Staaten blockiert werden.
Personenverkehr: Pendler zum Umsteigen bewegen
Der öffentliche Verkehr auf Strasse und Schiene soll dekarbonisiert und der Langsamverkehr gefördert werden. Um die riesigen, oft überbordenden Ströme von Pendlerinnen und Pendlern der Haupttäler der Alpenregionen weg von den Autobahnen zu bringen, soll ein grenzüberschreitend nutzbares, flexibel einsetzbares ÖV-Ticket mit alpenweiter Gültigkeit geschaffen werden. Für ein solches «AlpTick» setzt sich seit sechs Jahren der CIPRA Jugendbeirat ein. Er forderte in Brig an der gleichentags stattfindenden XVII. Alpenkonferenz der Alpenkonvention bei den Ländervertretungen die konkrete Unterstützung seines Anliegens ein.
Freizeitmobilität: Ferien ohne Stau
Um den kilometerlangen Verkehrsstaus mächtig zu werden, die in jeder Sommer- und Wintersaison von neuem die Alpenautobahnen verstopfen und die ansässige Bevölkerung mit Lärm, Abgasen und Feinstaub belasten, verpflichten sich die Alpenländer zu einem umfassenden Set von Fördermassnahmen. Die Tourismusdestinationen sollen besser mit dem ÖV erschlossen, die klimaneutrale Anreise in Verbindung mit touristischen Komplettangeboten ermöglicht und gefördert sowie vor Ort die Velo- und Fussgängerangebote mit regionalen Masterplänen und Investitionsprogrammen gestärkt werden.
Verbindlichkeit der Simplon-Allianz fehlt
Die Alpen-Initiative hat mit konkreten Vorschlägen an der fast zweijährigen Erarbeitung des Aktionsplanes für die Simplon-Allianz beigetragen. Geschäftsleiter Django Betschart blickt mit gemischten Gefühlen auf das Endprodukt: «Die Massnahmen sind beeindruckend zeitgemäss. Damit sie unterschriftsreif wurden, hat man sie allerdings sehr schwammig formuliert. Zwei von uns geforderte Eckpfeiler fehlen ganz: Das alpenweite Bekenntnis zu einem Verbot der Gefahrenguttransporte auf den wichtigsten Alpenübergängen. Dies gibt es erst auf gewissen Pässen in der Schweiz. Und eienn Umsetzungsplan mit klaren Aufgabenzuweisungen und Etappenzielen. Beides gilt es weiter einzufordern – damit das Leben in den Alpen nicht im Stau erstickt.»
[1] Deutschland, Frankreich, Liechtenstein, Monaco, Schweiz, Slowenien, Österreich. Italiens Unterschrift steht aufgrund der neu gewählten Regierung derzeit noch aus. (Stand: 27.10.2022)
Alpenkonvention und «Zürich Prozess»
Die Alpenkonvention gibt es seit 1991. Es handelt sich um das weltweit erste internationale Abkommen zum Schutz einer Bergregion. Die Schweiz hat die Konvention 1999 ratifiziert, und das UVEK setzt die Alpenkonvention gemeinsam mit den Umweltministerien der Partnerländer um und entwickelt sie weiter.
Der «Zürich-Prozess» geht auf die Brandkatastrophe von 2001 im Gotthard-Strassentunnel sowie die schweren Unfälle im österreichischen Tauern- sowie im französischen Mont Blanc-Tunnel zurück. Die Verkehrsministerinnen und -minister der Alpenländer trafen sich im Nachgang daran auf Initiative der Schweiz in Zürich mit dem Ziel, den Verkehr durch die Alpen sicherer zu machen und die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene zu stärken.