Am «Alpengipfel» von Bayern, Südtirol und Tirol haben die Länderchefs eine Absichtserklärung unterschrieben, ein Slot-System für Lastwagen auf der Brennerroute einzuführen. Ein Wunsch, den das Tirol schon lange hegt, denn die Lastwagenfahrten am Brenner stiegen in den letzten 20 Jahren von 1,1 Millionen auf 2,5 Millionen Fahrten jährlich stark an.
Mit der unterzeichneten Absichtserklärung könnte der Grundstein für das erste Slot-System in Europa gelegt sein. Das Tirol setzt schon seit längerem auf Blockabfertigungen und Fahrverbote auf Landstrassen während den verkehrsintensiven Zeiten im Sommer und Winter, um die Anwohnenden vor Lärm, Schadstoffen und Stau zu schützen. Diese Massnahmen verärgern die beiden Nachbarsregionen Bayern und Südtirol, weil sich dadurch auf ihren Strassen der Verkehr staut und die Lastwagen und Autos auf die Nebenstrassen durch die Dörfer ausweichen. Mit der Absichtserklärung zu einem Slot-System haben die drei Regionen nun einen gemeinsamen Nenner gefunden, wie sie mit der stetig steigenden Anzahl Lastwagen umgehen wollen. Aus rechtlicher Sicht gibt es gegen ein Slot-System nichts einzuwenden, sofern die drei Länder Deutschland, Italien und Österreich gemeinsam einen Staatsvertrag unterzeichnen. Bis auf Österreich hat sich aber noch keine Regierung für ein Slot-System ausgesprochen. In Deutschland wird das Slot-System von der FDP torpediert, weil diese die Warenverkehrsfreiheit gefährdet sieht und keine Blockabfertigung will.
Die Blockabfertigung ist ein Dosiersystem, um den Verkehr zu reduzieren. Es kann für den Gesamtverkehr oder wie am Brenner nur für bestimmte Fahrzeuge gelten. Im Fall Brenner dürfen pro Stunde höchstens 250 Lastwagen über 7,5 Tonnen passieren. Ist der Wert erreicht, müssen alle weiteren Lastwagen bis zum nächsten Block warten. Deutschlands Grüne wollen das Verkehrsaufkommen allgemein reduzieren, was ihrer Meinung nach nicht über ein Slot-System möglich ist. Auch in Italien hat man nicht nur Musikgehör für die angestrebte Lösung. Italiens Regierung will einen Vertrag nur unterzeichnen, wenn das Tirol verspricht, auf die Blockabfertigung zu verzichten.
Das «Slot-System»
Durch die Einführung eines «Slot-Systems» sollen Lastwagenfahrten buchbar gemacht werden. Pro Tag steht eine bestimmte Anzahl Slots, sprich Termine, zur Verfügung. Diese müssen von denSpeditionen für ihre Lastwagen-Gütertransporte im Vorfeld gebucht werden. Im Falle der Brennerroute wäre dies von Rosenheim (D) bis nach Trient (I). Das System soll die Verkehrsströme entzerren beziehungsweise besser verteilen. Wenn die Kapazitätsgrenze erreicht ist, müssen die Güter entweder auf der Schiene transportiert werden oder es muss auf einen anderen Tag ausgewichen werden. So würden die Anwohnenden und die Umwelt von den negativen Auswirkungen des Schwerverkehrs wie Lärm, Schadstoffe und Staus entlastet. Für eine mögliche Regelung des Slot-Systems können sich die drei Staaten von der Slot-Regelung an Häfen und Terminals inspirieren lassen.
Eine Idee für die Schweiz am Gotthard und San Bernardino?
In letzter Zeit kam die Forderung auf, mit der Fertigstellung der 2. Röhre den Gotthard-Strassentunnel vierspurig zu betreiben. Dieser Angriff auf den Alpenschutz löst das Problem der Verkehrslawine jedoch nicht, denn mehr Strassen führen automatisch zu mehr Verkehr. Ein Slot-System für Güter- und Personenverkehr könnte also auch am Gotthard und San Bernardino dazu beitragen den Verkehr zu Spitzenzeiten zu brechen und zu verflüssigen. Mit der Urner Standesinitiative ist ein erster Grundstein gelegt, damit auch in der Schweiz ein Slot-System eingeführt werden kann. Solange die Buchung kostenlos bleibt, ist die Idee eines Slot-Systems auch aus rechtlicher Sicht problemlos umsetzbar.
Vorbeugen von Ausweichverkehr
Für die Alpen-Initiative ist klar, wenn ein Slot-System kommt, dann muss dieses zwingend von flankierenden Massnahmen begleitet werden. Die Wirkung des Slot-Systems kann nur vollständig greifen, wenn mit griffiger Massnahmen verhindert wird, dass die Kantonsstrassen als Ausweichrouten genommen werden. Solche Massnahmen könnten beispielweise Fahrverbote für den Ausweichverkehr auf Kantons- und Gemeindestrassen sein, oder die Autobahnaus- und einfahrten nur für die anwohnende Bevölkerung zu öffnen. Mit effektiven flankierenden Massnahmen wird die Verlagerung von Güter- und Personenverkehr auf die Schiene wesentlich attraktiver, weil der Kosten- und Planungsaufwand für den Strassenverkehr steigt. Die Verkehrsteilnehmenden und Transportunternehmen können nicht mehr einfach losfahren, sondern müssen ihr Slot für die Alpenquerungen reservieren.
Künftige Alpentransitbörse?
Mit einem Slot-System am Brenner wäre der Grundstein gelegt für eine künftige und europaweite Alpentransitbörse (ATB). Das Lösungsinstrument, welches die Alpen-Initiative nun schon seit knapp 20 Jahren propagiert, um den europäischen alpenquerenden Güterverkehr auf die Schiene zu bringen. Bei der ATB werden von einem Staat eine begrenzte Anzahl an Transitrechten vergeben, die online gehandelt werden. Je grösser die Nachfrage, desto höher der Preis eines Transitrechts. So kann die Anzahl der Lastwagenfahrten schnell auf ein für Mensch und Umwelt tragbares Niveau reduziert werden. Die ATB ist eine Lösung, die nur länderübergreifend funktionieren kann. Nur so kann vermieden werden, dass Verkehrsteilnehmende Umwegrouten wählen und sich die Staus dadurch örtlichen verschieben. Nur so kann eine europaweite Verlagerung besonders des alpenquerenden Güterverkehrs auf die Schiene geschehen. Wie etliche Studien, unter anderem zwei des Bundesamts für Verkehr (BAV), gezeigt haben, ist eine Umsetzung der ATB sowohl ökonomisch und administrativ sowohl sinnvoll als auch mit dem Europarecht vereinbar. Für die Umsetzung bräuchte es jedoch einen Staatsvertrag zwischen den Alpenländern. Genau deshalb wäre ein Staatsvertrag über das Slot-System am Brenner wegweisend für eine künftige gemeinsame und europaweite Verlagerungspolitik in den Alpen.