18. April 2005

Echo Nr. 81
Aus technischer und betrieblicher Sicht ist die Alpentransitbörse machbar. Sie würde die vom Alpenschutzartikel geforderte Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene kosteneffizient und diskriminierungsfrei erreichen. Das bestätigt eine Studie, die der Bund in Auftrag gegeben hat.

aa. Der Expertenbericht hat zwei Systeme untersucht: ein blosses Reservationssystem («Slot-Management mit dynamischen Preisen») und eine echte Alpentransitbörse («Cap-and-trade»), wie sie die Alpen-Initiative vorgeschlagen hat. Nach Einschätzung der Fachleute sind beide Systeme umsetzbar. Das Reservationssystem käme nur an den wenigen Tagen zum Spielen, an denen die Strasse überlastet ist. Es trägt deshalb auch nichts zur Erreichung des Verlagerungsziels bei, sondern führt lediglich zu einer Vermeidung von Lastwagen-Staus. Demgegenüber lässt sich die Verlagerung mit dem Modell der Alpentransitbörse zielgenau ansteuern. Allerdings vermuten die Experten, dass für die Umsetzung der Alpentransitbörse eine Änderung des Landverkehrsabkommens mit der EU nötig sein könnte. Juristisch untersucht wurde diese Frage indes nicht. Die Gutachter raten aber dazu, die Alpentransitbörse möglichst gemeinsam mit den Nachbarländern einzuführen, um so Ausweichverkehr zu vermeiden. Die «Tickets», welche eine Alpenquerung mit dem Lastwagen erlauben, könnten entweder elektronisch übermittelt und ausgedruckt oder per Handy verschickt werden. Der Preis pro Ticket wird auf 130 Euro geschätzt, womit im Jahr 2009 Jahreseinnahmen von rund 90 Mio. Euro entstehen würden. Sie könnten für die Reduktion der negativen Auswirkungen des Schwerverkehrs oder für die Verbesserung des Eisenbahnangebots eingesetzt werden.

Lizenzen für Strassentransporte In diesem Punkt deckt sich der Bericht nicht mit der von der Alpen-Initiative bevorzugten Variante. Nach unserer Meinung könnte ein Konflikt mit dem Landverkehrsabkommen vermieden werden, wenn die Lizenzen für die Alpenquerung auf der Strasse gratis an die Benützer der Schiene verteilt würden: Wer x Tonnen Güter per Bahn transportiert, hat Anspruch auf eine Lizenz für einen Strassentransport. Diese Lizenz kann der Empfänger selber gebrauchen oder an der Börse verkaufen. Der Erlös aus dem Verkauf geht an die Unternehmen, nicht an den Staat. Der Staat profitiert insofern davon, als er sich damit die Subventionierung des Schienengüterverkehrs sparen kann. Die Studie, auf deren Resultate wir schon lange gewartet haben, ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Jetzt muss der Bundesrat grundsätzlich grünes Licht für die Umsetzung geben und die weiteren Vorarbeiten in Gang setzen. Im Rahmen der Botschaft über das Ausführungsgesetz zum Alpenschutzartikel, die er im Sommer in die Vernehmlassung schicken will, hat er Gelegenheit, sich dazu zu äussern.

Positive Stimmen Schon jetzt sind viele positive Stimmen im In- und Ausland zu vernehmen. Die Europarechts-Professorin Astrid Epiney, Freiburg, hält es für möglich, die Alpentransitbörse mit dem Kontingentierungsverbot des Landverkehrsabkommens zu vereinbaren, wenn man diese als «verhältnismässige und nicht-wirtschaftliche Massnahme» … betrachtet, «die durch öffentliche Interessen – etwa den Schutz der Umwelt sowie der Gesundheit – gerechtfertigt ist». Sie verweist dabei auf Artikel 28 des EG-Vertrags. SP und CSP haben sich schon anlässlich der Anhörung des Bundesrates zum Reservationssystem vor zwei Jahren für die Alpentransitbörse ausgesprochen. «Sinnvoller (als das Reservationssystem) wäre es, die Stauvermeidungsgewinne mit einer Alpentransitbörse abzuschöpfen.» SP-Nationalrat Andrea Hämmerle schrieb im Februar in einem Beitrag im Mediendienst seiner Partei: «Die SP fordert, dass weiterhin alle Massnahmen und finanziellen Mittel beschlossen und unterstützt werden, die für die Umsetzung einer nachhaltigen Verlagerungspolitik notwendig sind. Dazu gehört … auch die Realisierung der Alpentransitbörse.» Die LITRA, der Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr, fordert diese schon lange. Der Publizist und Schriftsteller Aurel Schmidt, ehemaliger Redaktor der «Basler Zeitung», hält die Alpentransitbörse für eine «gute Sache»: «Auf diese Weise könnten auch viele Leerfahrten und sinnlose Transporte (zum Beispiel von Mineralwasser) vermieden werden.» Richard Mergner, verkehrspolitischer Sprecher des deutschen Bundes Natur- und Umweltschutz (BUND) bezeichnet die Alpentransitbörse als «ein innovatives Instrument, um neben notwendigen ordnungsrechtlichen Vorschriften und der europaweit wegweisenden Schweizer LSVA, den Gütertransport auf der Straße zu verringern. Es sollte daher endlich getestet werden, damit Mensch und Natur entlaste(r)t werden.»