22. Februar 2001

Fabio Pedrina, Nationalrat und Präsident der Alpen-Initiative
Die Alpen-Initiative ist besorgt über die schleppende Umsetzung der Massnahmen zur Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Eine erste Beurteilung der Auswirkungen des neuen Verkehrsregimes mit erhöhter Gewichtslimite und LSVA bestätigt unsere grosse Sorgen über eine mögliche negative Entwicklungstendenz. Obwohl aus den Statistiken keine über die Erwartungen negative Daten erkennbar sind, geben diese auch nicht zu besonderem Optimismus Anlass, im Gegenteil. Deshalb verlangt die Alpeninitiative mehr Druck und einen effizienteren und breiteren Mitteleinsatz, um die Verlagerungseffekte zu verstärken und endlich der Lastwagenflut Einhalt zu bieten.

Ein unerwarteter Effekt der erhöhten Gewichtslimite und der Einführung der LSVA auf die Zahl der Lastwagenpassagen auf den Alpenübergängen ist – mindestens im Augenblick – nicht auszumachen. Das Wachstum hält sich im – leider bereits gewohnten – Rahmen. Dies haben unsere Vergleiche der Januar-Statistiken mit den entsprechenden Zahlen der Vorjahre ergeben. Für die Zukunft kann ein stärkerer Wachstumsschub aber aufgrund der heutigen Datenlage auch nicht ausgeschlossen werden. Einigermassen sichere Aussagen sind frühestens in einem halben Jahr machbar. Klar erkennbar ist aber bereits heute eine Tendenz zu grösseren Fahrzeugen, während die Zahl der kleineren Lastwagen stagniert. Daraus ergibt sich noch einmal eine Verstärkung der bereits in der Vergangenheit beobachtbaren Tendenz zur Konzentration der Verkehrsströme auf die für den Schwerverkehr bequemere Gotthardroute. Einen überdurchschnittlichen Zuwachs verzeichnet einzig der Grosse St. Bernhard (99/00: +43% und 00/01: +23%). Die höhere Gewichtslimite macht dessen Tunnel zur Ausweichroute für den gesperrten Mont-Blanc-Tunnel. SBB Cargo registrierte im Januar eine Verkehrszunahme, was wir als positives Zeichen werten, auch wenn möglicherweise das für die Bauwirtschaft günstige Wetter, Lothar und die allgemein günstige Wirtschaftslage ausschlaggebende Gründe für diese Entwicklung waren. Für die Erreichung des deklarierten Ziels des Verkehrsverlagerungsgesetzes, das in Art. 3 Abs. 4 „für die erste Zweijahresperiode … eine Stabilisierung des alpenquerenden Strassengüterverkehrs auf dem Stand des Jahres 2000“ verlangt, genügt dies aber nicht. Es sind vermehrte Anstrengungen nötig:Das beschlossen Verlagerungsinstrumentarium muss zügiger umgesetzt werden, und es soll vorsorglich ein zusätzliches Massnahmenpaket geschnürt werden, damit im Jahr 2002 rasch reagiert werden kann, falls die Lastwagenzahlen den Stabilisierungs-Zielwert sprengen. Betrachten wir einzelne Massnahmen, so verstärkt sich der Eindruck einer schleppenden Umsetzung:Schwerverkehrskontrollen: Geschwindigkeitskontrollen der Alpen-Initiative an 2000 Lastwagen im vergangenen Jahr haben die Bedeutung dieser Massnahme illustriert. 75% der kontrollierten Lastwagen fuhren zu schnell. Leider müssen wir feststellen, dass zwar eine grosse Anzahl der Kantone mit dem Bund Vereinbarungen für eine verstärkte Schwerverkehrskontrolle unterschrieben haben, aber eine bemerkenswerte Zunahme und eine lückenhafte Auslegung der Kontrolltätigkeit auf sich warten lässt. Die geplanten Kompetenzzentren zur Unterstützung dieser Tätigkeit sind noch nicht realisiert.
Mindestgeschwindigkeit: Der Schlussbericht der eingesetzten Arbeitsgruppe lässt aus sich warten. Falls das Ergebnis bezüglich der Machbarkeit negativ ist, wie wir erwarten, so wird der Bundesrat auf seine Entscheidung über die Mindestmotorisierung zurückkommen müssen. Denkbar ist für uns eine nur für die Strassen im Alpenraum geltende Vorschrift für eine stärkere Motorisierung.
RoLa am Lötschberg: Der Ausbau dieser Achse auf 4 Meter Eckhöhe ist noch immer nicht fertiggestellt, obwohl er im Bahnabkommen und im trilateralen Abkommen Deutschland – Schweiz – Italien (beide 1991) und im Transitvertrag von 1992 (Artikel 6) „bis Ende 1994 (je nach dem Fortgang der Arbeiten evtl. auch erst 1995)“ zugesichert worden ist. Seit Jahren warten wir vergebens auf einen lautstarken Protest aus dem Bundeshaus gegen die schleppende Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen durch Italien und die FS. Die Vergebung der 40-Tonnen-Kontingente an Italien hätte mindestens an die Erfüllung dieser Pflicht geknüpft werden sollen.
Sicherheit: Der Unfall im Gotthardtunnel mit drei Lastwagen vor vierzehn Tagen zeigt auf drastische Weise die Richtigkeit unserer Forderungen. Um die Sicherheit der AutofahrerInnen im Strassentunnel zu gewährleisten, sind die Lastwagen so schnell wie möglich aus dem Strassentunnel zu verbannen: durch Verlagerung auf die Schiene im Langstreckenverkehr und durch Errichtung einer rollenden Strasse zwischen Göschenen und Airolo, die wenigstens von den potentiell gefährlicheren Lastwagen obligatorisch benutzt werden muss. Zudem muss für Lastwagen im Gotthardtunnel ab sofort ein Minimalabstand von 300 m eingeführt werden.
Innovationen: Auch sie sollten zum Verlagerungsinstrumentarium gehören. Mit der französischen Entwicklung Modalohr steht eine neue Verladetechnik für RoLa und unbegleiteten Kombiverkehr zur Verfügung, die mit geringen Investitionen selbst am Gotthard den Transport von 4-Meter hohen Fahrzeugen erlauben würde. Wir fordern das Bundesamt für Verkehr, die SBB und die Hupac auf, sich sofort zu engagieren, um diese neue Technik für das Verlagerungsziel nutzbar zu machen.
LSVA: Immerhin registrieren wir mit Befriedigung, dass die LSVA seit dem 1. Januar problemlos funktioniert, wofür wir allen zuständigen Personen insbesondere bei der Zollverwaltung bestens danken möchten. Die LSVA wirkt so seit kurzem als Modell einer verursachergerechten Besteuerung des Schwerverkehrs in Europa.
Die ersten Jahren nach Inkraftsetzung des Landesverkehrsabkommens werden von entscheidender Bedeutung für den Erfolg der Verlagerungspolitik sein. Verlorene Zeit kann nur sehr schwer wieder aufgeholt werden. Deshalb verlangt die Alpeninitiative mehr Druck und einen effizienteren und breiteren Mitteleinsatz, um kurzfristig die Verlagerungseffekte zu verstärken und der Lastwagenflut endlich Einhalt zu bieten.