Engagiert in der Sache, klar in der Sprache: Präsident Jon Pult. Foto: Béatrice Devènes
Die nächsten Jahre sind entscheidend für den Alpenschutz und die Verlagerung der Güter auf die Schiene, sagt Jon Pult, Präsident der Alpen-Initiative. Die Arbeit geht uns also nicht aus. Im Gegenteil.
tob. Die NEAT ist eröffnet. Es gibt genügend Bahnkapazitäten für die Verlagerung des Güterverkehrs auf die Schiene. Braucht es die Alpen-Initiative noch?
Jon Pult: Wir haben jetzt die nötige Infrastruktur und drei verkehrspolitische Prioritäten: Verlagern, Verlagern, Verlagern. Dabei ist klar: Von alleine wechselt kaum ein Gütertransport auf die Schiene. Da Bundesrat und Parlament noch zu oft am Gängelband der Bau-, Strassen- und Lastwagenlobby hängen, spielt die Alpen-Initiative als Anwältin der Verlagerung eine Schlüsselrolle. Wir werden jetzt Druck aufbauen, um das Verlagerungsziel zu erreichen. Die Zeit ist reif.
Wie siehst du die Rolle der Alpen-Initiative?
Die Alpen-Initiative hat als Organisation einen Generationenwechsel erlebt. Neue Leute kamen und kommen an Bord. Im Vorstand, im Team in Altdorf und an unserer Basis erleben wir eine starke personelle Erneuerung. Wir entwickeln auch neue Arbeitsweisen. Um den erwähnten Druck für die Verlagerung aufzubauen, wollen wir nicht nur als kompetente Fachorganisation funktionieren, sondern auch in einer ständigen Kampagnenlogik denken. Wir werden immer Kampagne machen, nicht nur vor Abstimmungen. Darum hat unsere Geschäftsleitung auch einen Campaigner eingestellt, der viel Erfahrung und neues Wissen ins Team bringt.
« Die neue Herausforderung beim Verkehr und somit auch beim Alpenschutz ist die Klimafrage. » Jon Pult
Wie reagiert die Alpen-Initiative auf die Veränderungen in der Welt der Kommunikation und der Medienlandschaft?
Social Media ist in der Bedeutung enorm gewachsen, Facebook oder Twitter strahlen heute weiter aus als die Website. Auch unser Magazin «echo» wird inzwischen von diesen neuen Kanälen konkurrenziert. Die klassische Medienarbeit wird laufend angepasst. Wir entwickeln momentan viele neue Ideen, wollen zielgerichteter arbeiten und näher ans Bundeshaus rücken, um politische Änderungen früher zu erkennen und im Sinn des Alpenschutzes zu beeinflussen. Unsere politische Arbeit muss noch professioneller werden, denn die nächsten Jahre werden entscheidend sein für den Alpenschutz und die Verlagerung.
Inwiefern ist das Thema Verlagerung politisch überhaupt noch präsent?
Im Abstimmungskampf um die 2. Strassenröhre am Gotthard haben sich – oft scheinheilig – alle zur Verlagerung bekannt. Aber schon drei Tage nach der Abstimmung hat der Nationalrat einen Vorstoss überwiesen, der das Verlagerungsziel relativieren will. Das zeigt die Verlogenheit eines Teils der Politik. Gegen diese Verlogenheit gibt es nur ein wirksames Mittel: politische Kraft. Die Politik muss merken, dass die Bevölkerung auf unserer Seite ist und es mühsam ist, gegen unsere Ziele zu arbeiten. In diesem Sinne werden wir das Thema politisch neu lancieren. Mit wirksamem Lobbying in Bern und zugleich wirksamem Campaigning in der Öffentlichkeit.
Wo wird die Alpen-Initiative ansetzen?
Wir sind daran, einen ausführlichen Massnahmenkatalog zu entwickeln. Klar ist schon heute, dass innenpolitisch alle Mittel ausgeschöpft werden müssen. Die LSVA muss erhöht werden, allenfalls ist auch eine Alpentransitgebühr einzuführen. Aber auch die Sicherheit auf den Strassen muss ein Thema sein. Es braucht mehr Schwerverkehrskontrollen, damit auf Strasse und Schiene die gleichen Standards gelten. Zudem müssen auch die oft prekären Arbeitsbedingungen vieler Lastwagenfahrer thematisiert werden. Sicherheitsdumping und soziales Dumping dürfen nicht toleriert werden, im Interesse der betroffenen Angestellten, aber auch im Interesse der anderen Verkehrsteilnehmenden und der Menschen entlang der Transitachsen.
Welches sind die wichtigsten Etappen in nächster Zeit?
Im Dezember 2016 geht der Gotthard-Basistunnel in Betrieb. 2020 folgt der Ceneri-Basistunnel und etwa zeitgleich werden wir auch einen durchgehenden 4-Meter-Korridor auf der Gotthardachse haben. Die rund vier Jahre bis dahin sind unser Zeitfenster, um das Verlagerungsziel von nicht mehr als 650’000 alpenquerenden Lastwagenfahrten zu erreichen. Das ist nicht utopisch! Heute liegen wir bei knapp einer Million, der Bund geht davon aus, dass dank der leistungsfähigen NEAT rund 200’000 weitere Lastwagenfahrten verlagert werden. Mit zusätzlichen politischen und technischen Massnahmen können wir dann weitere 150’000 Fahrten auf die Schiene bringen. Das ist zu schaffen, dann sind wir am Ziel.
Es wird oft argumentiert, die Lastwagen seien heute viel sauberer als 1994, es brauche deshalb keine Verlagerung mehr.
Sauberer? Das stimmt nur partiell beim Stickoxid und Feinstaub. Aber beim CO2-Ausstoss sind keine Fortschritte erkennbar. Ein Lastwagen stösst heute noch gleich viel CO2 aus wie vor 30 Jahren. Die neue und zusätzliche Herausforderung beim Verkehr und somit auch beim Alpenschutz ist die Klimafrage. Darum fordern wir CO2-Grenzwerte für Lastwagen. Zudem sind die ultrakleinen Feinstäube (PM 2.5) bisher weder richtig erforscht, noch ist dafür ein Grenzwert definiert. Fachleute gehen davon aus, dass sie noch viel schädlicher sind als angenommen. Dass die Atemwegserkrankungen im stark belasteten Tessin weit über dem Durchschnitt liegen, spricht Bände.
Du bist also voll motiviert, dich weiterhin für den Alpenschutz einzusetzen?
Ja, das bin ich und das Team der Alpen-Initiative ist es ebenso. Für mich ist klar: Unsere Mission steht auf der Höhe der Zeit. Millionen Transitlastwagen schaden den Alpen und ihren Bewohnerinnen und Bewohnern, aber auch den Menschen entlang der grossen Verkehrsachsen. Sich für die Verlagerung einzusetzen, bleibt eine wichtige und edle Aufgabe. Unsere Motivation ist ungebrochen!