16. November 2017

Wasser von den Fidschi-Inseln importieren – das ist ein beispielhafter Unsinn. Vorbildlich handelt, wer Lebensmittel in der Region bezieht. So urteilten die 4500 Personen, die über die Preise «Teufelsstein» und «Bergkristall» abgestimmt haben. Unser Konsumverhalten kann vieles verändern.

Es macht einen grossen Unterschied, ob man Leitungswasser trinkt oder ein Wässerlein konsumiert, das über 22’000 Kilometer weit transportiert worden ist wie «Fiji» von den Fidschi-Inseln im Südpazifik. Den Unterschied macht nicht der Geschmack des Wassers aus, sondern der Umstand, dass der Transport einer Flasche «Fiji»-Wasser 12’000 Mal mehr CO2 verursacht als dieselbe Menge Leitungswasser. Dass die Fidschi-Inseln durch den Anstieg des Meeresspiegels direkt von der Klimaerwärmung bedroht sind, macht den Konsum dieses Wassers in der Schweiz besonders absurd.

Mehr als 70 Prozent der Abstimmenden wählten denn auch «Fiji» als absurdesten Transport. Nominiert für den «Teufelsstein» waren zwei weitere Produkte: der von Emmi in Deutschland mit Schweizer Milch hergestellte «Caffè Latte Extra Shot» und der Hirschpfeffer von Migros mit Hirsch aus Neuseeland. Erst seit einigen Monaten verkaufen Läden wie Manor oder Globus das «Fiji»-Wasser. Dies führte zu einer starken Zunahme der Importe. Ein Beispiel unter vielen. Kein Wunder rechnet die OECD mit einer Zunahme des CO2-Ausstosses beim weltweiten Güterverkehr um 160 Prozent bis 2050.

«Fiji» wird von der Zürcher Firma Trivarga AG importiert. Sie hatte keine Freude am «Teufelsstein» und niemand wollte ihn persönlich entgegennehmen. Die Aktivistinnen und Aktivisten der Alpen-Initiative liessen es sich aber nicht nehmen, den Stein vor dem Haus der Firma zu deponieren. «Wir wollen die Konsumentinnen und Konsumenten dafür sensibilisieren, auch auf die oft sehr langen Wege zu schauen, welche die Produkte bis in unsere Verkaufsregale zurückgelegt haben», sagte Jon Pult bei der Übergabe in Zürich.

Sinnvoll regional
Ein ganz anderes Konzept als die «Fiji»-Importeure verfolgt die Stadt Lausanne. Sie erhielt den «Bergkristall», den Preis für innovative Ideen, Transportwege zu verkürzen oder möglichst ökologisch zu bewältigen. «Es ist für uns eine Freude und macht uns stolz, einen solchen Preis zu erhalten», sagte Stadträtin Natacha Litzistorf, als sie den Bergkristall von Laurent Seydoux, Vorstandsmitglied der Alpen-Initiative, überreicht erhielt. Der Kristall stammt aus dem Kanton Uri.

Stadtrat David Payot wies auf die Herausforderung hin, vor die sich die Stadt mit ihrem Projekt gestellt sieht: Die Grossküchen der Stadt Lausanne, die täglich 6400 Mahlzeiten bereitstellen und zum Beispiel Schulen beliefern, sollen 70 Prozent der Lebensmittel, die sie zubereiten, innerhalb eines Radius von 70 Kilometern beziehen.

«Das Projekt ist wegweisend und wir hoffen, dass auch andere Grossküchen dem Beispiel folgen, vermehrt regional einkaufen und so den kürzeren Transportweg wählen», sagte Laurent Seydoux in Lausanne: «Es muss unser aller Ziel sein, die CO2-Emmissionen zu reduzieren und den Klimawandel zu stoppen. Die Verkürzung der Transportdistanzen gehört ebenso dazu wie die Verlagerung der Gütertransporte von der Strasse auf die Schiene», erklärte Laurent Seydoux.

Zur Auswahl standen neben dem Lausanner Projekt zwei weitere Ideen. Eine stammt vom Zürcher Unternehmen ImagineCargo. Es ist Partner der SBB und hat einen Bike-Bahn-Bike-Dienst aufgebaut. Kandidat war auch das Projekt «Laines d’ici». Es hat Sitz in Cernier im Kanton Neuenburg, sammelt jedes Jahr drei bis vier Tonnen Wolle im Jurabogen ein und will einen grossen Teil davon direkt vor Ort verarbeiten.

Was nun?
Die Alpen-Initiative will mit dem Preis «Bergkristall» dazu animieren, Transportwege zu überdenken und innovative Lösungen zu finden. Dass der Preis «Teufelsstein» die Firma Trivarga AG dazu animiert, ihr Geschäftsmodell zu überdenken, ist kaum zu erwarten. Aber wir zählen darauf, dass die Konsumentinnen und Konsumenten an den unnötigen CO2-Verbrauch eines Fiji-Wassers denken und den Durst klimaschonender mit einheimischem Mineralwasser oder noch besser am Wasserhahn löschen. Vielleicht überlegt sich auch der eine oder andere Grossverteiler, ob er dieses Produkt künftig noch anbieten will.

Was ist mit Coca-Cola?
Die Alpen-Initiative hat den «Teufelsstein» erstmals 2002 vergeben, letztmals vor zwei Jahren an Coca-Cola. Obwohl Coca-Cola die Getränke auch in der Schweiz herstellt, liess es die Getränkedosen in Italien abfüllen und per Lastwagen durch den Gotthard importieren. Immerhin werden seit Februar 2016 die Dosen nicht mehr mit dem Lastwagen in die Schweiz gefahren, sondern mit dem Zug. Gemäss Coca-Cola lassen sich damit pro Woche fast 40 Lastwagenfahrten vermeiden. In der Schweiz selber die Dosen abzu­füllen, ist aber laut Unternehmenssprecher Patrick Bossart nicht geplant.

Und der Schlagrahm?
Der erste «Teufelsstein» ging 2002 an ­Migros und Coop. Sie liessen ihren Schlagrahm bis 2000 Kilometer weit fahren, um ihn in Belgien und Italien in ­Dosen abzufüllen und diese dann wieder in die Schweiz zu bringen. Eine Nachfrage beim Unternehmen ELSA, deren Schlag­rahm von Migros noch heute verkauft wird, hat ergeben, dass alles beim Alten geblieben ist. Tristan Cerf, Mediensprecher von Migros, erklärt, dass im vergangenen Jahr 33 Lastwagen von Estavayer-le-Lac 20’000 Kilo Rahm ins 700 Kilometer entfernte Belgien gebracht haben. Die Begründung: Die Menge sei zu klein, um den Transport per Bahn zu organisieren. Immerhin fährt seit 2016 der Lastwagen, der den Rahm nach Belgien bringt, nicht mehr leer zurück…

Und Nestlé?
2003 ging der «Teufelsstein» an Nestlé, den weltweiten Marktführer bei Wasser in Flaschen. Nestlé importierte mit Lastwagen Mineralwasser wie San Pellegrino, Contrex, Perrier und Vittel. Meike Schmidt, verantwortlich für Kommunikation, erklärte auf Anfrage, man bemühe sich unablässig, die Transporte zu optimieren. Faktisch ist es auch heute noch so, dass nur ein kleiner Teil mit der Bahn angeliefert wird. 2007 hat der Konzern auch zwei Schweizer Quellen aufgekauft, Henniez und Cristalp. Auch diese Flaschen werden per Lastwagen ausgeliefert, heisst es beim Unternehmen. Nur das Tessin wird hauptsächlich per Bahn bedient.

Die weiten Wege von den Niederlanden, welche die Aufbackbrote von Délifrance SA zurücklegen, gaben 2004 Anlass, den «Teufelsstein» zu vergeben. Die Brote wurden beispielweise von Coop verkauft. Heute liefert Délifrance nicht mehr an Coop.

Und der Abfall?
2005 ging der «Teufelsstein» an die Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) in Trimmis im Kanton Graubünden. Ein Grund war, dass der Abfall aus dem Oberengadin nicht den kürzesten Weg nach Trimmis, sondern 55 Kilometer weiter nach Nie­derurnen im Kanton Glarus nahm. Dieser Unsinn besteht weiterhin.

Kritisiert wurde auch, dass in Trimmis Abfälle aus dem Ausland verbrannt werden. Diese Praxis hat weiter Bestand. Gemäss Geschäftsbericht wurden 2016 in Trimmis 7800 Tonnen Abfall aus Österreich, 8500 Tonnen aus Italien und 2100 Tonnen aus Süddeutschland verbrannt.

Die Alpen-Initiative wird die Preise «Teufelsstein» und «Bergkristall» ab jetzt regelmässig jährlich vergeben. Einerseits sollen Firmen animiert werden, die Transportwege zu überprüfen, andererseits sollen Konsumentinnen und Konsumenten aufmerksamer werden bei ihren Einkäufen. Melden Sie uns gute und schlechte Beispiele:

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