Bemerkungen zum AbkommenDas Abkommen schafft massive Erschwernisse für die vom Bundesrat angestrebte Umsetzung des Alpenschutzartikels mit marktwirtschaftlichen Massnahmen. Sie führen zu einer Perversion von Marktwirtschaft und Kostenwahrheit, indem sie entsprechend massiver finanzieller Unterstützung der Bahnen erfordern. Dafür trägt der Bundesrat Verantwortung. Es ist ein Umkehrung der Tatsachen, wenn die Schwierigkeiten der Umsetzung des Alpenschutzartikels nun dem „ambitiösen Verlagerungsziel“ in die Schuhe geschoben werden (S. 24 des Botschaftsentwurfs). Wir bitten, in der definitiven Botschaft auf solchen Polemiken zu verzichten.
Das Abkommen stellt den aktuellen Stand des Verhältnisses Schweiz/EU dar. Es darf nicht davon ausgegangen werden, dass es dabei bleibt. Von „langfristig verlässlich und vertraglich abgesicherten Rahmenbedingungen“ (S. 21, Ziffer 2.6.1.4.1) kann nicht die Rede sein. Dies hat der Transitvertrag gezeigt, der jetzt lange vor seinem Auslaufen durch ein neues Abkommen ersetzt wird. Eine weitere Annäherung der Schweiz an die EU wird die Schweiz höchstwahrscheinlich zu weiteren Konzessionen zwingen. Die aktuelle Entwicklung in der EU lässt annehmen, dass dort Fortschritte hin zu einer ökologischeren Verkehrspolitik noch länger auf sich warten lassen werden. Die Eurovignetten-Beschlüsse des letzten Dezembers dürften zusammen mit den Entlastungen bei der Mineralölsteuer eher zu einer Verbilligung des Strassentransports führen. Bereits in der Phase der Beitrittsverhandlungen können LSVA und Nacht- und Sonntagsfahrverbote weiter unter Druck geraten. Dem ist bei den Begleitmassnahmen gebührend Rechnung zu tragen.
Die mit der EU ausgehandelten Tarife sind auch nach Eröffnung der NEAT mit grosser Wahrscheinlichkeit ungenügend, um die Verlagerung auf die Schiene ohne griffige Begleitmassnahmen bewerkstelligen zu können.
Zu Artikel 24: Der Zugang zum EU-Eisenbahnnetz wird von uns nicht als revolutionäre Neuerung betrachtet. Die Erfahrung zeigt, dass durch Gründung von Tochterunternehmen im EU-Raum auch Schweizer Bahnunternehmen in der EU tätig sein können, genauso wie Lastwagenunternehmen schon lange in die EU ausgeflaggt haben.
Zu Artikel 34: Im Transitvertrag von 1992 haben sich die EU-Länder zu bestimmten Ausbauten des Bahnnetzes verpflichtet. Obwohl offensichtlich ist, dass diese Verpflichtungen vor allem in Italien nicht eingehalten worden sind (was sich für die Verlagerung in den nächsten Jahren verheerend auswirken kann), fehlen von Seiten der Schweiz klare Worte dazu. Wir fordern den Bundesrat auf, die Verpflichtungen der EU-Länder aus dem Transitvertrag und deren Erfüllung in der Botschaft zusammenzustellen.
Zu Artikel 40: Die ausgehandelten Tarife genügen nicht, um die Produktivitätsfortschritte infolge der höheren Gewichtslimite aufzufangen. Faktisch wird der Strassenverkehr verbilligt, was von der Bahn nur durch staatlich gestützte Dumpingangebote aufgefangen werden kann. Das zeigt auch die Studie der Hupac AG. Die Bemerkung, dass bei Weiterführung des heutigen Regimes noch mehr Lastwagen zu erwarten wären, werten wir als reine Polemik. Das Volk hat LSVA und FinöV, das Parlament die Bahnreform bewilligt. Wir erwarten, dass der Bundesrat diese Beschlüsse auch ohne Abkommen mit der EU umsetzt. Als Polemik ist auch der Vergleich des Verkehrswachstums der schweizerischen mit den ausländischen Pässen seit 1981 zu werten. Die Ausländischen Übergänge waren zu diesem Zeitpunkt schon einige Jahre im Betrieb, hatten also das hohe Start-Wachstum schon hinter sich. (S. 23)
Zu Artikel 46: Die Schutzklauseln, die nur eine zeitlich beschränkte Anhebung der Transitgebühren erlauben, widersprechen dem Alpenschutz-Artikel, der eine dauerhafte Verlagerung will.
Bemerkungen zu den zwingenden RechtsanpassungenWenn der Bundesrat ins Auge fasst, dem Parlament erst im Jahr 2006 – zwei Jahre, nachdem die Verlagerung realisiert sein sollte! – ein Ausführungsgesetz zu Artikel 36sexies zu unterbreiten, so betrachten wir dies als Affront gegenüber dem Volk. Es gibt unseres Erachtens keinen zwingenden Grund, nicht bereits jetzt statt eines zeitlich beschränkten Bundesbeschlusses ein Definitivum in der Form eines Gesetzes zu erlassen. Bundesrat und Parlament setzen sich mit dem vorgeschlagenen Weg dem Verdacht aus, dass sie nur eines im Sinne haben: sich für die Beitrittsverhandlungen die Hände frei zu halten für weitere Konzessionen, die dann ohne Gesetzesänderung und folglich ohne zusätzliche Referendumshürde gewährt werden können.
Bemerkungen zu den flankierenden MassnahmenEin Aufschieben der Verlagerung, wie der Bundesrat dies vorsieht, ist für uns nicht akzeptabel. Die Alpen-Initiative fordert eine Reduktion der alpenquerenden Lastwagenfahrten auf 500’000. Angesichts des Transitvertrages von 1992 haben wir zugestanden, dass dieses Ziel erst im Jahr 2005 erreicht wird. Wir sind bereit, diesen Termin auf 2007 hinauszuschieben, wenn dafür jährliche Zwischenziele gemäss unserem Vorschlag für ein Verlagerungsgesetz definiert und kontrolliert werden.
Die Alpen-Initiative will Sicherheit haben, dass der Alpenschutzartikel auch wirklich umgesetzt wird bzw. das gesetzte Verlagerungsziel fristgerecht erreicht wird. Der Vorschlag des Bundesrat gibt uns diese Sicherheit nicht.
Die Rahmenbedingungen werden von uns wie folgt eingeschätzt:
Die Wirkung der Bahnreform ist ungewiss, diese kann sich auch negativ auf die Leistungsfähigkeit der Bahn auswirken.
Eine europäische LSVA in einer die externen Kosten deckenden Höhe ist noch längere Zeit nicht zu erwarten
Der Strassentransport kann auch zukünftig weitere nichtfiskalische Erleichterungenerwarten (Aufhebung von Fahrverboten, grössere Maximallängen, höhere Maximalgewichte, erleichterte Grenzkontrollen etc.)
Auch die Strasse macht weitere Produktivitätsfortschritte (z.B. High-Cube-Lastwagen, Sendungsverfolgung, etc.). Die vom Bund von den Bahnen geforderten 5% können möglicherweise bereits dadurch aufgefressen werden.
Die Güterstruktur entwickelt sich weiterhin in Richtung von sog. „strassenaffinen Gütern“ (leicht, hoher Wert, kleine Sendungen).
Die neue Verkehrspolitik führt – gemessen in zu einer massiven Verlagerung des Verkehrs auf die Strasse. Gemäss Ecoplan-Bericht (GVF-Auftrag 287, S. B18) sinkt der Modal-Split im Transitgüterverkehr, der 1979 noch 99% betrug und heute immerhin noch rund 81% beträgt, bei Zulassung von Vierzigtönnern bis 2005 auf 55% – trotz LSVA! Verlagerung auf die Schiene?
Beurteilung des Vorschlags des BundesratesDas geplante weitere Anwachsen des Verkehrs kann nicht akzeptiert werden. Gemäss FinöV-Botschaft betragen die Schienenkapazitäten rund das Doppelte des heute beanspruchten. Von Engpässen (wie Seite 41 suggeriert) kann deshalb keine Rede sein. Der Bundesrat muss allerdings von den EU-Ländern die versprochenen Ausbauten auf deren Territorium endlich energisch einfordern.
Der vom Bundesrat vorgeschlagene Betrag von 183 Mio. pro Jahr ist ungenügend. Die Alpen-Initiative verlangt einen nach oben offenen Kostenplafond oder mindestens eine offene „Dachluke“ (Möglichkeit für mehr Geld, wenn nötig).
Die Alpen-Initiative begrüsst die Ausdehung des Kostenrahmens auf 10 Jahre. Sachlich korrekter wäre eine Ausdehnung auf 13 Jahre (bis Eröffnung des Gotthard-Basistunnels).
Es ist grundsätzlich falsch, nur den Kombiverkehr finanziell zu fördern. Die effizienteste und damit langfristig Geld sparende Schienentransportart kann sich nur durchsetzen, wenn alle Arten gleich behandelt werden.
Es fehlt das von uns geforderte zwingende Junktim zwischen Vertrag und Begleitmassnahmen.
Der Vorschlag für die Kontingentsverteilung findet unsere Zustimmung.
Die Begünstigung des Vor- und Nachlaufs im Kombiverkehr ist falsch. Der Kombiverkehr muss durch Vergünstigung des Schienenanteils gefördert werden.
Die Verankerung der Sperrzeiten des Sonntags- und Nachtfahrverbotes im SVG bringt auch für den Bundesrat Vorteile. Denn damit wird eine zusätzliche Referendumshürde gegen allfällige zukünftige Konzessionen gegenüber der EU errichtet und somit die Verhandlungsposition der Schweiz gestärkt. Die in der EU geplante Harmonisierung der Fahrverbote läuft auf eine Aufhebung aller Schranken hinaus.
Wir vermissen eine gezielte Förderung von Innovationen (Horizontalumschlag, automatische Kupplung, Mehrstormlokomotiven etc.). Der Bund sollte Forschung, Entwicklung und Einführung von Innovationen gezielt (mit-)finanzieren, wenn ersichtlich ist, dass mit ihnen Betriebskosten gesenkt und damit Betriebsbeiträge (Trassenpreisreduktion, Abgeltungen) eingespart werden können. Die Bahnen haben heute und in naher Zukunft nicht die nötigen Reserven, um derartige Projekte zu finanzieren. Die solche Technologien anbietende Privatwirtschaft wird erst tätig, wenn eine Nachfrage seitens der Bahnen sichtbar ist.
Beurteilung des Vorschlags des BundesratsparteienZiel: Wir begrüssen insbesondere die geforderte sofortige Verkehrsreduktion mit kontrollierbaren Zwischenzielen. Als ungenügend betrachten wir jedoch eine Reduktion auf 650’000 Lastwagen.
Geld: Der vorgeschlagene Finanzrahmen ist nur unwesentlich höher als jener des Bundesrates, da er sich auf weniger Jahre erstreckt. Wir begrüssen jedoch das Prinzip, dass vor allem in den ersten Jahren mehr Geld zur Verfügung stehen muss.
Junktim: Wir bevorzugen die von uns vorgeschlagene Lösung, wonach das Abkommen erst in Kraft treten darf, wenn genügend griffige Begleitmassnahmen rechtskräftig beschlossen sind. Die von der Arbeitsgruppe vorgeschlagene Lösung betrachten wir nur als die zweitbeste. Im Sinne eines Kompromisses können wir uns mit der zeitlichen Staffelung einverstanden erklären, wenn gewährleistet ist, dass die Referendumsfrist für die Ratifizierung erst zu laufen beginnt, wenn diejenige für die Begleitmassnahmen unbenützt abgelaufen ist oder die entsprechende Abstimmung eine Zustimmung des Volkes ergeben hat.
Kontingente: Wir ziehen die Regelung des Bundesrates vor. Gut ist der Vorschlag, die Verteilung an die Bahnbenutzung zu koppeln.
Vor- und Nachlauf zum Kombiverkehr: Die Regelung ist genauso falsch wie die des Bundesrates. Zudem hat sie fast nichts mit dem alpenquerenden Verkehr zu tun, viel jedoch mit einem blossen Geschenk an das Strassentransportgewerbe.
Innovationen: Auch hier vermissen wir gezielte Förderungsmassnahmen.
Empfehlung Die Alpen-Initiative empfiehlt dem Bundesrat:Grundsätzlich: Aufbauen auf dem Vorschlag der Arbeitsgruppe der Bundesratsparteien
Verlagerungsziel: Festlegung klarer Zielgrössen (höchstzulässige Zahl von LKW/Jahr im alpenquerenden Verkehr) mit mindestens zweijährlichen Zwischenzielen, welche eine Überprüfung der Erreichung der Etappenziele und eine entsprechende Korrektur der eingesetzten Massnahmen ermöglichen. Endziel für das Jahr 2007 und alle weiteren Jahre: maximal 500’000 Lastwagen/Jahr.
Geld: Einbau einer innenpolitischen Schutzklausel („Dachluke“), die es erlaubt, den jährlichen Kreditrahmen von 300 Mio. im nötigen Umfang, aber mindestens auf 500 Mio. Franken zu erhöhen, wenn die (Zwischen-) Ziele nicht erreicht worden sind. Ausdehnung des Rahmenkredits bis zum Jahr 2012. Trassenpreisreduktion auch für den Einzelwagenladungsverkehr.
Junktim zwischen Ratifizierungsbeschluss und Begleitmassnahmen: Verdeutlichung in der oben beschriebenen Art (siehe Bemerkungen zum Vorschlag der Bundesratsparteien).
Gesetz: Verbindliche Festlegung der Frist für einen Gesetzesentwurf bis 2003, wenn aus technischen Gründen die Gesetzesform nicht sofort möglich sein sollte.
Kontingentsregelung: gemäss Bundesratsvorschlag, aber Verteilung gebunden an Bahnbenutzung.
Erleichterungen für den Vor- und Nachlauf (LSVA und Aufhebung/Ausweitung der Radialzonen): ganz streichen. Dafür ist die Förderung von alpenübergreifenden Partnerschaften zwischen kleinen Strassentransportunternehmen im Vor- und Nachlauf zu Bahntransporten gezielt zu fördern.
Innovationsförderung: Sind zusätzlich in den Verlagerungsbeschluss aufnehmen (Horizontalumschlag, automatische Kupplung, Mehrstromlokomotiven, etc.)
Vernehmlassung zum Landverkehrsabkommen mit der EU
06.04.1999
6. April 1999